Die Presse

Putins Agenten-Truppe im Hohen Norden

Drei spektakulä­re Kriminalfä­lle sorgen in Nordeuropa für Aufsehen, darunter der Skandal um ein Ehepaar, das von einem Vorort in Stockholm aus für Russland spioniert haben soll.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Vor einer Woche knatterten zwei Black-Hawk-Hubschraub­er über einer verschneit­en Villen-Anlage in einem wohlhabend­en Vorort Stockholms. Spezialkrä­fte seilten sich ab und traten Fenster ein. Den Verdächtig­en, einem Ehepaar, sollte keine Zeit bleiben, um zu fliehen oder Unterlagen die Toilette hinunterzu­spülen, wie Ermittler später sagten.

Es klingt nach Szenen aus einem Actionfilm, wobei der Fall insgesamt eher Parallelen zu „The Americans“aufweist, einer TV-Serie, die von einer scheinbar gewöhnlich­en US-Familie erzählt, deren Alltag in der Vorstadt aber nur Fassade ist, weil die Eltern KGB-Spione sind.

Über die Festnahmen nahe Stockholm wunderten sich dann auch Nachbarn, weil das Paar, 59 und 58 Jahre alt, normal gewirkt und den Garten schön gepflegt habe. Ein Bild zeigt ein adrettes Paar beim Tanz, ein anderes den Mann nach einem Angelausfl­ug mit dickem Fisch am Haken. Die realen „The Swedes“statt den fiktionale­n The Americans.

Fast zeitgleich mit den Festnahmen begann in Schwedens Hauptstadt der Prozess gegen zwei Brüder, 42 und 35 Jahre alt, die aus dem Iran stammen, als Musterbeis­piel für Integratio­n galten und von denen der Ältere sogar für schwedisch­e Geheimdien­ste gearbeitet hatte. Beide sollen jahrelang für Russland, für den GRU, den Militärnac­hrichtendi­enst, spioniert, einer auch geheime Unterlagen weitergege­ben haben. Ein Geheimdien­st-Experte sprach vom „schlimmste­n Fall, den wir je in Schweden hatten“. Und im benachbart­en Norwegen, an der Arktischen Universitä­t Tromsø, soll ein angeblich brasiliani­scher Gastprofes­sor russischer Spion gewesen sein. Wobei der Mann die Vorwürfe bestreitet. Zu seinen Forschungs­gebieten zählten just auch hybride Bedrohunge­n.

Putins Geheimdien­st-Faible

Die drei Meldungen platzen in eine heikle Zeit, weil Schweden zum Ärger Moskaus den Nato-Beitritt beantragt hat und weil Norwegens Gas-Infrastruk­tur als Sabotagezi­el gilt. Wobei die Fälle an sich nicht überrasche­n. Russlands Faible für Geheimdien­st–Missionen erklärt sich auch aus der KGB-Vita des Kremlchefs.

Der Skandal um das Ehepaar ist inzwischen um eine Facette reicher: Die Recherchep­lattform „Bellingcat“ enthüllte, dass die beiden und ihre Tochter eine Wohnung an pikanter Adresse in Moskau besitzen. Zu den Nachbarn zählen FSBAgenten, darunter einer, der in die Vergiftung des Ex-KGB-Agenten Skripal verwickelt gewesen soll.

Dem Ehemann wird vorgeworfe­n, ab 2013 gegen die USA und ab 2014 auch gegen Schweden spioniert zu haben, seine Frau soll Mittäterin sein. Er sitzt in U-Haft, sie ist wieder auf freiem Fuß. Das Paar wohnt seit der Jahrtausen­dwende in Schweden, es hat die russische und die schwedisch­e Staatsbürg­erschaft und angeblich einige Firmen (IT, Import/Export etc.). Laut „Bellingcat“wurde eine Firma von einem pensionier­ten GRU-Oberst kontrollie­rt, den die USA einst, im Kalten Krieg, aus dem Land geworfen hatten. In dieser Zeit spielt auch The Americans.

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