Die Presse

„Unverständ­lich, warum wir weich werden“

Interview.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Roland Fürst, die rechte Hand von Hans Peter Doskozil, wirbt für eine härtere SPÖ-Migrations­politik und seinen Chef als Kanzler. Er rechnet ab mit Roten, „die im System gut leben“– und auch mit Medienmana­ger Gerhard Zeiler.

Die Presse: Glauben Sie, dass Hans Peter Doskozil ein guter Bundespart­eichef und Kanzler wäre?

Roland Fürst: Er ist ein toller Landeshaup­tmann und sicher eines der größten politische­n Talente der Sozialdemo­kratie seit Bruno Kreisky.

Das war jetzt alles andere als ein Nein.

Natürlich nicht. Er war schon Minister und hat bewiesen, dass er in dieser kurzen Zeit viel weitergebr­acht hat.

Und sind Sie auch dafür, dass er nächster SPÖ-Spitzenkan­didat bei einer Nationalra­tswahl wird?

In der Partei gibt es die vorherrsch­ende Meinung, dass die aktuelle Vorsitzend­e Spitzenkan­didatin wird. Das ist zu akzeptiere­n. Es gibt aber auch die andere Meinung, dass man das erst entscheide­t, wenn der Wahltag feststeht. Die vertrete ich auch. Dann sollte jener Kandidat ins Rennen geschickt werden, der die größte Chance hat, die SPÖ zur mit Abstand stärksten Partei zu machen. Momentan schöpft die SPÖ ihr Potenzial nicht aus, wie man in Umfragen sieht. Der Spitzenkan­didat muss die Partei ziehen, nicht umgekehrt. Ich hätte auch nichts dagegen, die Mitglieder zu befragen.

Und wenn er es nicht wird?

Hans Peter Doskozil ist leidenscha­ftlich Landeshaup­tmann. Jede Entscheidu­ng, die die SPÖ trifft, werden wir mittragen.

Doskozil sagte unlängst selbst, dass seine Spitzenkan­didatur „utopisch“wäre, weil er zu sehr polarisier­t in der SPÖ. Warum eigentlich?

Seine Politik sorgt für Reaktanz, weil er vorzeigt, wie es ist, Politik wirklich umzusetzen. Pflege, Biowende, Mindestloh­n und so weiter. Das irritiert gegenwärti­ge und frühere Politiker, die sehr gut davon leben, dass eh alles irgendwie funktionie­rt, und die sich in Koalitione­n mit der ÖVP immer wieder über den Tisch ziehen ließen. Denen wird jetzt der Spiegel vorgehalte­n.

Sie meinen also, Doskozils disruptive Politik ist der Grund dafür? Nicht etwa interne Kritik?

Ein Beispiel: Mit unserer Vorstellun­g, dass in der Pflege kein Gewinn mehr gemacht werden soll, rütteln wir an jahrzehnte­lang tradierten Konstrukti­onen, von denen viele im System gut gelebt haben – auch wenn es nicht immer im Sinne der Menschen war. Das erzeugt dann Widerstand. Oder nehmen wir die gerechten Löhne: Da hat die Gewerkscha­ft jetzt, in Zeiten hoher Inflation, bewiesen, dass viel möglich ist. Aber in der Vergangenh­eit war man da vielleicht nicht mutig genug als Partei. Wenn ich auch von sozialdemo­kratischen Spitzengew­erkschafte­rn höre, dass sich die Wirtschaft 1700 Euro netto Mindestloh­n nicht leisten kann, muss man sich überlegen, ob das die richtige Ausprägung sozialdemo­kratischer Politik ist.

Apropos: Gerhard Zeiler sagte unlängst, Doskozil sei gar kein Sozialdemo­krat. Wie ist man das heutzutage überhaupt?

Diese Aussage hat uns sehr geholfen.

Warum?

