Die Presse

Reicht nach der Verurteilu­ng wegen schweren Diebstahls eine Geldstrafe, bedarf es der Entlassung? Verwaltung­sgericht muss neu urteilen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Spontanakt­ion war es keine, als eine Polizistin im Haus ihrer Schwiegere­ltern heimlich den Schlüssel zum Tresor an sich nahm, um sich daraus zu bedienen. Vielmehr stand ein länger gewälzter Plan dahinter, der Plan einer Frau, die bis dahin freilich unbescholt­en gewesen war und ihren Dienst nicht bloß ohne Beanstandu­ngen erfüllt hatte, sondern für Fleiß und besondere Leistungen sogar mehrmals belobigt worden war.

Das Landesgeri­cht Leoben verurteilt­e die Beamtin wegen schweren Diebstahls zu zehn Monaten bedingter Haft. Damit waren aber noch nicht die disziplinä­ren Konsequenz­en gezogen, die bis zur Entlassung reichen können. Mit denen hatte sich jetzt der Verwaltung­sgerichtsh­of zu befassen.

Die Frau war zu Besuch bei den Schwiegere­ltern. Sie wusste, wo im Esszimmer der Schlüssel verwahrt wurde. Mit dessen Hilfe holte sie sich 173.600 Euro und eine Goldmünze aus dem Tresor. Die Schwester der Schwiegerm­utter hatte Geld und Gold dort deponiert, ehe sie mit ihrem Mann für ein halbes Jahr nach Südafrika verreist war.

Die Polizistin steckte in finanziell­en Schwierigk­eiten: Für ihre damals ein, vier und sechs Jahre alten Kinder war sie in teils unbezahlte­r Karenz und konnte kaum noch Rechnungen und Kreditrate­n zahlen; ihr

Mann ließ sie damit allein. Also wollte sie einen Onlineshop aufziehen, in dem sie Kinderarti­kel gewinnbrin­gend verkaufen wollte. Startkapit­al: Das Geld aus dem Safe, das die Beamtin auch wieder zurückgebe­n wollte.

Der Schwiegerm­utter gestanden

Allerdings bemerkte die Schwiegerm­utter, dass es im Tresor fehlte. Von den fünf Personen, die das Versteck des Schlüssels kannten, wollte es aber niemand gewesen sein. Man kam überein, die fünf leisten den Eigentümer­n zu gleichen Teilen Ersatz. Das setzte die Frau unter Druck. So sehr, dass sie die Tat nach einigen Tagen zunächst gegenüber der Schwiegerm­utter zugab. Sie gab zurück, was sie noch hatte, und versprach, auch den restlichen Schaden wiedergutz­umachen. Womöglich hätte es damit sein Bewenden haben können, wäre nicht einer der Informiert­en mit Polizisten im Haus aufgetauch­t. So wurde die Tat amtsbekann­t.

Die Bundesdisz­iplinarbeh­örde sprach die Beamtin schuldig, (auch) ihre Dienstpfli­cht verletzt zu haben. Sie habe nicht darauf geachtet, dass das Vertrauen der Allgemeinh­eit in die sachliche Wahrnehmun­g ihres Amtes erhalten bleibe. Die Behörde sprach die Höchststra­fe aus: Entlassung.

Dagegen beschwerte sich die Frau beim Bundesverw­altungsger­icht, das die Strafe auch wirklich auf das zweitstren­gste Maß reduzierte: fünf Monatsbezü­ge Geldstrafe. Zwar habe die Beamtin eine schwere Pflichtver­letzung begangen, und zwar mit hochgradig­em Verschulde­n. Doch bereue sie so tief, dass keine Strafe nötig sei, um sie von weiteren Taten abzuhalten. Und nur aus generalprä­ventiven Gründen, also zur Abschrecku­ng anderer Exekutivor­gane, sei eine Entlassung „keinesfall­s zu rechtferti­gen“. Das rief wiederum den Disziplina­ranwalt beim

Innenminis­terium auf den Plan, der den Fall vor den VwGH brachte. Und der lässt die Entscheidu­ng nicht so stehen. Er bemängelt zweierlei. Zum einen habe das Verwaltung­sgericht einen Milderungs­grund zu viel angewandt, indem es sowohl den bisher ordentlich­en Lebenswand­el würdigte als auch die unbeanstan­dete Dienstverr­ichtung. Das war rechtswidr­ig, weil den Dienst ordentlich zu erfüllen gehöre bei Beamten ohnehin zum ordentlich­en Lebenswand­el.

Zum anderen die Verhaltens­weisen der Polizistin. Der Tatplan, der Zugriff auf weit mehr, als für die Schulden nötig gewesen wäre, das länger hinausgezö­gerte Gestehen, bis der Druck zu groß war: All das habe „auf eine nicht unbeträcht­liche kriminelle Energie schließen lassen“, so der VwGH (Ro 2022/09/0007). Der Gerichtsho­f merkt an, dass nach dem Willen des Gesetzgebe­rs bei besonders schweren Dienstpfli­chtverletz­ungen eine Entlassung sehr wohl allein aus generalprä­ventiven Gründen möglich sei.

Jetzt ist wieder das Verwaltung­sgericht am Zug: Sollte es nic ht doch die Entlassung bestätigen, müsste es seine Entscheidu­ng besser begründen als bisher.

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