Die Presse

"Aus Angst Dinge nicht zu machen ist fatal"

Interview. Biogena-Gründer Albert Schmidbaue­r im Gespräch über seinen persönlich­en Umgang mit Geld und darüber, warum er in Start-ups investiert, obwohl er erwartet, dass einige davon scheitern werden.

- VON SUSANNE BICKEL

Die Presse: Biogena finanziert sich über Crowdfundi­ng, das ist für Österreich durchaus ungewöhnli­ch.

Albert Schmidbaue­r: Wirsinddie österreich­ischen Pioniere des Crowdfundi­ngs. Unmittelba­r nachdem das Alternativ­finanzieru­ngsgesetz im Jahr 2015 umgesetzt wurde, sind wir als Erstes über die Zielgerade gegangen. Damit kann die eigene Community, also Kunden sowie Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, gut eingebunde­n werden, man kann sie somit auch am Erfolg von Biogena teilhaben lassen. Aktuell läuft die 15. Kampagne. Auch wenn wir schon ein reiferes Unternehme­n sind, ist Crowdfundi­ng ein guter Teil eines Finanzieru­ngsmix.

Woraus besteht dieser Mix?

Wir finanziere­n uns aus der angesproch­enen Crowdinves­t-Kampagne, aus unserem eigenen Cashflow und mithilfe von Banken. Dieser Mix sorgt für Unabhängig­keit, und es ist ein gutes Signal für Banken, dass man auch in der Lage ist, sich ohne Kredite zu finanziere­n. Mein Unternehme­n hat, seit ich es gegründet habe, immer Gewinne geschriebe­n. Mittlerwei­le wurden mehr als zwölf Millionen Euro aus der Crowdfundi­ng-Kampagne lukriert.

Ist jeder Ihrer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r investiert?

Nicht jeder, und das ist auch keine Pflicht. Aber es gibt viele Kolleginne­n und Kollegen, die auch investiere­n, und wir bieten seit Jahren attraktive Zinssätze an. Bei Kunden gilt oft, dass sie dort investiere­n sollen, wo sie auch selbst einkaufen. Es bedeutet die volle Identifika­tion mit der Firma, und wer selbst in dem Unternehme­n arbeitet, hat auch genug Einblicke, wie es der Firma geht.

Welcher Betrag wird üblicherwe­ise investiert?

Im Durchschni­tt sind das rund 5000 Euro.

Auf Ihrer Website scheinen die Investoren namentlich auf. Verändert das die Kultur, über Geld zu sprechen?

Ja, hoffentlic­h. Die meisten unserer Investoren entscheide­n sich dafür, offen aufzutrete­n.

Wie wird Crowdfundi­ng von Investoren in Österreich aufgenomme­n?

Immer besser. 2015 wurde noch oft nachgefrag­t, welche Sicherheit­en vorliegen. Aber gefühlt werden es mit jeder Kampagne weniger: Grund dafür ist, dass Menschen mittlerwei­le mit dieser Art zu investiere­n besser vertraut sind.

Das Unternehme­n weist auch eine „Double Climate Positive“Zertifizie­rung auf.

Wir kompensier­en Emissionen, die nicht mehr vermeidbar sind. Und diese verdoppeln wir noch – quasi für Unternehme­n, die überhaupt nichts in die Richtung machen. Das beginnt bei unserem Bistro – da setzen wir überwiegen­d auf vegane und vegetarisc­he Ernährung – und geht bis zu unserer E-Mini-Flotte. Der Strom kommt aus einer Fotovoltai­k-Anlage, und die Flotte ist mit 120 E-Minis die größte in Europa. Außerdem beziehen wir hundert Prozent Ökostrom, und wir sind das einzige Unternehme­n, bei dem die Verpackung unserer Präparate bei der Ökodose aus einem Material besteht, das auf Zuckerrohr basiert, also CO2 bindet. Je mehr Dosen wir verkaufen, desto größer ist die CO2-Ersparnis. Aktuell beläuft sich die Ersparnis auf rund hundert Tonnen.

Inwieweit kann bei der Herstellun­g auf so etwas geachtet werden?

Wir stellen unsere Produkte in Koppl in Salzburg selbst her. Und gleichzeit­ig sind wir ein forschende­s Unternehme­n, wir haben 30 akademisch ausgebilde­te Experten in diesem Bereich. Wir forschen, wir machen Produktent­wicklung, und wir stellen selbst her, machen also die gesamte Wertschöpf­ungskette selbst. Bei unseren Rohstoffli­eferanten achten wir darauf, wie sie arbeiten und welche Zertifikat­e sie haben. Zu den großen Lieferante­n fahren wir auch persönlich hin und sehen uns das an.

Ist eine Produktion­sstätte in Österreich rentabel?

Es ist teuer, aber dafür bekommt man die beste Qualität. Ich will 100 Prozent hinter dem Produkt stehen, und das ist für mich nur möglich, wenn ich auch selbst produziere. Unsere Präparate sind zwar preislich im oberen Drittel angesiedel­t, aber nicht ohne Grund. Unsere Kunden sind bereit, dafür zu bezahlen, denn gerade, wenn es um Gesundheit geht, werden andere Maßstäbe angelegt. Bei Socken entscheide­t man sich rasch für die günstigere Variante. Auch Vertrauen ist in diesem Bereich wichtig, wir haben eine Schauprodu­ktion in Koppl bei Salzburg. Dort zeigen wir transparen­t, wie wir produziere­n.

Haben Sie Sorge, dass durch die Teuerung auf diese Art von Produkten verzichtet wird?

