Wenn der Finanzminister mit dem Christkind verwechselt wird
Länder und Gemeinden wollen höhere Steuermittel. Strukturelle Änderungen sind bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht zu erwarten.
Der Termin hat nicht viel Beachtung gefunden, ist aber in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen: Am Montag haben Bund, Länder und Gemeinden die Verhandlungen zum Finanzausgleich gestartet. In den kommenden Monaten wird entschieden, wie der Steuerkuchen von 93 Milliarden Euro auf die Gebietskörperschaften aufgeteilt wird. Oder, um das etwas weniger abstrakt auszudrücken: Hier entscheidet sich, wie viel Geld in den kommenden Jahren für Schulen, Kindergärten oder Spitäler zur Verfügung steht.
Begonnen haben die Verhandlungen mit einem üblichen Ritual: Länder und Gemeinden haben, passend zur Jahreszeit, den Finanzminister mit dem Christkind verwechselt und einen Wunschzettel abgeschickt: Alle wollen einen höheren Anteil am Steuerkuchen, der Tiroler Landeshauptmann, Anton Mattle, pocht sogar auf 50 Prozent für Länder und Gemeinden statt bisher 22 Prozent. Das wären, so nebenbei bemerkt, 26 Milliarden Euro mehr. Die Länder wünschen sich zudem eine Umgestaltung des Gesundheitswesens: Der Bund soll eine „dritte Säule“, bestehend in erster Linie aus den Spitalsambulanzen, finanzieren.
Finanzminister Magnus Brunner, selbst in der Vorarlberger Landespolitik sozialisiert, weiß, wie er mit derartigen Ansprüchen umzugehen hat. Kein hartes Nein kommt über seine Lippen, sondern ein freundliches „Wir gehen offen in die Verhandlungen“. Und wenn die Länder mehr Geld bekommen, müsse man auch prüfen, ob sie in Zukunft mehr Aufgaben übernehmen müssen. Brunner weiß, wie er die diversen Wunschzettel einzuschätzen hat: als Maximalposition zum Start der Verhandlungen. In den kommenden Monaten beginnt das große Feilschen zwischen den Gebietskörperschaften. Das wird sich dann aber eher in internen Sitzungen abspielen, nicht in der Öffentlichkeit.
Leider spielen bei diesen Verhandlungen die großen grundsätzlichen Fragen überhaupt keine Rolle: Wie sieht das Verhältnis von Bund und Ländern in den kommenden Jahren generell aus? Ist das historisch gewachsene föderale System in dieser Form überhaupt noch zeitgemäß? Während beispielsweise die Landesregierungen
als bürgernahe Verwaltungseinheit Sinn haben, lässt sich die mangelnde Bedeutung der Landtage als Gesetzgeber schon jetzt schwer kaschieren. Und vieles von dem, was die Landtage regeln können, etwa die Baugesetze, wäre beim Bund besser aufgehoben.
Aber wer sollte solche Dinge ansprechen? Die Länder selbst sicher nicht, keine Institution will sich selbst schwächen. Interessanterweise haben die Länder eine Stärkung ihrer Position auch nicht mehr auf der Agenda: Vor einigen Jahren wurde noch über eine Finanzhoheit der Länder diskutiert, vor allem ÖVP-geführte Bundesländer wollten einen Teil der Steuern selbst einheben können. Der Vorschlag hätte Vor- und Nachteile gehabt. Der Vorteil: Die Länder hätten einen größeren Spielraum, aber auch eine höhere Eigenverantwortung für Ein- und Ausnahmen gehabt. Der Nachteil: Es wären neun zusätzliche Steuerbürokratien entstanden.
Dass die diesjährigen Verhandlungen zum Finanzausgleich mit einer großen Strukturreform einhergehen, ist nicht zu erwarten. Lediglich im Gesundheitswesen liegt ein Vorschlag der Länder auf dem Tisch, wonach neben dem Bereich der niedergelassenen Ärzte, bezahlt von den Krankenkassen, und dem Bereich der Spitäler, bezahlt von den Ländern, eine dritte Säule geschaffen werden soll, die Spitalsambulanzen, Primärversorgungseinheiten und Ärztezentren umfasst. Das klingt eindeutig nach einem Schrei nach mehr Geld unter dem Deckmantel einer Strukturreform, hätte aber den Nachteil, dass das ohnehin schon komplex organisierte Gesundheitswesen noch komplexer würde.
Wie die Verhandlungen enden werden? In einem Jahr werden Finanzminister und Landeshauptleute glückstrahlend einen Kompromiss verkünden. Der Finanzausgleich wird im Wesentlichen weitergeführt und nur an einigen Stellen adaptiert. Und dann wird man ankündigen, dass der nächste Finanzausgleich in fünf Jahren völlig neu aufgesetzt wird. So wie jedes Mal.