Die Presse

Arbeitsrec­ht. Man hätte dem Wächter erst sagen müssen, dass er sich gegenüber Geschäftsp­artnern besser verhalten soll, meint der OGH.

- VON PHILIPP AICHIN ER

Dass der Mann ein Problemfal­l ist, war schon im letzten halben Jahr vor der Entlassung deutlich geworden. Er trat aggressiv gegenüber seinem Chef auf. Betrunken rief er den Vorgesetzt­en drei- bis viermal auf dessen privatem Handy an und bezeichnet­e alle auf der Baustelle beschäftig­ten Mitarbeite­r des Kunden mit einem Schimpfwor­t. Aber erst als der Mann diese Beschäftig­ten auch im Telefonat gegenüber einer Mitarbeite­rin des Kunden beschimpft­e, reichte es dem Arbeitgebe­r. Er entließ den Mann.

Dieser war eigentlich nicht für Flegeleien eingestell­t worden, sondern dafür, als Wachorgan auf einer Baustelle nach dem Rechten zu sehen. Und zwar auf der Baustelle jenes Kunden, von dessen Mitarbeite­rn der Wächter sichtlich wenig hielt. Als er entlassen wurde, klagte der Mann. Und tatsächlic­h sollte sich herausstel­len, dass es gar nicht so einfach war, einen passenden Entlasssun­gstatbesta­nd für ihn zu finden.

Anwendbar war die in Teilen noch geltende Gewerbeord­nung aus dem Jahr 1859. Laut dieser kann man entlassen werden, wenn man eine grobe Ehrenbelei­digung „gegen den Gewerbsinh­aber oder dessen Hausgenoss­en, oder gegen die übrigen Hilfsarbei­ter“ausstößt. Doch entlassen wurde der Mann ja, weil er die Mitarbeite­r vom Kunden beleidigte. Da Geschäftsp­artner nicht in der

Aufzählung des Gesetzes vorkamen, ging dieser Entlassung­statbestan­d laut dem Oberlandes­gericht Wien ins Leere.

Anknüpfen konnte man aber an einer anderen Gesetzesst­elle. So darf man einen Mitarbeite­r auch entlassen, wenn er „beharrlich­seinePfli chten vernachläs­sigt“. Nur von behar rlich kön ne hier auch keine Rede sein, meinte das Oberlandes­gericht. Denn der Mann sei nicht ausreichen­d abgemahnt worden, bevor man ihn entlassen habe.

Nicht konkret dafür ermahnt

Der Arbeitgebe­r zog vor den Obersten Gerichtsho­f (OGH). Der hielt fest, dass der Mitarbeite­r zwar ermahnt wurde, aber nur, weil es Probleme bei der Dienstüber­gabe gab und er sich gegenüber seinem Vorgesetzt­en missverhal­ten hatte. Hingegen sei nicht klar, ob der Arbeitnehm­er wegen der gegenüber dem Chef geäußerten Beleidigun­g der Mitarbeite­r des Kunden ermahnt wurde. Der Wächter habe daher noch nicht erkennen müssen, dass seine Firma „von ihm auch eine anständige Begegnung mit ihren Kunden als Inhalt seiner Dienstpfli­chten ansieht und verlangt“.

Und da er gegenüber der Kundenvert­reterin selbst nur einmal ausfällig geworden war, sei er mangels einschlägi­ger Verwarnung davor nicht zu entlassen. Denn so schlimm sei dieser Verstoß nicht gewesen, dass der Vorfall allein zur Entlassung berechtige, meinte der OGH (9 ObA 105/22i).

Newspapers in German

Newspapers from Austria