"Aus Angst Dinge nicht zu machen ist fatal"
Interview. Biogena-Gründer Albert Schmidbauer im Gespräch über seinen persönlichen Umgang mit Geld und darüber, warum er in Start-ups investiert, obwohl er erwartet, dass einige davon scheitern werden.
Die Presse: Biogena finanziert sich über Crowdfunding, das ist für Österreich durchaus ungewöhnlich.
Albert Schmidbauer: Wirsinddie österreichischen Pioniere des Crowdfundings. Unmittelbar nachdem das Alternativfinanzierungsgesetz im Jahr 2015 umgesetzt wurde, sind wir als Erstes über die Zielgerade gegangen. Damit kann die eigene Community, also Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gut eingebunden werden, man kann sie somit auch am Erfolg von Biogena teilhaben lassen. Aktuell läuft die 15. Kampagne. Auch wenn wir schon ein reiferes Unternehmen sind, ist Crowdfunding ein guter Teil eines Finanzierungsmix.
Woraus besteht dieser Mix?
Wir finanzieren uns aus der angesprochenen Crowdinvest-Kampagne, aus unserem eigenen Cashflow und mithilfe von Banken. Dieser Mix sorgt für Unabhängigkeit, und es ist ein gutes Signal für Banken, dass man auch in der Lage ist, sich ohne Kredite zu finanzieren. Mein Unternehmen hat, seit ich es gegründet habe, immer Gewinne geschrieben. Mittlerweile wurden mehr als zwölf Millionen Euro aus der Crowdfunding-Kampagne lukriert.
Ist jeder Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert?
Nicht jeder, und das ist auch keine Pflicht. Aber es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die auch investieren, und wir bieten seit Jahren attraktive Zinssätze an. Bei Kunden gilt oft, dass sie dort investieren sollen, wo sie auch selbst einkaufen. Es bedeutet die volle Identifikation mit der Firma, und wer selbst in dem Unternehmen arbeitet, hat auch genug Einblicke, wie es der Firma geht.
Welcher Betrag wird üblicherweise investiert?
Im Durchschnitt sind das rund 5000 Euro.
Auf Ihrer Website scheinen die Investoren namentlich auf. Verändert das die Kultur, über Geld zu sprechen?
Ja, hoffentlich. Die meisten unserer Investoren entscheiden sich dafür, offen aufzutreten.
Wie wird Crowdfunding von Investoren in Österreich aufgenommen?
Immer besser. 2015 wurde noch oft nachgefragt, welche Sicherheiten vorliegen. Aber gefühlt werden es mit jeder Kampagne weniger: Grund dafür ist, dass Menschen mittlerweile mit dieser Art zu investieren besser vertraut sind.
Das Unternehmen weist auch eine „Double Climate Positive“Zertifizierung auf.
Wir kompensieren Emissionen, die nicht mehr vermeidbar sind. Und diese verdoppeln wir noch – quasi für Unternehmen, die überhaupt nichts in die Richtung machen. Das beginnt bei unserem Bistro – da setzen wir überwiegend auf vegane und vegetarische Ernährung – und geht bis zu unserer E-Mini-Flotte. Der Strom kommt aus einer Fotovoltaik-Anlage, und die Flotte ist mit 120 E-Minis die größte in Europa. Außerdem beziehen wir hundert Prozent Ökostrom, und wir sind das einzige Unternehmen, bei dem die Verpackung unserer Präparate bei der Ökodose aus einem Material besteht, das auf Zuckerrohr basiert, also CO2 bindet. Je mehr Dosen wir verkaufen, desto größer ist die CO2-Ersparnis. Aktuell beläuft sich die Ersparnis auf rund hundert Tonnen.
Inwieweit kann bei der Herstellung auf so etwas geachtet werden?
Wir stellen unsere Produkte in Koppl in Salzburg selbst her. Und gleichzeitig sind wir ein forschendes Unternehmen, wir haben 30 akademisch ausgebildete Experten in diesem Bereich. Wir forschen, wir machen Produktentwicklung, und wir stellen selbst her, machen also die gesamte Wertschöpfungskette selbst. Bei unseren Rohstofflieferanten achten wir darauf, wie sie arbeiten und welche Zertifikate sie haben. Zu den großen Lieferanten fahren wir auch persönlich hin und sehen uns das an.
Ist eine Produktionsstätte in Österreich rentabel?
Es ist teuer, aber dafür bekommt man die beste Qualität. Ich will 100 Prozent hinter dem Produkt stehen, und das ist für mich nur möglich, wenn ich auch selbst produziere. Unsere Präparate sind zwar preislich im oberen Drittel angesiedelt, aber nicht ohne Grund. Unsere Kunden sind bereit, dafür zu bezahlen, denn gerade, wenn es um Gesundheit geht, werden andere Maßstäbe angelegt. Bei Socken entscheidet man sich rasch für die günstigere Variante. Auch Vertrauen ist in diesem Bereich wichtig, wir haben eine Schauproduktion in Koppl bei Salzburg. Dort zeigen wir transparent, wie wir produzieren.
Haben Sie Sorge, dass durch die Teuerung auf diese Art von Produkten verzichtet wird?