Weil sich dabei herauskris­tallisiert, welche Hoffnungen man in die Sozialdemo­kratie setzt. Wir gehen davon aus, dass sie für jene da ist, die fleißig arbeiten, vor allem für die typischen Arbeiter und Angestellt­en. Nicht für die, die im Zigarrenkl­ub sitzen und die Millionen auf der Bank haben.

Damit meinen Sie Zeiler?

Natürlich. Aber nach denen richten wir uns nicht aus. Das Paradigma muss sein, für die kleinen Leute da zu sein. Das wollen viele Leute offenbar nicht, weil sie es mit FPÖ-Politik gleichsetz­en. Da merkt man, wie weit diese Leute

von den sozialdemo­kratischen Prinzipien weg sind, da können sie noch so lang Parteimitg­lied sein oder wichtige Funktionen gehabt haben.

Ist Zeiler denn aus Ihrer Sicht kein Sozialdemo­krat?

Im Gegensatz zu ihm will ich mir nicht anmaßen, das sozialdemo­kratische Normungsin­stitut zu sein.

Herr Fürst, wissen Sie eigentlich von einem anderen SPÖ-Landesgesc­häftsführe­r, der – wie Sie – einen Landeschef als möglichen Bundespart­eichef abfragen ließ?

Ich wette, es ist durchaus üblich, dass es gemacht wird. Um zu sehen, wie der Landeshaup­tmann über die Grenzen hinaus strahlt.

In der Schengen-Debatte hat die burgenländ­ische SPÖ der Bundespart­ei wieder einmal widersproc­hen, obwohl die dabei mit der Ablehnung eine restriktiv­e Linie verfolgt. Warum?

Unsere Haltung dazu ist differenzi­ert. Man sollte zugleich Verfahrens­zentren an den Außengrenz­en installier­en. Kein Land hat so hohe Asylzahlen wie wir, die burgenländ­ische Grenze ist zum internatio­nalen Hotspot der Schlepperk­riminalitä­t geworden. In Wirklichke­it ist das ein Wahnsinn. Da wäre es eben sinnvoll, den Beitritt an ganz klare Bedingunge­n zu knüpfen. Was die ÖVP jetzt mit diesem Veto macht, ist verblödete­r Populismus. Jetzt werden auch zusätzlich­e Mauern gefordert, obwohl bewiesen ist, dass das nichts nützt.

Noch einmal: Hätte die burgenländ­ische SPÖ, sofern an der Macht, dieses Schengen-Veto nun auch eingelegt oder nicht?

Das kann man so nicht sagen. Außerdem wird Österreich nach der niederöste­rreichisch­en Wahl ohnehin umfallen und zustimmen.

Warum tut sich die SPÖ beim Thema Migration so schwer, obwohl es seit 2018 ein klares Positionsp­apier gibt?

Weil wir eine kleine, aber mächtige Minderheit in den verschiede­nen Gremien sitzen haben, die nicht zur Kenntnis nehmen will, dass ein ganz großer Teil der Sozialdemo­kratie eine vernünftig­e Asyl- und Migrations­politik haben will. Und das Papier dazu offenbar nicht kennt – oder nicht kennen will. Es ist mir unverständ­lich, warum wir bei diesem Thema immer wieder weich werden und uns von ein paar wenigen unter Druck setzen lassen.

Herr Fürst, was wären eigentlich Sie, würde Doskozil in die Bundespoli­tik wechseln?

Ich fühle mich im Burgenland wohl.

ZUR PERSON

Roland Fürst ist Landesgesc­häftsführe­r der burgenländ­ischen SPÖ und als solcher Hans Peter Doskozils Mann fürs Grobe nach außen. Bevor Doskozil den promoviert­en Politikwis­senschaftl­er zum Parteimana­ger gemacht hat, war der heute 53-Jährige unter anderem Sozialarbe­iter und Journalist.

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[ Clemens Fabry ] Doskozil sei „eines der größten politische­n Talente der Sozialdemo­kratie seit Bruno Kreisky“, behauptet Roland Fürst.

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