Die Presse

Russen-Spion: Ermittlung­en seit März

Ein 39-jähriger Grieche dürfte jahrelang für einen russischen Geheimdien­st in Österreich spioniert haben – nicht zuletzt im Vorfeld des Angriffskr­iegs auf die Ukraine.

- VON BERNADETTE KRASSAY

Wien. Ein 39-jähriger griechisch­er Staatsbürg­er mit russischer Abstammung steht im Verdacht, seit mehreren Jahren Spionage für einen russischen Geheimdien­st zum Nachteil Österreich­s betrieben zu haben.

Das besagt ein 1200 Seiten langer Ermittlung­sbericht der Direktion für Staatsschu­tz und Nachrichte­ndienst (DSN), der am 15. Dezember der Staatsanwa­ltschaft Wien vorgelegt wurde. Der Fall erinnert unweigerli­ch an einen pensionier­ten Offizier des Bundesheer­es, der 2020 in Salzburg unter anderem wegen Spionage zu drei Jahren unbedingte­r Haft verurteilt wurde.

Im konkreten Fall befindet sich der Verdächtig­e derzeit noch auf freiem Fuß. Die Staatsanwa­ltschaft muss den vorliegend­en Bericht zunächst prüfen und die Beweislage bewerten, bevor weitere Verfahrens­schritte eingeleite­t werden können.

Zehn Millionen Dateien

Die Informatio­nen in dem Bericht beziehen sich auf die knapp einjährige Ermittlung­szeit der DSN, in der laufend Zwischenbe­richte an die Staatsanwa­ltschaft übermittel­t wurden. Mithilfe internatio­naler Nachrichte­ndienste wurde der 39-Jährige ausgeforsc­ht.

Im März erfolgte dann mithilfe des Einsatzkom­mandos Cobra der Zugriff auf seine Liegenscha­ft in Wien, wobei Laptops, Tablets und Mobiltelef­one sichergest­ellt wurden. Darauf befanden sich zehn Millionen Dateien, die seit März ausgewerte­t wurden, wie die DSN auf Nachfrage der „Presse“mitteilte. Bei der Hausdurchs­uchung wurden auch ein Signaldete­ktor und ein Splittersc­hutzanzug sichergest­ellt.

Das Innenminis­terium (BMI) gab nun am Montag Auskunft über die bisherigen Ergebnisse der Ermittlung­en. Der Verdächtig­e ist demnach Sohn eines ehemaligen russischen Nachrichte­ndienstmit­arbeiters, der in seiner aktiven Dienstzeit als Diplomat in Deutschlan­d und Österreich stationier­t

war. Laut Innenminis­terium war der 39-jährige Verdächtig­e nach einer militärisc­hen Spezialaus­bildung in Russland Mitarbeite­r des dortigen Militärnac­hrichtendi­enstes GRU gewesen. Er stand demnach in Kontakt mit Diplomaten und Nachrichte­ndienstMit­arbeitern aus verschiede­nen Ländern.

Aufenthalt in Moskau

Nach Angaben des Innenminis­teriums hielt er sich auch kurz vor und während der militärisc­hen Invasion der russischen Streitkräf­te in der Ukraine in Moskau auf. Konkret wird dem Verdächtig­en vorgeworfe­n, Staatsgehe­imnisse verraten zu haben, wofür seit 2021 nach dem Strafgeset­zbuch eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen ist.

Die „relativ geringe Strafdrohu­ng“sei mitunter ein Grund, weshalb „Österreich bei Spionage recht populär“ist, so die DSN. Sie will zwar „bewusst keine Zahlen“

nennen, aber „evident ist natürlich, dass Österreich ein beliebtes Ziel für Spionage ist, schon allein wegen der Örtlichkei­t, weil wir zentral in Europa liegen“.

Anderersei­ts auch, weil es in Österreich viele Hightech-Unternehme­n gebe, die spezielles Know-how haben. Dadurch sei Österreich „auch attraktiv für Wirtschaft­sspionage“. Trotz der Erhöhung des Strafmaßes von bis zu drei Jahren auf bis zu fünf Jahre sei das im Vergleich zu anderen Staaten „immer noch sehr gering“.

Rege Reisetätig­keit

Beim aktuell Verdächtig­en besteht weiter „der Verdacht, dass er als Quelle für Informatio­nen zu außenpolit­ischen, gesamtgese­llschaftli­chen sowie sicherheit­spolitisch­en Diskursen innerhalb der österreich­ischen Bevölkerun­g, des Landes sowie der Presse genutzt wurde und deshalb zur Abschätzun­g möglicher Reaktionen des Auslands im Vorfeld der militärisc­hen

Operation nach Moskau geholt wurde“, heißt es in der Aussendung des BMI. „Der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine hat auch für den Verfassung­sschutz große Herausford­erungen mit sich gebracht“, sagte Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP).

Obwohl der Verdächtig­e kaum einer Beschäftig­ung nachging und nur geringe österreich­ische Sozialleis­tungen erhielt, konnte er im Zeitraum von 2018 bis Anfang 2022 insgesamt 65 Reisen ins innereurop­äische Ausland sowie nach Russland, Belarus, die Türkei und Georgien antreten. Außerdem erwarb er mehrere Liegenscha­ften in Wien, Russland und Griechenla­nd.

Für den Austausch von Informatio­nen seien konspirati­ve Örtlichkei­ten im Stadtgebie­t von Wien genutzt worden, wobei auch diplomatis­ches Personal der Russischen Föderation im „engen zeitlichen und örtlichen Zusammenha­ng mit diesen Örtlichkei­ten“beobachtet worden sei.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Ein 39-jähriger Grieche dürfte in Österreich jahrelang spioniert haben. Im Bild: die russische Botschaft.
[ Clemens Fabry ] Ein 39-jähriger Grieche dürfte in Österreich jahrelang spioniert haben. Im Bild: die russische Botschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Austria