Das zeigt sich bislang überhaupt nicht. Aber wir haben schon in der Pandemie gesehen, dass die Gesundheitsbranche ein sehr krisensicheres Geschäft ist.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, ein eigenes Unternehmen aufzuziehen?
Ich liebe es, etwas zu gestalten, und das kann man mit einem eigenen Unternehmen am besten ausleben.
In welch e Märkte figsten exportiert?
wird am häu
Unsere Exportquote liegt bei 53 Prozent und soll in den nächsten Jahren auf 80 Prozent anwachsen. Der größte Exportmarkt ist derzeit noch Deutschland, aber wir sind auch in der Schweiz und Italien gut aufgestellt. 2019 haben wir in den USA ein Tochterunternehmen gegründet und sind in Dubai stark vertreten und wachsen immer weiter. Aktuell planen wir unseren Flagship-Store in London.
War Russland oder die Ukraine für Ihr Unternehmen relevant?
In der Ukraine gab es keine Geschäftstätigkeit. In Russland hatten wir gerade begonnen, tätig zu werden, und das ist derzeit eingestellt. Das war aber nur ein sehr kleiner Teil, das hat uns also nicht bet roffen. Durch uns ere Wertschöpfungstiefe sind wir nur wenig eingeschränkt, auch die Lieferkettenverwerfungen haben uns nur minimal betroffen. Üblicherweise werden am 1. Oktober die neuen Preise angepasst, aber darauf haben wir heuer verzichtet, weil wir durch die neue Produktionsstätte so viele Effizienzgewinne in der Produktion hatten.
Die Energiekosten belasten Sie nicht?
Unsere Produktion ist nicht energieintensiv, und wir verfügen über mehrere Fotovoltaik-Anlagen. Energiekosten sind zum Glück nicht unser Thema. Mit den neuen Maschinen und effizienteren Abläufen konnten wir hohe Effizienzgewinne lukrieren und verzichten daher auf Erhöhungen.
Wie wichtig ist Ihnen Geld?
Geld ist mir insofern wichtig, weil es unabhängig macht. Geld ermöglicht Gestalten und ist ein Instrument, um Ideen umsetzen zu können – und ich habe Tausende Ideen. Für sich allein betrachtet, ist es mir aber nicht besonders wichtig. Ein Kontoauszug mit einer Zahl darauf bedeutet mir nur wenig.
Worin lich?
Aktuell in 25 Start-ups, vor allem im Bereich Nutrition, Gesundheit und Klimaschutz – das sind die großen Zukunftsfelder. Zum Beispiel Neoh, das Unternehmen will das Naschregal revolutionieren, mit einer Zuckeraustauschformel, die den Blutzucker nicht mehr beeinflusst. Mit denen haben wir eine besondere Freude, und wir unterstützen junge Unternehmen sehr gern.
investieren Sie persönInvestieren Sie nur Geld, oder stellen Sie auch Ihr Know-how zur Verfügung?
Soweit mög lich beide s. Ich habe aber selbst eine Unternehmensgruppe mit fast 400 Mitarbeitenden zu führen, ich habe also nicht unendlich Ressourcen, die ich zur Verfügung stellen kann. Aber ich versuche nicht nur mit Geld, sondern auch mit Rat zur Seite zu stehen.
Haben Sie selbst schon Geschäftsentscheidungen getroffen, die viel Geld gekostet haben?
Ja, auf jeden Fall. So ist es aber als Unternehmen, und einer unserer Unternehmenswerte ist Mut. Man wird nie vorwärtskommen, wenn man nicht bereit ist, etwas zu riskieren und die eigene Komfortzone zu verlassen. Da geht klarerweise nicht alles auf, aber ich kann solche Dinge sehr schnell wegstecken und gehe dann mit positivem Blick weiter in die Zukunft.
DieFeh lerkultur ist in Österreich nicht sehr ausgeprägt.
Ich wurde in einer Generation sozialisiert, in der gebrandmarkt war, wer ein Unternehmen in den Sand setzt. Und zwar nicht nur die Person selbst, sondern die ganze Familie. Ich habe ein Jahr in den USA gelebt, und dort gibt es eine ganz andere Fehlerkultur. Wer sich traut, etwas auszuprobieren, wird mit Respekt behandelt. Nach und nach wandelt sich auch die Kultur in Österreich, aber ich würde mir wünschen, dass Mut stärker honoriert wird. Mir ist bewusst, dass von meinen Start-up-Beteiligungen ein hoher Prozentsatz scheitern wird, aber trotzdem will ich das unterstützten. Das Wichtigste ist nur, dass man denselben Fehler nicht dreimal macht, sondern daraus lernt. Aus Angst Dinge nicht zu machen ist fatal.
Soll das Unternehmen irgendwann vollständig an der Börse notiert sein?
3,89 Prozent sind in Streubesitz über die Biogena Group Invest, die an der Wiener Börse notiert ist. Die restlichen 96,1 Prozent gehören mir. Das gesamte Unternehmen an die Börse zu bringen ist durchaus eine Option, aber es ist aktuell die denkbar schlechteste Zeit, darüber nachzudenken. Ich gehe aber davon aus, dass wir in drei bis vier Jahren eine völlig andere Zeit haben und nicht mehr von Rezession sprechen müssen.