Nach Puma-Totalausfall: Ist die Bundeswehr „blank“?
Rüstung. Neue Blamage um „Pannen-Panzer“hat ein Nachspiel. Die deutsche Bundeswehr bleibt ein gigantischer Sanierungsfall.
Wien/Berlin. In der norddeutschen Tiefebene, auf einem Übungsplatz zwischen Hamburg und Hannover, hat die Bundeswehr neulich ein Debakel erlitten. Von 18 Puma-Schützenpanzern waren am Ende 18 defekt – also alle. Der Totalausfall kam zur Unzeit, weil die Schützenpanzer ab 1. Jänner für die Nato bereitgestellt werden sollten, und er hat ein Nachspiel: Am Montag berief Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) eine Krisensitzung ein, klagte hernach über den „herben Rückschlag“und zog die Notbremse: Lambrecht setzte den Nachkauf von Puma-Schützenpanzern aus, solange sich das Fahrzeug als „nicht stabil“erweise.
Bei den Panzern handelt es sich um Puma der Version „VJTF“, was schon ihre Bestimmung andeutet: In keinen drei Wochen hätten 42 Puma VJTF für die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) bereitgestellt werden sollen. Die VJTF ist die KrisenFeuerwehr der Nato, eine Eingreiftruppe, die binnen zwei bis sieben Tagen an Konfliktschauplätze verlegt werden kann – und die seit dem Morgen des 24. Februar kräftig an
Bedeutung gewonnen hat. Deutschland stellt den Löwenanteil an Soldaten, und führt mit Jahreswechsel erstmals das Hauptquartier für Spezialkräftemissionen.
Das Puma-Debakel wird das Vertrauen der Bündnispartner in die deutschen Abwehrkräfte weiter schwächen. Aber der VJTFAuftrag selbst wackelt nicht. Lambrecht tauscht Raubkatzen aus: Statt Puma- stellt sie alte Marder-Panzer ab. Als die ersten Modelle des inzwischen mehrfach modernisierten Schützenpanzers gefertigt wurden, war noch Kalter Krieg und Willy Brandt noch (west-)deutscher Kanzler.
Der Puma sollte den Marder ablösen. Aber auf dem Projekt lag von Anfang an kein Segen. Der Marder-Nachfolger ist zwar ein Schützenpanzer der Superlative, der teuerste und nach Motorleistung stärkste der Welt. Aber auch die Pannenserie ist ohne Beispiel. Der Beiname „Pannen-Panzer“war schwer erarbeitet. Heute sind von den 350 Puma weniger als 150 einsatzbereit.
Wer die Verantwortung für die jüngste Blamage trägt, war am Montag nicht klar. Aber offenbar waren die Probleme vielfältig. Sie reichten Berichten zufolge von abgenutzten Zahnkränzen bis zu Problemen mit der Elektronik. Angeblich gab es auch einen Kabelbrand in einem Fahrerraum.
Die Aktie von Co-Hersteller Rheinmetall gab am Montag nach. Freilich auf hohem Niveau. Vor Beginn des Ukraine-Kriegs war die Aktie des Rüstungskonzerns keine 100 Euro wert, am Montag knapp unter 200.
„Unterfinanzierung“rächt sich
Die Pannen werden auch in einen größren Zusammenhang gerückt: „In der Vergangenheit lag aufgrund der Unterfinanzierung des Verteidigungshaushaltes kein Schwerpunkt auf den Rüstungsprojekten des Heeres.“Das räche sich jetzt, sagte André Wüst, Chef des Bundeswehrvorstands.
Die Bundeswehr gilt schon lange als Sanierungsfall. „Das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da“, klagte in den Tagen von Putins Ukraine-Invasion Alfons Mais, Generalleutnant und 21. Inspekteur des Heers. Und vor drei Wochen wurde publik, dass die Munitionsvorräte der Bundeswehr im Kriegsfall nur für zwei Tage reichen. Es fehlt Munition im zweistelligen Milliarden-Euro-Wert. Zwar kündigte Olaf
Scholz schon am 27. Februar eine mit 100 Milliarden Euro Sondervermögen dotierte „Zeitenwende“an. Aber bevor es besser wird, wird es offenbar schlimmer, auch deshalb, weil Deutschland Waffen und Munition in die Ukraine schickt. Während nämlich der „Puma“vorerst nur Papiertiger ist, macht der deutsche Gepard-Flugabwehrpanzer auf den Schlachtfeldern dort gute Figur.
Die Zeitenwende vollzieht sich in Zeitlupe. Der „Tagesspiegel“spottete kürzlich, „Zeitenwende – Wort des Jahres – schrumpfe zum „Synonym für pompöse In-Aussichtstellung-ohne-Liefergarantie“. Wobei der Bundestag vor wenigen Tagen den Weg für mehrere Rüstungsprojekte frei machte, darunter F-35-Jets, Sturmgewehre, Funkgeräte, und eben Puma-Panzer. Gesamtwert: um die 13 Mrd. Euro. Am Befund von Eva Högl, der Wehrbeauftragten des Bundestags, ändert das wohl nichts. Die Sozialdemokratin klagte neulich über die schleppende Neubeschaffung von Munition und den Zustand der Kasernen. Die „Beschaffungsstrukturen“müssten neu gedacht werden. Denn die Bundeswehr ist auch ein Bürokratiemonster. Alles dauert. Auch eine Zeitenwende.