Arbeitsrecht. Man hätte dem Wächter erst sagen müssen, dass er sich gegenüber Geschäftspartnern besser verhalten soll, meint der OGH.
Dass der Mann ein Problemfall ist, war schon im letzten halben Jahr vor der Entlassung deutlich geworden. Er trat aggressiv gegenüber seinem Chef auf. Betrunken rief er den Vorgesetzten drei- bis viermal auf dessen privatem Handy an und bezeichnete alle auf der Baustelle beschäftigten Mitarbeiter des Kunden mit einem Schimpfwort. Aber erst als der Mann diese Beschäftigten auch im Telefonat gegenüber einer Mitarbeiterin des Kunden beschimpfte, reichte es dem Arbeitgeber. Er entließ den Mann.
Dieser war eigentlich nicht für Flegeleien eingestellt worden, sondern dafür, als Wachorgan auf einer Baustelle nach dem Rechten zu sehen. Und zwar auf der Baustelle jenes Kunden, von dessen Mitarbeitern der Wächter sichtlich wenig hielt. Als er entlassen wurde, klagte der Mann. Und tatsächlich sollte sich herausstellen, dass es gar nicht so einfach war, einen passenden Entlasssungstatbestand für ihn zu finden.
Anwendbar war die in Teilen noch geltende Gewerbeordnung aus dem Jahr 1859. Laut dieser kann man entlassen werden, wenn man eine grobe Ehrenbeleidigung „gegen den Gewerbsinhaber oder dessen Hausgenossen, oder gegen die übrigen Hilfsarbeiter“ausstößt. Doch entlassen wurde der Mann ja, weil er die Mitarbeiter vom Kunden beleidigte. Da Geschäftspartner nicht in der
Aufzählung des Gesetzes vorkamen, ging dieser Entlassungstatbestand laut dem Oberlandesgericht Wien ins Leere.
Anknüpfen konnte man aber an einer anderen Gesetzesstelle. So darf man einen Mitarbeiter auch entlassen, wenn er „beharrlichseinePfli chten vernachlässigt“. Nur von behar rlich kön ne hier auch keine Rede sein, meinte das Oberlandesgericht. Denn der Mann sei nicht ausreichend abgemahnt worden, bevor man ihn entlassen habe.
Nicht konkret dafür ermahnt
Der Arbeitgeber zog vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Der hielt fest, dass der Mitarbeiter zwar ermahnt wurde, aber nur, weil es Probleme bei der Dienstübergabe gab und er sich gegenüber seinem Vorgesetzten missverhalten hatte. Hingegen sei nicht klar, ob der Arbeitnehmer wegen der gegenüber dem Chef geäußerten Beleidigung der Mitarbeiter des Kunden ermahnt wurde. Der Wächter habe daher noch nicht erkennen müssen, dass seine Firma „von ihm auch eine anständige Begegnung mit ihren Kunden als Inhalt seiner Dienstpflichten ansieht und verlangt“.
Und da er gegenüber der Kundenvertreterin selbst nur einmal ausfällig geworden war, sei er mangels einschlägiger Verwarnung davor nicht zu entlassen. Denn so schlimm sei dieser Verstoß nicht gewesen, dass der Vorfall allein zur Entlassung berechtige, meinte der OGH (9 ObA 105/22i).