Staatsanwälte kontrolliert man nicht
Gastkommentar. Zum Vorschlag einer neuen Bundesanwaltschaft.
Seit einigen Jahren wird in Österreich eine Kontroverse über die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften geführt. Auch beim neuesten Vorschlag zur Generalanwaltschaft wird ein wichtiges Detail übersehen: Das Bundesverfassungsgesetz definiert die Staatsanwaltschaften als Organe der Gerichtsbarkeit. Mit weitreichenden Folgen, auch für Untersuchungsausschüsse.
Die unabhängige Generalstaatsanwaltschaft wäre eine nicht durch das Volk gewählte, unpolitische, aber gegenüber einzelnen Staatsanwälten weisungsberechtigte oberste Anklagebehörde. So sieht es der jüngste Rohvorschlag der grünen Justizministerin Zadić vor, der überraschend die Unterstützung von VP-Ministerin Edtstadler fand. Grundsätzlich einig ist man sich bis auf einen Punkt: die fehlenden Kontrollmöglichkeiten bzw. die Verantwortung der obersten Anklagebehörde gegenüber dem Parlament. Zeitgleich mit dem Reformvorschlag gibt es aus der Anwaltschaft und der Öffentlichkeit teils vehemente Kritik an so mancher Praxis der Strafverfolgungsbehörden und Rufe nach stärkerer Kontrolle. Bisher verlief die politische Debatte anhand folgender Linien: Links orientierte Politik eher für eine gänzliche Weisungsfreiheit der Strafverfolgungsbehörden, konservative Lager tendenziell für ein Weisungsrecht des jeweiligen Bundesministers.
Umstritten weisungsgebunden
Außer Diskussion steht die dennoch umstrittene Weisungsgebundenheit der einzelnen Staatsanwälte, die keine der Parteien abschaffen möchte. Statt durch den Justizminister soll das Weisungsrecht zukünftig durch eine mächtige Bundesstaatsanwaltschaft ausgeübt werden. Die Ausgestaltung dieser Kontrolle scheint disputabel. Bisher konnte der weisungsberechtigte Justizminister mittels Misstrauensvotums vom Parlament abgewählt und als Teil der Regierung vom Bundespräsidenten entlassen werden. Der nun vorgeschlagene Vorgang wäre eine justizinterne Bestellung samt richterlicher Kontrolle und würde dem vielfach geäußerten Wunsch nach stärkerer fachlicher Einflussnahme auf einzelnes Handeln der Staatsanwaltschaft zuwiderlaufen. Die von Edtstadler vorgeschlagene Kontrolle durch das Parlament wirkt einleuchtend. Doch die Staatsanwaltschaften gehören nach Art. 90a des B-VG der unabhängigen Justiz an. Eine Kontrolle der Justiz durch das Parlament steht in schwierigem Verhältnis zum Grundsatz der Gewaltenteilung. Es ist zu hinterfragen, warum Staatsanwälte als Justizorgane von einem parlamentarischen U-Ausschuss befragt werden dürfen.
Denkbar wäre, die Bestelldauer der Bundesstaatsanwälte zu limitieren und auch justizfremde Personen an der Bestellung mitwirken zu lassen. Dass eine Öffnung möglich ist, zeigt der VfGH, zu dessen Richtern Professoren, Anwälte und Verwaltungsjuristen zählen. Anzudenken wäre, einer Kommission mit Vertretern des Justizministeriums, Nationalrats und der Staatsanwaltschaften die Auswahl geeigneter Kandidaten und Teile der Kontrolle zu überlassen.
Es ist nicht entscheidend, ob die Vorwürfe politischer Einflussnahme oder fehlender Kontrolle stimmen. Eine breite Akzeptanz wird die Bundesstaatsanwaltschaft und so die Justiz nur erlangen, wenn diese Bedürfnisse einigermaßen berücksichtigt werden.