Reicht nach der Verurteilung wegen schweren Diebstahls eine Geldstrafe, bedarf es der Entlassung? Verwaltungsgericht muss neu urteilen.
Spontanaktion war es keine, als eine Polizistin im Haus ihrer Schwiegereltern heimlich den Schlüssel zum Tresor an sich nahm, um sich daraus zu bedienen. Vielmehr stand ein länger gewälzter Plan dahinter, der Plan einer Frau, die bis dahin freilich unbescholten gewesen war und ihren Dienst nicht bloß ohne Beanstandungen erfüllt hatte, sondern für Fleiß und besondere Leistungen sogar mehrmals belobigt worden war.
Das Landesgericht Leoben verurteilte die Beamtin wegen schweren Diebstahls zu zehn Monaten bedingter Haft. Damit waren aber noch nicht die disziplinären Konsequenzen gezogen, die bis zur Entlassung reichen können. Mit denen hatte sich jetzt der Verwaltungsgerichtshof zu befassen.
Die Frau war zu Besuch bei den Schwiegereltern. Sie wusste, wo im Esszimmer der Schlüssel verwahrt wurde. Mit dessen Hilfe holte sie sich 173.600 Euro und eine Goldmünze aus dem Tresor. Die Schwester der Schwiegermutter hatte Geld und Gold dort deponiert, ehe sie mit ihrem Mann für ein halbes Jahr nach Südafrika verreist war.
Die Polizistin steckte in finanziellen Schwierigkeiten: Für ihre damals ein, vier und sechs Jahre alten Kinder war sie in teils unbezahlter Karenz und konnte kaum noch Rechnungen und Kreditraten zahlen; ihr
Mann ließ sie damit allein. Also wollte sie einen Onlineshop aufziehen, in dem sie Kinderartikel gewinnbringend verkaufen wollte. Startkapital: Das Geld aus dem Safe, das die Beamtin auch wieder zurückgeben wollte.
Der Schwiegermutter gestanden
Allerdings bemerkte die Schwiegermutter, dass es im Tresor fehlte. Von den fünf Personen, die das Versteck des Schlüssels kannten, wollte es aber niemand gewesen sein. Man kam überein, die fünf leisten den Eigentümern zu gleichen Teilen Ersatz. Das setzte die Frau unter Druck. So sehr, dass sie die Tat nach einigen Tagen zunächst gegenüber der Schwiegermutter zugab. Sie gab zurück, was sie noch hatte, und versprach, auch den restlichen Schaden wiedergutzumachen. Womöglich hätte es damit sein Bewenden haben können, wäre nicht einer der Informierten mit Polizisten im Haus aufgetaucht. So wurde die Tat amtsbekannt.
Die Bundesdisziplinarbehörde sprach die Beamtin schuldig, (auch) ihre Dienstpflicht verletzt zu haben. Sie habe nicht darauf geachtet, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihres Amtes erhalten bleibe. Die Behörde sprach die Höchststrafe aus: Entlassung.
Dagegen beschwerte sich die Frau beim Bundesverwaltungsgericht, das die Strafe auch wirklich auf das zweitstrengste Maß reduzierte: fünf Monatsbezüge Geldstrafe. Zwar habe die Beamtin eine schwere Pflichtverletzung begangen, und zwar mit hochgradigem Verschulden. Doch bereue sie so tief, dass keine Strafe nötig sei, um sie von weiteren Taten abzuhalten. Und nur aus generalpräventiven Gründen, also zur Abschreckung anderer Exekutivorgane, sei eine Entlassung „keinesfalls zu rechtfertigen“. Das rief wiederum den Disziplinaranwalt beim
Innenministerium auf den Plan, der den Fall vor den VwGH brachte. Und der lässt die Entscheidung nicht so stehen. Er bemängelt zweierlei. Zum einen habe das Verwaltungsgericht einen Milderungsgrund zu viel angewandt, indem es sowohl den bisher ordentlichen Lebenswandel würdigte als auch die unbeanstandete Dienstverrichtung. Das war rechtswidrig, weil den Dienst ordentlich zu erfüllen gehöre bei Beamten ohnehin zum ordentlichen Lebenswandel.
Zum anderen die Verhaltensweisen der Polizistin. Der Tatplan, der Zugriff auf weit mehr, als für die Schulden nötig gewesen wäre, das länger hinausgezögerte Gestehen, bis der Druck zu groß war: All das habe „auf eine nicht unbeträchtliche kriminelle Energie schließen lassen“, so der VwGH (Ro 2022/09/0007). Der Gerichtshof merkt an, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen eine Entlassung sehr wohl allein aus generalpräventiven Gründen möglich sei.
Jetzt ist wieder das Verwaltungsgericht am Zug: Sollte es nic ht doch die Entlassung bestätigen, müsste es seine Entscheidung besser begründen als bisher.