Ruttes späte Entschuldigung
Niederlande. Der Premier bedauert Rolle des Landes beim Verbrechen der Sklaverei. Doch für viele in den einstigen Kolonien kommt das zu spät.
Den Haag. Jahrelang wurde in den Niederlanden diskutiert und nachgedacht. Nun ist es endlich geschehen. Der niederländische Premierminister Mark Rutte hat sich am Montag öffentlich für die Rolle des Landes während der Sklaverei entschuldigt.
In einer Rede vor einem geladenen Publikum im Nationalarchiv in Den Haag, die auch im Fernsehen übertragen wurde, sagte Rutte, Sklaverei müsse in aller Deutlichkeit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt werden. Jahrhundertelang haben der niederländische Staat und seine Vertreter Sklaverei ermöglicht, gefördert und davon profitiert, so der Premier. Seine Regierung werde einen Fonds einrichten, um das Erbe der Sklaverei in den Niederlanden und ihren ehemaligen Kolonien zu bewältigen.
Aus den früheren Kolonien kam jedoch Kritik: Auf der zum Königreich der Niederlande gehörenden Karibikinsel St. Maarten sagte Premierministerin Silveria Jacobs, sie wolle die Entschuldigung zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptieren: „Den Haag hat uns zu lange ignoriert“, sagte Jacobs.
Auch in Surinam lehnt man die in den Niederlanden konzipierte Entschuldigungszeremonie in Sachen Sklavenhandel ab: Vizepremierund Finanzministerin Sigrid Kaag eilte vergangenes Wochenende in den kleinen Staat an der Nordküste Südamerikas,
um dort die Wogen zu glätten. In Surinam will man, dass die Entschuldigung der Holländer erst am 1. Juli 2023 ausgesprochen wird. Dann jährt sich die Abschaffung des Sklavenhandels zum 160. Mal. „Wir sollten den ersten Keti-Koti-Gedenktag am
1. Juli 2023 begehen. Dann ist es 160 Jahre her, dass die Sklaverei in den Niederlanden abgeschafft worden ist“, fordert Rabin Baldewsingh, Vorsitzender des nationalen Amtes gegen Diskrimination und Rassismus. „Keti Koti“– „die gebrochenen Ketten“– am
1. Juli ist in Surinam bereits ein Feiertag.
Warum nicht der König?
Die Entschuldigungsrede in Surinam soll der niederländische Minister Frank Weerwind halten. Doch dass Weerwind surinamische Wurzeln hat, sei unpassend, so Vertreter der Anti-Sklaverei-Bewegung. Die Entschuldigung müsse von einem „weißen Mann“, am besten von König Willem-Alexander persönlich, ausgesprochen werden. Zudem gibt es in Surinam die Forderung nach Entschädigungszahlungen.
Als letzte Kolonialmacht Europas schafften die Niederlande am 1. Juli 1863 den Sklavenhandel ab. In die Überseegebiete, die Niederländischen Antillen in der Karibik Aruba, Bonaire, Curaçao, Sint-Eustatius, Saba und Sint-Maarten sowie nach Surinam, einst der Hauptumschlagplatz für den Sklavenhandel, sollen nun Vertreter entsandt werden, um eine Debatte zu starten.