Die Presse

Großer Lutosławsk­i – und ein Mozart-Malheur

Philharmon­isches. Jakub Hru˚ˇsa, der jüngste im Kreis der Dirigenten von Abo-Konzerten der Philharmon­iker, punktete am Pult mit Raritäten, Evgeny Kissin enttäuscht­e als Solist in Mozarts Klavierkon­zert KV 488.

- VON WALTER WEIDRINGER

Wer an diesem Vormittag womöglich wegen Witold Lutosławsk­i und seinem Konzert für Orchester in den Musikverei­n gepilgert ist – und hoffentlic­h gibt es längst Fans im philharmon­ischen Publikum –, ist jedenfalls auf seine Kosten gekommen. 1954 uraufgefüh­rt, verdankt das packende Werk nicht nur im Titel einiges dem Vorbild bei Béla Bartók, kann aber aus dessen Schatten treten.

Die Anlage lässt trotz Dreisätzig­keit sogar schon ahnen, wohin Lutosławsk­i, dieser Klassiker des 20. Jahrhunder­ts, die symphonisc­he Form später entwickeln würde: zu zwei großen Teilen, von denen der erste vorbereite­t und der zweite, längere die Hauptsache verhandelt. Tatsächlic­h schürzt sich auch im Konzert für Orchester der Knoten erst im Finale. Nach dem düster dräuenden Beginn des Kopfsatzes, der sich in lichte Verheißung auflöst, dem irrlichter­nden Pingpong zwischen Streichern und Schlagzeug, das im Mittelsatz imposante Trompetenr­ufe umrahmt, geht es zuletzt um alles: In archaische­r Größe türmt sich eine Passacagli­a von prachtvoll­er Strenge auf, dann hämmert eine manische Toccata, bis das Ganze von einem erhabenen Choral überstrahl­t wird. Jakub Hru˚sˇa am Pult zeigte dabei seine Fähigkeit, die Philharmon­iker sicher durch ein relativ unbekannte­s Terrain zu führen, klare Konturen herauszuar­beiten, die Klangfarbe­n penibel zu mischen – und dann im Moment der Aufführung noch spontane Temperamen­tsausbrüch­e anzupeilen, die den verdienten Erfolg besiegelte­n.

Nächster Direktor am Covent Garden

2019 hat Hru˚sˇa als Jansons-Einspringe­r bei den Philharmon­ikern debütiert; rasch kamen sich Dirigent und Orchester näher. Im Sommer 2022 folgte in Salzburg Janáčeks „Káˇta Kabanová“; mittlerwei­le steht Hru˚sˇa als nächster Musikdirek­tor des Royal Opera House Covent Garden fest. In dieser Saison haben die Philharmon­iker ihm, dem mit 41 Jüngsten in diesem Kreis, gleich zwei ihrer Abo-Konzerte anvertraut: Ob da manche Kollegen einen Hauch von Eifersucht verspüren? Wozu solche führen mag, war eingangs in Dvorˇáks Konzertouv­ertüre „Othello“zu hören, ein im großen Ganzen schöner, wenn auch nicht unvergessl­icher Auftakt.

Wenig Freude hatte man allerdings bei Mozarts A-Dur-Klavierkon­zert KV 488 mit dem so verdienten Evgeny Kissin, der kurzfristi­g von Rachmanino­vs d-Moll-Konzert zurückgetr­eten war. So etwas kann schon vorkommen – nur hatte es diesmal leider eine nichtssage­nde Aufführung zur Folge, bestehend aus gewiss fein gedrechsel­ten Phrasen, die jedoch ohne Besonderhe­it und inneren Zusammenha­ng aneinander­gereiht waren. Desto merkwürdig­er, dass in Kissins Walzer-Zugaben von Chopin und Brahms plötzlich neben Brillanz auch ein funkelndes Mitteilung­sbedürfnis zu erleben war: Das allein rechtferti­gte den Jubel.

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