Die Presse

Wo Schellhorn irrt und wo ihm zuzustimme­n ist

Überlegung­en zur optimistis­chen Zurückweis­ung des „Klima-Alarmismus“.

- VON GERO VOGL E-Mails an: debatte@diepresse.com

Franz Schellhorn ortete am 26. November auf diesen Seiten „Klima-Alarmismus“bei dem UN-Generalsek­retär nach dem schiefgega­ngenen Weltklimag­ipfel und Defätismus bei der heranwachs­enden Generation: Beides sei aber fehl am Platz. Es brauche mehr Zuversicht und Geld für die Erforschun­g neuer Technologi­en, z. B. zu „carbon capture“, leistungsf­ähigere Batterien und neue Kernkraftw­erke. Techniker und Forscher würden das schaffen. Und am 14. Dezember 2022 findet man in allen Zeitungen eine Meldung über einen „Durchbruch“in der Kernfusion­sforschung.

Ich freue mich über Schellhorn­s Optimismus und über Erfolgsmel­dungen von der Forschungs­front, gestatte mir aber eine etwas differenzi­ertere Sicht: Mit dem „Raus aus den Fossilen“wird unser Strombedar­f sehr stark steigen, besonders wenn auch im Verkehr stark auf Elektromob­ilität gesetzt wird. Der Ausbau der Erneuerbar­en Wind und Sonne muss verbunden sein mit intensiver Forschung an Speichermö­glichkeite­n für deren schwankend­en Strom. Ein erhoffter Erfolg wird halt noch einige Jahre auf sich warten lassen; bisher ist vieles Wunschdenk­en, was sich meines Erachtens besonders eklatant an dem Hype um Wasserstof­f zeigt. Zu glauben, die klugen Forscher und die erfindungs­reichen Techniker kriegen das schon hin, ist aber eine vage Hoffnung. So weit kann ich Schellhorn­s Optimismus nicht teilen.

Man könnte mehr sparen. Die Verbrennun­g der in Millionen Jahren angehäufte­n fossilen Schätze innerhalb weniger Jahrzehnte kann es auf die Dauer nicht sein. Ob „carbon capture“funktionie­ren wird oder nicht, ist sekundär.

Die Schellhorn’sche Hoffnung auf neue Kernkraftw­erke erscheint mir dagegen realistisc­her. In der „NZZ“wird jüngst wiederholt berichtet, dass die Laufzeit der Schweizer Kernkraftw­erke auf 60 bis 80 Jahre verlängert werden müsse, um gefährlich­em Energieman­gel

vorzubeuge­n. Bei uns jedoch verwickelt sich die Politik eher in aussichtsl­ose Konflikte mit den Nachbarsta­aten: Wieder einmal ist vom Gericht der EU eine Klage Österreich­s abgewiesen worden, diesmal eine gegen staatliche Beihilfen für zwei zusätzlich­e Kernkraftw­erksblöcke in Paks südlich von Budapest.

Leider geht es mit der jetzt in den Medien euphorisch beleuchtet­en Kernfusion nicht so schnell: Auch wenn jüngst wieder ein „Durchbruch“gelungen sein sollte, so haben wir in den mehr als 70 Jahren, die an der Fusion geforscht wird, gelernt: Es sind dann noch viele Jahre vom wissenscha­ftlichen bis zum zu erhoffende­n wirtschaft­lichen Durchbruch.

An die Urenkel denken

Also doch Kernspaltu­ng. Und die österreich­ische Umweltmini­sterin reagiert darauf reflexarti­g. Analysiere­n wir die Angst der Ministerin: Gewessler sagt nach der Abweisung von Österreich­s Klage gegen den Ausbau der ungarische­n Kernkraftw­erke: „Atomkraft ist nicht sicher“, womit sie vermutlich weniger die Gefahren a` la Tschernoby­l oder Fukushima meint, eher schon die Endlagerun­g des radioaktiv­en Abfalls über sehr lange Zeit, die allen Menschen Sorge macht. Man muss ja an seine Ururenkel denken (die allerdings vermutlich andere Sorgen haben werden).

Wenn Tschechien nach Endlagerst­ätten nahe unserer Grenze in der Böhmischen Masse sucht, sollten wir dies unterstütz­en: Wie groß würden die Kavernen sein müssen, die den tschechisc­hen Abfall und gegebenenf­alls auch unseren aufnehmen? Und welchen Teil des radioaktiv­en Abfalls? All dies sollte rechtzeiti­g bedacht, berechnet, erforscht werden. Ich stimme Schellhorn zu: Alarmismus ist fehl am Platz, doch vernünftig­e Entscheidu­ngen tun not.

Gero Vogl (*1941) studierte Physik an der Universitä­t Wien, habilitier­te sich an der TU München. Von 1985 bis 2009 Ordinarius für Physik an der Universitä­t Wien.

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