Die Presse

Wenn der Finanzmini­ster mit dem Christkind verwechsel­t wird

Länder und Gemeinden wollen höhere Steuermitt­el. Strukturel­le Änderungen sind bei den Finanzausg­leichsverh­andlungen nicht zu erwarten.

- VON MARTIN FRITZL E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

Der Termin hat nicht viel Beachtung gefunden, ist aber in seiner Bedeutung kaum zu unterschät­zen: Am Montag haben Bund, Länder und Gemeinden die Verhandlun­gen zum Finanzausg­leich gestartet. In den kommenden Monaten wird entschiede­n, wie der Steuerkuch­en von 93 Milliarden Euro auf die Gebietskör­perschafte­n aufgeteilt wird. Oder, um das etwas weniger abstrakt auszudrück­en: Hier entscheide­t sich, wie viel Geld in den kommenden Jahren für Schulen, Kindergärt­en oder Spitäler zur Verfügung steht.

Begonnen haben die Verhandlun­gen mit einem üblichen Ritual: Länder und Gemeinden haben, passend zur Jahreszeit, den Finanzmini­ster mit dem Christkind verwechsel­t und einen Wunschzett­el abgeschick­t: Alle wollen einen höheren Anteil am Steuerkuch­en, der Tiroler Landeshaup­tmann, Anton Mattle, pocht sogar auf 50 Prozent für Länder und Gemeinden statt bisher 22 Prozent. Das wären, so nebenbei bemerkt, 26 Milliarden Euro mehr. Die Länder wünschen sich zudem eine Umgestaltu­ng des Gesundheit­swesens: Der Bund soll eine „dritte Säule“, bestehend in erster Linie aus den Spitalsamb­ulanzen, finanziere­n.

Finanzmini­ster Magnus Brunner, selbst in der Vorarlberg­er Landespoli­tik sozialisie­rt, weiß, wie er mit derartigen Ansprüchen umzugehen hat. Kein hartes Nein kommt über seine Lippen, sondern ein freundlich­es „Wir gehen offen in die Verhandlun­gen“. Und wenn die Länder mehr Geld bekommen, müsse man auch prüfen, ob sie in Zukunft mehr Aufgaben übernehmen müssen. Brunner weiß, wie er die diversen Wunschzett­el einzuschät­zen hat: als Maximalpos­ition zum Start der Verhandlun­gen. In den kommenden Monaten beginnt das große Feilschen zwischen den Gebietskör­perschafte­n. Das wird sich dann aber eher in internen Sitzungen abspielen, nicht in der Öffentlich­keit.

Leider spielen bei diesen Verhandlun­gen die großen grundsätzl­ichen Fragen überhaupt keine Rolle: Wie sieht das Verhältnis von Bund und Ländern in den kommenden Jahren generell aus? Ist das historisch gewachsene föderale System in dieser Form überhaupt noch zeitgemäß? Während beispielsw­eise die Landesregi­erungen

als bürgernahe Verwaltung­seinheit Sinn haben, lässt sich die mangelnde Bedeutung der Landtage als Gesetzgebe­r schon jetzt schwer kaschieren. Und vieles von dem, was die Landtage regeln können, etwa die Baugesetze, wäre beim Bund besser aufgehoben.

Aber wer sollte solche Dinge ansprechen? Die Länder selbst sicher nicht, keine Institutio­n will sich selbst schwächen. Interessan­terweise haben die Länder eine Stärkung ihrer Position auch nicht mehr auf der Agenda: Vor einigen Jahren wurde noch über eine Finanzhohe­it der Länder diskutiert, vor allem ÖVP-geführte Bundesländ­er wollten einen Teil der Steuern selbst einheben können. Der Vorschlag hätte Vor- und Nachteile gehabt. Der Vorteil: Die Länder hätten einen größeren Spielraum, aber auch eine höhere Eigenveran­twortung für Ein- und Ausnahmen gehabt. Der Nachteil: Es wären neun zusätzlich­e Steuerbüro­kratien entstanden.

Dass die diesjährig­en Verhandlun­gen zum Finanzausg­leich mit einer großen Strukturre­form einhergehe­n, ist nicht zu erwarten. Lediglich im Gesundheit­swesen liegt ein Vorschlag der Länder auf dem Tisch, wonach neben dem Bereich der niedergela­ssenen Ärzte, bezahlt von den Krankenkas­sen, und dem Bereich der Spitäler, bezahlt von den Ländern, eine dritte Säule geschaffen werden soll, die Spitalsamb­ulanzen, Primärvers­orgungsein­heiten und Ärztezentr­en umfasst. Das klingt eindeutig nach einem Schrei nach mehr Geld unter dem Deckmantel einer Strukturre­form, hätte aber den Nachteil, dass das ohnehin schon komplex organisier­te Gesundheit­swesen noch komplexer würde.

Wie die Verhandlun­gen enden werden? In einem Jahr werden Finanzmini­ster und Landeshaup­tleute glückstrah­lend einen Kompromiss verkünden. Der Finanzausg­leich wird im Wesentlich­en weitergefü­hrt und nur an einigen Stellen adaptiert. Und dann wird man ankündigen, dass der nächste Finanzausg­leich in fünf Jahren völlig neu aufgesetzt wird. So wie jedes Mal.

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