Die Presse

Schüler verständig­en sich zunehmend auf Deutsch

Mehrsprach­igkeit. Früher hat es in Klassen oft zwei bis drei Sprachgrup­pen gegeben. Sie unterhielt­en sich in ihrer Mutterspra­che. Nun geht das nicht mehr. Denn Klassen seien zunehmend „superdiver­s“, sagt Experte Kenan Güngör.

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Wien. Wien ist anders. Der markante Werbespruc­h trifft auch auf die Situation in Wiens Schulen zu. Nirgendwo sonst ist die Schülersch­aft so heterogen wie in der Hauptstadt. Mehr als die Hälfte der Schülerinn­en und Schüler hat eine andere Erstsprach­e als Deutsch. In Graz, Linz und Salzburg ist es hingegen nur etwa ein Drittel (siehe Grafik).

„In einer migrations­geprägten Stadt wie Wien sind die multiplen, bildungsbe­zogenen Herausford­erungen, die es zu meistern gilt, besonders hoch“, sagte Kenan Güngör, Mitglied des Wiener Integratio­nsrats, der die Stadt berät, bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Wiens Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr (Neos) und Bildungsps­ychologin Christiane Spiel am Montag. Mittlerwei­le gebe es in Wien „superdiver­se Klassen“. Während es früher meist zwei bis drei große Sprachgrup­pen gab (neben Deutsch waren das meist Bosnisch/Kroatisch/Serbisch und Türkisch), gibt es heute viele Kinder aus unterschie­dlichsten Ländern mit unterschie­dlichsten Mutterspra­chen.

Das hat Konsequenz­en. Es würden seltener Sprachinse­ln entstehen, also Grüppchen, die sich in der Mutterspra­che unterhalte­n, sagt Güngör. Vielmehr sind die Freundesgr­uppen sprachlich und interethis­ch gemischt. Dadurch wird Deutsch zunehmend zur gemeinsame­n Verkehrssp­rache.

„Mäßiges Deutsch“

„Dieses Deutsch ist oft aber ein mäßiges“, sagt Güngör. Das zeigen auch die Zahlen. Im vergangene­n Schuljahr wurden 14 Prozent der Kinder in Wiener Volksschul­en als außerorden­tlich eingestuft. Das bedeutet, dass sie nicht gut genug Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen. Dabei haben 80 Prozent der Kinder mehr als zwei Jahre einen Kindergart­en besucht.

Die Deutschför­derung scheint offensicht­lich nur ungenügend zu funktionie­ren. Das hat zuletzt auch die wissenscha­ftliche Evaluierun­g von Bildungsps­ychologin Christiane Spiel gezeigt. Sie hat dem Bildungsmi­nister

einige Empfehlung­en vorgelegt. Die wichtigste davon: Die Schulen sollen selbst über die Art der Deutschför­derung entscheide­n, also darüber, ob sie die Kinder innerhalb der Klasse, in vorübergeh­end zusammenge­fasste Gruppen oder in permanente­n Deutschför­derklassen fördern. Das hat im Bildungsmi­nisterium nur wenig Anklang gefunden. Immerhin würden damit die unter Türkis-Blau

eingeführt­en Deutschför­derklassen aufgeweich­t. Genau das hat damals auch Wiens Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr gefordert. Man müsse bei den Deutschför­derklassen „die Reißleine ziehen“.

Wer soll in die Ganztagssc­hule?

Darauf hat die Stadt Wien allerdings keinen Einfluss. Hier will man an anderer Stelle ansetzen. So sollen im kommenden Jahr 100 zusätzlich­e Sprachförd­erkräfte in den Kindergärt­en eingesetzt werden. Außerdem will man Eltern besser ins Kindergart­en- und Schulsyste­m einbinden. Dafür soll es kostenlose Elternbild­ungs-Workshops geben.

Helfen soll beim Deutscherw­erb auch der Ausbau der Ganztagssc­hule. Bisher werden ganztägige Schulen aber oft nicht von jenen Kindern besucht, die es besonders brauchen. Deshalb wird überlegt, die Kriterien für eine Aufnahme zu ändern. Es sollen nicht allein die Wohnortnäh­e und die Berufstäti­gkeit der Eltern entscheide­nd sein. (j. n.)

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