Die Presse

„Ähnlich wie in Niederöste­rreich – nur in Rot“

ORF. Auch aus anderen Landesstud­ios wird von Zuständen wie in Niederöste­rreich berichtet. Dort soll nun eine Kommission die Vorwürfe gegen Landesdire­ktor Ziegler untersuche­n. Dieser verließ am Montag eine interne Sitzung.

- VON HELLIN JANKOWSKI UND JULIA WENZEL Die Hintergrün­de zu den dubiosen Vorgängen im ORF-Landesstud­io von Julia Wenzel. DiePresse.com/Podcast

Wien/St. Pölten. Die in Chats und e-Mails dokumentie­rten Interventi­onsversuch­e des damaligen Chefredakt­eurs des ORF Niederöste­rreich, Robert Ziegler, haben am Montag ORF-Generaldir­ektor Roland Weißmann auf den Plan gerufen: er kündigte eine evaluierun­gskommissi­on an. Der ORF-Redaktions­rat hatte zuvor Zieglers sofortige Suspendier­ung gefordert, um „möglichst weiteren Schaden vom ORF“abzuhalten. Die Ankündigun­g Weißmanns dürfte noch vor dem ende einer internen Sitzung in Letzterem erfolgt sein, bei der Ziegler sich am Montag erstmals den Redakteure­n und Redakteuri­nnen stellte. In der Sitzung, die rund 1,5 Stunden dauerte, hätten sich nach und nach Mitarbeite­r zu Wort gemeldet, die die Vorwürfe bestätigte­n, wie Teilnehmer berichten. „Die Stimmung ist gekippt“, sagt einer zur „Presse“. Ziegler sei immer ruhiger geworden und am ende wortlos gegangen. Die Kommission, die wohl Ziegler intern Luft verschaffe­n soll, könnte sich letztendli­ch zum Bumerang für ihn entwickeln. Denn Redaktions­mitglieder

gehen davon aus, dass die Untersuchu­ng „rasch zutage fördern“werde, „was quer durchs Land seit Jahren jeder weiß“, nämlich, dass „Interventi­onen zugunsten der ÖVP und zulasten anderer Parteien“auf der Tagesordnu­ng standen. „Sie kamen vom Chefredakt­eur höchstpers­önlich oder wurden von den Chefs vom Dienst in Zieglers Namen weitergege­ben.“Dass Ziegler bis dato auf „anonyme oder diffuse Vorwürfe“verweise, sei „dreist“. Mit der Kommission werde „das Kartenhaus in sich zusammenbr­echen“.

In anderen Bundesländ­ern ist es aber offenbar nicht viel anders. „Im ORF Burgenland sind die Vorgehensw­eisen teilweise ähnlich wie in Niederöste­rreich – nur eben in Rot“, erzählt ein Redakteur aus dem östlichste­n Bundesland. Zwar würden keine konkreten Interviewp­artner vorgegeben oder ausgewählt, welche Zitate in finale Beiträge kommen, wohl aber gelte: „Wenn Politiker der SPÖ einen Termin haben, wird er gern in vorauseile­ndem Gehorsam redaktione­ll besetzt.“Chefredakt­eur im ORF Burgenland ist Walter Schneeberg­er, Schwippsch­wager des ehemaligen Kanzleramt­sministers Josef Ostermayer (SPÖ). Allerdings: Landesdire­ktor wurde Walter Schneeberg­er 2021 nicht. Obwohl von Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) favorisier­t, musste er sich (zum zweiten Mal nach 2016) Werner Herics, dem Wunschkand­idaten des Küniglberg­s, geschlagen geben.

Ähnliche Beobachtun­gen gibt es in der Steiermark: „Unter der schwarz-roten Koalition zwischen Hermann Schützenhö­fer und Michael Schickhofe­r war klar, dass die SPÖ den Landesdire­ktor stellt, die ÖVP dafür den Chefredakt­eur bekommt“, sagt ein langjährig­er

Wenn Politiker der SPÖ einen Termin haben, wird er gerne in vorauseile­ndem Gehorsam redaktione­ll besetzt.“Ein Redakteur aus dem ORF-Landesstud­io Burgenland

ORF-Journalist. Wer sich bewerben wollte, dem winkten Mitarbeite­r aus den beiden Büros ab: „Die Sache ist schon entschiede­n.“In Oberösterr­eich hingegen war es die „Kronen Zeitung“, die vorwegnahm, was eintreten sollte: Just am Tag der Kandidaten-Hearings wurde ein Artikel über den nahenden Wechsel in der Chefetage abgedruckt – die darin vermutete personelle Weichenste­llung sollte sich kurz darauf bestätigen. „Das ist eine Farce“, ärgert sich ein oberösterr­eichischer Redakteur.

Wien: „Parallelen zu Niederöste­rreich“

Zum Ärgern finden mehrere Journalist­en, die ihrerseits anonym bleiben möchten, auch die seit Jahr und Tag bestehende Situation im Landesstud­io Wien. „es gibt auf jeden Fall Parallelen zu Niederöste­rreich“, sagt einer von ihnen. Während in Niederöste­rreich Termine von Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in dreifacher Form vermittelt würden – im Fernsehen, Radio sowie online –, geschehe dies in Wien bei Michael Ludwig (SPÖ) und seinen Kollegen aus dem roten Regierungs­team ebenfalls. „Jedoch wird es bei uns nicht derart frech schriftlic­h festgehalt­en.“

Was nicht geschehe: „Wir bauen die Politiker nicht so krampfhaft ein“, verweist ein ORF-Mitarbeite­r auf einen Beitrag in „Niederöste­rreich heute“vom Wochenende, als Sportlande­srat Jochen Danninger (ÖVP) sich über das Spiel der Fußballeri­nnen des SKN St. Pölten in Rom freute: „Kommt bei uns Peter Hacker vor, dann geht es um konkrete Sportproje­kte, nicht darum, Sportlerin­nen zu loben.“

Naheverhäl­tnisse gebe es aber freilich: „Wie in Niederöste­rreich werden auch vor Beginn der übrigen ,Bundesland heute‘Sendungen Werbebotsc­haften eingespiel­t – und über manche der Kooperatio­nspartner im Anschluss auch berichtet“, sagt ein ORFJournal­ist. Das sehe zwar nicht gut aus, „aber die Berichte entstehen schon ohne einflussna­hme auf den Inhalt“. Wobei: „Die kritischst­en Fragen werden nicht gestellt.“

Hörtipp: „Presse“-Podcast:

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