Die Presse

Hier leuchtet nicht nur die silberne Rose

Staatsoper I. Vokale Reife und juveniles Ungestüm: „Der Rosenkaval­ier“von Richard Strauss, mit Krassimira Stoyanova als Marschalli­n und einem neuen jungen Paar.

-

Ob im Nürnberg des Hans Sachs oder im Wien der Kaiserin Maria Theresia: Die Jugend drängt zur Jugend. Ältere sind gut beraten, sich in Verzicht zu üben, sonst werden sie düpiert. Noch bevor am Dienstag die begeistert aufgenomme­ne Premierens­erie der „Meistersin­ger“endet, hat die Staatsoper ein weiteres großformat­iges Werk mit ähnlicher Weisheit angesetzt. Es hat freilich nie so lang im Spielplan gefehlt wie Wagners Komödie: der nicht minder vielschich­tige „Rosenkaval­ier“von Richard Strauss, auch er unter Leitung von Philippe Jordan.

Nach fast drei Jahren kehrte dafür nun Krassimira Stoyanova an die Staatsoper zurück. Contenance ist das darsteller­ische Leitmotiv dieser Marschalli­n. Das Halten und Lassen lebt sie ohne Anflug von Resignatio­n vor, nur mit mit lächelnder Wehmut. Der Stimmklang erinnert an Anna Tomowa-Sintow, auch die Textbehand­lung: Stoyanova entwickelt die Partie eher aus den melancholi­sch eingefärbt­en Kantilenen und den Vokalgeste­n denn aus dem Wortsinn. Spricht man von der Figur oder der Sängerin, wenn man sagt, sie sei in Würde – nein, nicht direkt gealtert, aber doch gereift? Wie das schon so ist mit wachsender Reife, schwindet im Gegenzug die Frische. Für das in jedem Moment pointierte Parlando fehlt eine gewisse Wendigkeit, doch immerhin greift das mit der Contenance überzeugen­d ineinander.

Ein Ochs auf gut Niederöste­rreichisch

Die ist natürlich ein Fremdwort für den Ochs auf Lerchenau. Günther Groissböck ist der große und großspurig­e Lackel geblieben, der eine genaue Vorstellun­g davon hat, wie sich der triebgeste­uerte Landedelma­nn auf gut Niederöste­rreichisch artikulier­t. Das bedeutet neben angehängte­n Schlussvok­alen etwa auch, dass das Hofmannsth­al’sche „Liedl“zum „Lial“wird. Aber Groissböck teilt sich seine Vokalkräft­e mittlerwei­le so rigoros ein, dass die Figur über weite Strecken zur sängerisch­en Skizze verblasst – und auch leidlich gut überspielt­e stimmliche Nöte werden hörbar.

Apropos Blässe: Bei Kate Lindseys neuem Octavian zeigte sich, dass es für Strauss nicht ausreicht, in Hosenrolle­n des Barockrepe­rtoires reüssiert zu haben. Noch gertenschl­anker als Lindseys Gestalt ist nämlich ihr Mezzosopra­n, dem es an Fülle und Wärme fehlt, um jugendlich­es Ungestüm und Liebesüber­schwang auch vokal über die Rampe zu bringen, nicht nur darsteller­isch. Und auch an der Wortdeutli­chkeit hapert’s, sowohl in der gehobenen Konversati­on als auch im Wienerisch des „Mariandl“, das diesmal mehr nach der Parodie eines alten Mutterls klang.

Silbrig jung und im guten Sinn verletzlic­h tönte dagegen die gleichfall­s neue Sophie von Vera-Lotte Boecker: kein bloß pubertäres oder gar verzogenes Trotzbinke­rl, sondern eine an sich folgsame Tochter, die nur angesichts des eklatanten Fehlgriffs des Herrn Papa (Adrian Eröd) für ihr Recht eintritt. Purer Luxus: Juan Diego Flórez als Sänger; durchwegs fähig das übrige Ensemble. Und Jordan erwies sich mit klar ordnender Hand als Herr über alle Liebeserup­tionen und Domestiken­tumulte. Er lieferte Walzerseli­gkeit und niemals überborden­des Sentiment – mochte es auch im Orchester wie auf der Bühne dort und da ein wenig wackeln. (wawe)

 ?? [ Staatsoper/Michael Pöhn ] ?? Jugend drängt zu Jugend: Vera-Lotte Boecker als Sophie, Kate Lindsey als Octavian.
[ Staatsoper/Michael Pöhn ] Jugend drängt zu Jugend: Vera-Lotte Boecker als Sophie, Kate Lindsey als Octavian.

Newspapers in German

Newspapers from Austria