Wenn eine „Weihnachtsperson“die Gaben bringt
Sprache verändert sich kontinuierlich – im täglichen Gebrauch, nicht durch teilweise ziemlich skurrile Wortakrobatik in Politbüros.
Und? Abgesehen davon, dass Sie hoffentlich eh schon Ihre kaijangekrainerte Begrüßungsformel eingeübt haben, damit Ihnen zumindest in Wien kein peinliches „Grüß Gott“über die Lippen kommt: Haben Sie Ihren gendersensibilisierten Wortschatz schon auf Hochglanz poliert? Leider ließ ja Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser, das als Gender-Wörterbuch maskierte Kabarettprogramm seiner Landesrätin Sara Schaar in der Versenkung verschwinden. Das ist schade. Denn angesichts von Corona, Krieg, Klimawandel, Inflation, in den Himmel schießenden Heizkosten, unappetitlichen U-Ausschusswaren, derb-dreisten Chats sowie Korruption in Österreich und im EU-Parlament gibt es wenig zu lachen. Zudem sind obrigkeitsstaatliche Sprachnormierungen seit der Nazi-Zeit zumindest in unseren Breiten aus der Mode gekommen. Dass es nicht geben kann, was es nicht geben darf, demonstriert ja Putin mit seinem Befehl, „Krieg“durch das euphemistische Vokabel „Spezialoperation“zu substituieren.
Wie die feministische Historikerin Joan W. Scott schreibt, gibt es keine Wirklichkeit außerhalb der Sprache. Tatsächlich steigt vor dem inneren Auge instant das Bild einer kommunistischen Kolchose auf, wenn das Kärntner Gender-Wörterbuch aus Bauer und Bäuerin „landwirtschaftliche Beschäftigte“macht. Schaars Plansprache erinnert frappant an zentralamtlich verordneten DDR-Polit-Neusprech, der die Mauer zum „antifaschistischen Schutzwall“stilisierte, mit „Bedarfsunterdeckung“Fehlleistungen umschrieb und den Müller zum „Facharbeiter für die Be- und Verarbeitung von Körnern und Hülsenfrüchten“umbenannte. In Kärnten sollen Polizist und Polizistin künftig als „Polizeikraft“tituliert werden, der/die Beamte als „beamtete Person“, der Gast als „Besuchsperson“und der Fahrgast als „eine gegen Entgelt transportierte Person“. Wobei sich nicht so ganz erschließt, warum der Gast pfui, die Person bzw. die Kraft aber hui sein soll. Vermutlich ist auch der Mensch bald passé, weil im Zweifelsfall das grammatisch weibliche offenbar das bessere Geschlecht ist. Natürlich verändert sich Sprache kontinuierlich – im täglichen Gebrauch, nicht durch Wortakrobatik in Politbüros. Wer Sprachdirigismus idiotisch findet, wird gern nach rechts abgeschoben oder von dortselbst vereinnahmt. Wer beides nicht will, schweigt lieber still.
Kärnten lebe im 21. Jahrhundert in Vielfalt, Buntheit, Respekt und Toleranz und stehe für Gleichheit und Chancengerechtigkeit: „Ein Genderleitfaden – der eine Orientierungshilfe für die Verwaltung darstellt – ist Ausdruck dessen und zielt darauf ab, einerseits durch Sprache Bewusstsein zu schaffen, andererseits rechtlich korrekt anzusprechen, z. B. im Falle eines vom VfGH bestätigten dritten Geschlechtes“, erklärten Peter Kaiser und Sara Schaar in etwas holprigem Deutsch. Tatsächlich folgte ein VfGH-Erkenntnis im Juni 2018 dem EGMR, wonach die selbstbestimmte Wahl der Geschlechtsidentität ein fundamentales Menschenrecht ist. Von Wortneuerfindungen oder Unterstrichen war nicht die Rede – es gibt sie nämlich im verbindlichen Regelwerk der deutschen Sprache nicht. Dass aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe oder Religion niemand diskriminiert, herabgewürdigt oder finanziell benachteiligt werden darf, sollte selbstverständlich sein. Insofern könnte man sich im Sinne einer integrativen, inklusiven Sprache des guten, alten Generikums entsinnen, also der geschlechtsneutralen Verwendung femininer oder maskuliner Substantive oder Pronomen.
In Kärnten sollen Polizist und Polizistin als „Polizeikraft“tituliert werden, der/die Beamte als „beamtete Person“. . .
Die gute Nachricht kommt zum Schluss: Das Weihnachtsengerl muss nicht in „Jahresendflügelfigur“(©DDR-Sprech) umbenannt werden. Das Christkind darf sein grammatikalisches Geschlecht behalten. Nur der Weihnachtsmann wird schleunigst Richtung Geschlechtergerechtigkeit fluidieren und am 24. 12. seine gabenbringende Tätigkeit als Weihnachtsmensch oder Weihnachtsperson verrichten müssen.
Morgen in „Quergeschrieben“: