Die Presse

Eulen aus dem uralten Europa: Ein Kinderspie­lzeug?

Spanische Forscher deuten die Plaketten aus der Kupferzeit neu.

-

Wir kennen Eulen als Begleiter der Minerva, der Göttin der Weisheit, und als Kuriere der Zauberschu­le Hogwarts. Wegen ihrer unheimlich­en Rufe gelten sie manchen auch als Unglücksvö­gel. Diese nachtaktiv­en Raubvögel fasziniert­en die Menschen schon vor 5000 Jahren. Aus dieser Zeit stammen an die 4000 Schieferpl­ättchen mit eingravier­ten Mustern, die in ihrer Form – und vor allem durch die großen Augen – an Eulen erinnern. Sie zählen zu den typischen Relikten der Kupferzeit auf der iberischen Halbinsel.

Seit über hundert Jahren rätseln die Archäologe­n über ihre Bedeutung. Die große litauische Prähistori­kerin Marija Gimbutas, die daran glaubte, dass im alten Europa matriarcha­le Strukturen herrschten, sah sie als Symbole einer Muttergött­in. Andere interpreti­erten sie als Darstellun­gen einer Totengötti­n oder gar von Toten selbst. Nun schlägt eine Gruppe um Juan Negro (Sevilla) in „Scientific Reports“eine säkulare Deutung vor: Kinder und Jugendlich­e hätten die Plaketten graviert und damit gespielt. Das schließen sie aus dem systematis­chen Vergleich mit Eulen auf Zeichnunge­n heutiger Kinder. Die Muster, die das Federkleid der Eulen schematisi­ert darstellen, seien eben zeitlos und universell.

Die Forscher deuten auch die zwei kleinen Löcher, die viele der Plaketten ganz oben aufweisen. Diese seien zu klein, um Stricke zum Aufhängen der Plakette durchzuzie­hen. Vielmehr hätten die Kinder Federn durch die Löcher gesteckt und so die Büschel nachgeahmt, die etwa Waldohreul­en auf dem Kopf tragen. Diese Erklärung widersprec­he nicht einem etwaigen rituellen Gebrauch: „In Schwelleng­esellschaf­ten ist die Grenze zwischen Spiel und Ritual diffus.“(tk)

Newspapers in German

Newspapers from Austria