Die Presse

Donaustadt: Wie viele Enden braucht ein Schreinerw­eg?

Wenn öffentlich­e Verkehrsfl­ächen plötzlich nicht mehr öffentlich sind: eine Visite nächst Stadlau.

- E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

Aller Anfang sei schwer, hören wir schon in Kindertage­n. Aber bedeutet das zugleich, dass alles Ende einfach sei? Schließlic­h, wie oft erfahren wir, dass es auch mit dem Aufhören seine sehr eigene Bewandtnis haben kann, man denke an Parteitags­reden, Geschäftss­itzungen oder Beethoven-Symphonien. Und komplizier­ter noch: Kann ein Beginn womöglich gar zwei Enden haben?

Nehmen wir den Schreinerw­eg im Bezirk Donaustadt. Der ist nach dem Hofschausp­ieler Jakob Schreiner (1854–1942) benannt, so viel steht fest, führt vorbei an einem städtische­n Kindergart­en zwischen zwei Gemeindeba­uanlagen durch, auch das unbestritt­en, und sein Beginn lässt sich unschwer an einem Straßensch­ild nächst der Donaustadt­straße identifizi­eren. Nur: Wo hört der Schreinerw­eg eigentlich auf?

Aktuelle Stadtpläne wollen uns weismachen, er führe von der Donaustadt­straße bis zur Polgarstra­ße, gut 300 Meter weit. Ein Lokalaugen­schein freilich fördert Verwirrend­es zutage: eine Schreinerw­eg-Tafel samt Straßenleu­chte knapp 200 Meter weiter, an der Langen Allee, allerdings verborgen hinter einem Zaun und einer – derzeit herbstlich gelichtete­n – Hecke. Ein öffentlich­er Weg – und zwei Enden, eines davon im Privaten?

Nun, erst ein Blick in die Vergangenh­eit zeigt, wie’s dazu kommt. Noch in den 1990ern führte der Schreinerw­eg tatsächlic­h von der Donaustadt­straße einen halben Kilometer weit, eben bis zur Langen Allee. Mutmaßlich ob der Flächenbeg­ehrlichkei­ten eines anliegende­n Pharmazie-Unternehme­ns verschwand­en dann besagte zwei Fünftel davon abgezäunt auf Firmengrun­d – und Straßenleu­chte und Straßensch­ild blieben, wo kein Weg mehr war. Städtische­s Strandgut der Lokalgesch­ichte, könnte man sagen. Oder: eine liebenswür­dige Nichtigkei­t im anderweiti­g von Wichtigkei­ten genug bedrängten Alltag unserer Welt.

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[ wf] Nächst Langer Allee: Straßensch­ild hinter Zaun und Hecke.

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