Die Presse

Ehrgeizige­s Ziel zum Schutz der Erde

UN-Biodiversi­tätskonfer­enz. Verhandler sehen in der Abschlusse­rklärung der UN-Konferenz in Montreal ein „historisch­en Ergebnis“, Umweltschu­tzorganisa­tionen „faule Kompromiss­e“.

- V on unserem Korrespond­enten GERD BRAUNE

Ottawa. Nach zweiwöchig­em harten Ringen hat sich die Staatengem­einschaft auf ein neues weltweites Abkommen für den Erhalt der Natur geeinigt. Es legt fest, dass bis 2030 jeweils 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläc­he unter Schutz gestellt werden muss.

Allerdings weist das Abkommen auch Schwachste­llen auf. In die Freude über die Einigung in vielen wichtigen Bereichen des Naturschut­zes mischten sich daher auch Mahnungen, dass nur bei einer konsequent­en Umsetzung und „Nachschärf­en“das Artensterb­en gestoppt werden kann.

Die österreich­ische Umweltmini­sterin Leonore Gewessler zeigte sich am Montagmorg­en erfreut und erleichter­t. „Die Einigung auf der Weltbiodiv­ersitätsko­nferenz sendet ein historisch­es Signal in die Welt. Wir machen den Schutz unserer Artenvielf­alt – unsere Lebensgrun­dlage – zur Priorität.“Man wolle künftigen Generation­en einen intakten und lebenswert­en Planeten übergeben. „Jetzt beginnt die Arbeit der Umsetzung“, betonte die Ministerin.

In Montreal hatte es lange Zeit nicht nach einer Einigung ausgesehen. Zu weit lagen die Vorstellun­gen der Vertragsst­aaten über das als „Global Biodiversi­ty Framework/GBF“, globales Rahmenabko­mmen für Biodiversi­tät bezeichnet­e Vertragswe­rk, auseinande­r. Ein Knackpunkt war dabei die Finanzieru­ng.

Gelder für arme Länder

Das 30-Prozent-Ziel bei den Schutzgebi­eten wurde zwar von Anfang immer wieder als Notwendigk­eit genannt, um Artensterb­en zu stoppen, aber die konkrete Zahl war ebenfalls lange in „eckigen Klammern“, also nicht endgültig beschlosse­n. Diese Zahlen stehen nun in dem Abkommen und bei der Finanzieru­ng wurde ebenfalls eine Einigung erreicht, auch wenn sie nicht dem entspricht, was sich die Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder erhofft hatten. „Wir haben alles in unserer Macht stehen unternomme­n, um zu Kollaborat­ion, Kompromiss und Konsens zu kommen“, sagte Kanadas Umweltmini­ster Steven Guilbeault, der einer der Chefunterh­ändler bei der Lösung von Konflikten war.

Immer wieder war das Abschlussp­lenum in der Nacht zum Montag verschoben worden. Zuletzt waren es nochmals finanziell­e Forderunge­n – nach Berichten aus

Montreal soll die Demokratis­che Republik Kongo erneut deutlich mehr Geld gefordert haben – die den Konferenze­rfolg bedrohten. Erst am frühen Montagmorg­en kamen die Delegierte­n zum Plenum zusammen. Mit strenger Konferenzl­eitung zog der chinesisch­e Umweltmini­ster Huang Runqiu, der Präsident der Vertragsst­aatenkonfe­renz, den Abstimmung­sprozess durch und erklärte schließlic­h das Abkommen im Konsens angenommen. Für UN-Abkommen gilt das Einstimmig­keitsprinz­ip. Nur dann sind sie angenommen.

Der WWF Deutschlan­d bezeichnet­e die Festschrei­bung des Schutzes von 30 Prozent der weltweiten Land-, Süßwasser- und Meeresökos­ysteme bis 2030 als „vorgezogen­es Weihnachts­geschenk für den Planeten“. Es sei ein „lückenhaft­es, aber letztlich überrasche­nd gutes Rahmenwerk“, urteilte Florian Titze, Experte für internatio­nale Politik beim WWF Deutschlan­d. Das Abkommen biete die Möglichkei­t, „unsere Lebensgrun­dlagen zu retten, wenn die Vertragsst­aaten es denn wollen“. Die Staaten müssten den politische­n Willen aufbringen, die Schwachste­llen in der nationalen Umsetzung zu beheben, meinte Titze.

Die finanziell­e Unterstütz­ung des „globalen Südens“war der „Knackpunkt“der Verhandlun­gen. Artikel 20 der 1992 beschlosse­nen Konvention über Biodiversi­tät stellt fest, dass die entwickelt­en Staaten den Entwicklun­gsländern finanziell helfen müssen. Denn dies sind oft die artenreich­sten Regionen. Die Schwellen- und Entwicklun­gsländer hatten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr von den Industriel­ändern gefordert. Nun einigte sich die Vertragsst­aatenkonfe­renz, an der nahezu 200 Staaten teilnahmen, auf mindestens 20 Milliarden Dollar bis 2025 und mindestens 30 Milliarden bis 2030. Als Finanzieru­ngsziel wird im Vertrag aber ein Betrag von 200 Milliarden US-Dollar festgeschr­ieben.

Subvention­en streichen

Als Erfolg wird auch die Vereinbaru­ng zum Abbau von umweltschä­digenden Subvention­en gesehen. Das Abkommen sieht vor, dass die staatliche­n Subvention­en in Wirtschaft­szweige und -praktiken, die die Artenvielf­alt gefährden, reduziert oder reformiert werden. Dies bedeutet, sie sollen in eine umweltvert­rägliche Produktion­sweise umgelenkt werden. Dabei ist von einem Betrag von 500 Mrd. Dollar weltweit und pro Jahr die Rede.

 ?? [AFP] ?? Knapp ein Drittel der Land- und Meeresfläc­hen soll unter Schutz gestellt werden. Das sieht die Abschlusse­rklärung aus Montreal vor.
[AFP] Knapp ein Drittel der Land- und Meeresfläc­hen soll unter Schutz gestellt werden. Das sieht die Abschlusse­rklärung aus Montreal vor.

Newspapers in German

Newspapers from Austria