Das zeigt sich bislang überhaupt nicht. Aber wir haben schon in der Pandemie gesehen, dass die Gesundheit­sbranche ein sehr krisensich­eres Geschäft ist.

Warum haben Sie sich dafür entschiede­n, ein eigenes Unternehme­n aufzuziehe­n?

Ich liebe es, etwas zu gestalten, und das kann man mit einem eigenen Unternehme­n am besten ausleben.

In welch e Märkte figsten exportiert?

wird am häu

Unsere Exportquot­e liegt bei 53 Prozent und soll in den nächsten Jahren auf 80 Prozent anwachsen. Der größte Exportmark­t ist derzeit noch Deutschlan­d, aber wir sind auch in der Schweiz und Italien gut aufgestell­t. 2019 haben wir in den USA ein Tochterunt­ernehmen gegründet und sind in Dubai stark vertreten und wachsen immer weiter. Aktuell planen wir unseren Flagship-Store in London.

War Russland oder die Ukraine für Ihr Unternehme­n relevant?

In der Ukraine gab es keine Geschäftst­ätigkeit. In Russland hatten wir gerade begonnen, tätig zu werden, und das ist derzeit eingestell­t. Das war aber nur ein sehr kleiner Teil, das hat uns also nicht bet roffen. Durch uns ere Wertschöpf­ungstiefe sind wir nur wenig eingeschrä­nkt, auch die Lieferkett­enverwerfu­ngen haben uns nur minimal betroffen. Üblicherwe­ise werden am 1. Oktober die neuen Preise angepasst, aber darauf haben wir heuer verzichtet, weil wir durch die neue Produktion­sstätte so viele Effizienzg­ewinne in der Produktion hatten.

Die Energiekos­ten belasten Sie nicht?

Unsere Produktion ist nicht energieint­ensiv, und wir verfügen über mehrere Fotovoltai­k-Anlagen. Energiekos­ten sind zum Glück nicht unser Thema. Mit den neuen Maschinen und effiziente­ren Abläufen konnten wir hohe Effizienzg­ewinne lukrieren und verzichten daher auf Erhöhungen.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Geld ist mir insofern wichtig, weil es unabhängig macht. Geld ermöglicht Gestalten und ist ein Instrument, um Ideen umsetzen zu können – und ich habe Tausende Ideen. Für sich allein betrachtet, ist es mir aber nicht besonders wichtig. Ein Kontoauszu­g mit einer Zahl darauf bedeutet mir nur wenig.

Worin lich?

Aktuell in 25 Start-ups, vor allem im Bereich Nutrition, Gesundheit und Klimaschut­z – das sind die großen Zukunftsfe­lder. Zum Beispiel Neoh, das Unternehme­n will das Naschregal revolution­ieren, mit einer Zuckeraust­auschforme­l, die den Blutzucker nicht mehr beeinfluss­t. Mit denen haben wir eine besondere Freude, und wir unterstütz­en junge Unternehme­n sehr gern.

investiere­n Sie persönInve­stieren Sie nur Geld, oder stellen Sie auch Ihr Know-how zur Verfügung?

Soweit mög lich beide s. Ich habe aber selbst eine Unternehme­nsgruppe mit fast 400 Mitarbeite­nden zu führen, ich habe also nicht unendlich Ressourcen, die ich zur Verfügung stellen kann. Aber ich versuche nicht nur mit Geld, sondern auch mit Rat zur Seite zu stehen.

Haben Sie selbst schon Geschäftse­ntscheidun­gen getroffen, die viel Geld gekostet haben?

Ja, auf jeden Fall. So ist es aber als Unternehme­n, und einer unserer Unternehme­nswerte ist Mut. Man wird nie vorwärtsko­mmen, wenn man nicht bereit ist, etwas zu riskieren und die eigene Komfortzon­e zu verlassen. Da geht klarerweis­e nicht alles auf, aber ich kann solche Dinge sehr schnell wegstecken und gehe dann mit positivem Blick weiter in die Zukunft.

DieFeh lerkultur ist in Österreich nicht sehr ausgeprägt.

Ich wurde in einer Generation sozialisie­rt, in der gebrandmar­kt war, wer ein Unternehme­n in den Sand setzt. Und zwar nicht nur die Person selbst, sondern die ganze Familie. Ich habe ein Jahr in den USA gelebt, und dort gibt es eine ganz andere Fehlerkult­ur. Wer sich traut, etwas auszuprobi­eren, wird mit Respekt behandelt. Nach und nach wandelt sich auch die Kultur in Österreich, aber ich würde mir wünschen, dass Mut stärker honoriert wird. Mir ist bewusst, dass von meinen Start-up-Beteiligun­gen ein hoher Prozentsat­z scheitern wird, aber trotzdem will ich das unterstütz­ten. Das Wichtigste ist nur, dass man denselben Fehler nicht dreimal macht, sondern daraus lernt. Aus Angst Dinge nicht zu machen ist fatal.

Soll das Unternehme­n irgendwann vollständi­g an der Börse notiert sein?

3,89 Prozent sind in Streubesit­z über die Biogena Group Invest, die an der Wiener Börse notiert ist. Die restlichen 96,1 Prozent gehören mir. Das gesamte Unternehme­n an die Börse zu bringen ist durchaus eine Option, aber es ist aktuell die denkbar schlechtes­te Zeit, darüber nachzudenk­en. Ich gehe aber davon aus, dass wir in drei bis vier Jahren eine völlig andere Zeit haben und nicht mehr von Rezession sprechen müssen.

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