„Ähnlich wie in Niederösterreich – nur in Rot“
ORF. Auch aus anderen Landesstudios wird von Zuständen wie in Niederösterreich berichtet. Dort soll nun eine Kommission die Vorwürfe gegen Landesdirektor Ziegler untersuchen. Dieser verließ am Montag eine interne Sitzung.
Wien/St. Pölten. Die in Chats und e-Mails dokumentierten Interventionsversuche des damaligen Chefredakteurs des ORF Niederösterreich, Robert Ziegler, haben am Montag ORF-Generaldirektor Roland Weißmann auf den Plan gerufen: er kündigte eine evaluierungskommission an. Der ORF-Redaktionsrat hatte zuvor Zieglers sofortige Suspendierung gefordert, um „möglichst weiteren Schaden vom ORF“abzuhalten. Die Ankündigung Weißmanns dürfte noch vor dem ende einer internen Sitzung in Letzterem erfolgt sein, bei der Ziegler sich am Montag erstmals den Redakteuren und Redakteurinnen stellte. In der Sitzung, die rund 1,5 Stunden dauerte, hätten sich nach und nach Mitarbeiter zu Wort gemeldet, die die Vorwürfe bestätigten, wie Teilnehmer berichten. „Die Stimmung ist gekippt“, sagt einer zur „Presse“. Ziegler sei immer ruhiger geworden und am ende wortlos gegangen. Die Kommission, die wohl Ziegler intern Luft verschaffen soll, könnte sich letztendlich zum Bumerang für ihn entwickeln. Denn Redaktionsmitglieder
gehen davon aus, dass die Untersuchung „rasch zutage fördern“werde, „was quer durchs Land seit Jahren jeder weiß“, nämlich, dass „Interventionen zugunsten der ÖVP und zulasten anderer Parteien“auf der Tagesordnung standen. „Sie kamen vom Chefredakteur höchstpersönlich oder wurden von den Chefs vom Dienst in Zieglers Namen weitergegeben.“Dass Ziegler bis dato auf „anonyme oder diffuse Vorwürfe“verweise, sei „dreist“. Mit der Kommission werde „das Kartenhaus in sich zusammenbrechen“.
In anderen Bundesländern ist es aber offenbar nicht viel anders. „Im ORF Burgenland sind die Vorgehensweisen teilweise ähnlich wie in Niederösterreich – nur eben in Rot“, erzählt ein Redakteur aus dem östlichsten Bundesland. Zwar würden keine konkreten Interviewpartner vorgegeben oder ausgewählt, welche Zitate in finale Beiträge kommen, wohl aber gelte: „Wenn Politiker der SPÖ einen Termin haben, wird er gern in vorauseilendem Gehorsam redaktionell besetzt.“Chefredakteur im ORF Burgenland ist Walter Schneeberger, Schwippschwager des ehemaligen Kanzleramtsministers Josef Ostermayer (SPÖ). Allerdings: Landesdirektor wurde Walter Schneeberger 2021 nicht. Obwohl von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) favorisiert, musste er sich (zum zweiten Mal nach 2016) Werner Herics, dem Wunschkandidaten des Küniglbergs, geschlagen geben.
Ähnliche Beobachtungen gibt es in der Steiermark: „Unter der schwarz-roten Koalition zwischen Hermann Schützenhöfer und Michael Schickhofer war klar, dass die SPÖ den Landesdirektor stellt, die ÖVP dafür den Chefredakteur bekommt“, sagt ein langjähriger
Wenn Politiker der SPÖ einen Termin haben, wird er gerne in vorauseilendem Gehorsam redaktionell besetzt.“Ein Redakteur aus dem ORF-Landesstudio Burgenland
ORF-Journalist. Wer sich bewerben wollte, dem winkten Mitarbeiter aus den beiden Büros ab: „Die Sache ist schon entschieden.“In Oberösterreich hingegen war es die „Kronen Zeitung“, die vorwegnahm, was eintreten sollte: Just am Tag der Kandidaten-Hearings wurde ein Artikel über den nahenden Wechsel in der Chefetage abgedruckt – die darin vermutete personelle Weichenstellung sollte sich kurz darauf bestätigen. „Das ist eine Farce“, ärgert sich ein oberösterreichischer Redakteur.
Wien: „Parallelen zu Niederösterreich“
Zum Ärgern finden mehrere Journalisten, die ihrerseits anonym bleiben möchten, auch die seit Jahr und Tag bestehende Situation im Landesstudio Wien. „es gibt auf jeden Fall Parallelen zu Niederösterreich“, sagt einer von ihnen. Während in Niederösterreich Termine von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in dreifacher Form vermittelt würden – im Fernsehen, Radio sowie online –, geschehe dies in Wien bei Michael Ludwig (SPÖ) und seinen Kollegen aus dem roten Regierungsteam ebenfalls. „Jedoch wird es bei uns nicht derart frech schriftlich festgehalten.“
Was nicht geschehe: „Wir bauen die Politiker nicht so krampfhaft ein“, verweist ein ORF-Mitarbeiter auf einen Beitrag in „Niederösterreich heute“vom Wochenende, als Sportlandesrat Jochen Danninger (ÖVP) sich über das Spiel der Fußballerinnen des SKN St. Pölten in Rom freute: „Kommt bei uns Peter Hacker vor, dann geht es um konkrete Sportprojekte, nicht darum, Sportlerinnen zu loben.“
Naheverhältnisse gebe es aber freilich: „Wie in Niederösterreich werden auch vor Beginn der übrigen ,Bundesland heute‘Sendungen Werbebotschaften eingespielt – und über manche der Kooperationspartner im Anschluss auch berichtet“, sagt ein ORFJournalist. Das sehe zwar nicht gut aus, „aber die Berichte entstehen schon ohne einflussnahme auf den Inhalt“. Wobei: „Die kritischsten Fragen werden nicht gestellt.“
Hörtipp: „Presse“-Podcast: