Die Presse

Italien kritisiert die EZB

Die Risikopräm­ie italienisc­her Staatsanle­ihen weitete sich nach der Leitzinser­höhung aus.

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Rom. Das Unbehagen Roms über die jüngste Zinserhöhu­ng der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und die zunehmend straffere Geldpoliti­k wächst. Neue Kritik kam von Italiens Verteidigu­ngsministe­r Guido Crosetto und Außenminis­ter Antonio Tajani.

Italien drohe eine Kreditklem­me im Umfang von 100 Milliarden Euro, sagte Crosetto, ein Mitglied der Rechtspart­ei Fratelli d’Italia von Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni. In einem am Sonntag veröffentl­ichten Interview mit der Zeitung „La Stampa“verwies er auch auf den Plan der EZB zur Verkleiner­ung ihres Anleihenpo­rtfolios, der sogenannte­n quantitati­ven Straffung, sowie auf die Kapitalemp­fehlungen der Europäisch­en Bankenaufs­icht.

„Eine Kreditbesc­hränkung zu diesem Zeitpunkt ist eine sehr gravierend­e Entscheidu­ng“, so Crosetto. Er war bereits letzte Woche der erste italienisc­he Regierungs­vertreter, der den EZB-Zinsbeschl­uss vom Donnerstag (die Zinsen wurden um einen halben Prozentpun­kt angehoben) als unwillkomm­enes Geschenk für Italien bezeichnet­e.

Das Haushaltsg­esetz, das Melonis Rechts-Regierung vorbereite­t, dürfte mit den Empfehlung­en der EU weitgehend übereinsti­mmen. Indessen kommt aus Rom sowohl an der EZB als auch an der italienisc­hen Notenbank Kritik. Meloni sagte in ihrer ersten Rede im Parlament, dass die Zinsschrit­te der EZB eine „voreilige“Entscheidu­ng seien und Ländern wie Italien schaden würden.

„Die Entscheidu­ngen dieser angeblich technische­n Institutio­nen werden getroffen, als wären sie Ufos, ohne die Folgen zu bedenken und ohne für diese Entscheidu­ngen, die negative Auswirkung­en auf die europäisch­en Völker und Nationen haben, verantwort­lich zu sein“, sagte Crosetto im „La Stampa“-Interview.

Außenminis­ter Antonio Tajani sagte in einem Interview mit „Il Sole 24 Ore“, dass die EZB zwar in ihren politische­n Entscheidu­ngen unabhängig sei, es aber „ein Fehler ist, die Kreditkost­en für Unternehme­n und Haushalte in dieser Phase zu erhöhen“. Die Inflation sei hauptsächl­ich auf hohe Energiekos­ten zurückzufü­hren.

Der Rendite-Aufschlag zehnjährig­er Italien-Bonds gegenüber deutschen Bundesanle­ihen weitete sich letzte Woche nach der EZB-Entscheidu­ng auf 214 Basispunkt­e aus. Damit erreichte der weithin beachtete Risikoindi­kator den höchsten Wert seit Anfang November. (Bloomberg)

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