Ganz Spanien steckt im Lottofieber
Glücksspiel. Der Streit um die Gewinne der spanischen Lotterie beschäftigt oft die Gerichte.
Madrid. An diesem Donnerstag regnet es wieder Geld in Spanien: Mehr als 2,5 Milliarden Euro werden dieses Jahr bei der größten und ältesten Weihnachtslotterie der Welt ausgeschüttet. Weil die Chance, den fetten Hauptgewinn zu holen, vergleichsweise groß ist, zocken inzwischen nicht nur die meisten Spanier, sondern auch viele Menschen aus anderen europäischen Ländern bei der dicken Sonderziehung mit.
Doch die Gewinne bringen nicht immer Freude: Spaniens Richter müssen regelmäßig Streit zwischen Paaren, in Freundeskreisen oder Spielgemeinschaften schlichten, die sich bei der Verteilung des plötzlichen Geldsegens nicht einig werden. „Das geschieht zum Beispiel ziemlich häufig bei Ehepaaren, die sich in einem Trennungsprozess befinden“, weiß man bei der Verbraucherberatung OCU.
„Die Lotteriegewinne, besonders jene der Weihnachtsziehung, sind eine unerschöpfliche Quelle für Rechtsstreitigkeiten“, berichtet auch Spaniens größte Zeitung „El Páıs“. Dabei geht es im Kern immer ums Teilen. Um (Ex-)Partner, Familienmitglieder, Freunde und Kollegen, die nichts mehr vom gemeinsamen Loskauf wissen wollen. Und die nun gemeinsame Gewinne verschweigen, unterschlagen oder behaupten, das Glückslos verloren zu haben – was ihnen dann eine Klage einbringt.
Leitfaden für Spielteams
Die Konflikte um den plötzlichen Reichtum haben derart um sich gegriffen, dass Polizei, Anwaltsvereine und Verbraucherschützer inzwischen Ratgeber veröffentlichen unter dem Titel „Wie teile ich auf sichere Weise ein Lotterielos“. In den Empfehlungen des Verbrauchervereins OCU heißt es etwa: „Wenn du ein Los mit jemandem teilen willst, dann halte dies schriftlich fest. Denn Worte werden vom Wind verweht und sind im Streitfall kein Beweis.“
Dabei gleicht die TV-Werbung der staatlichen Lottogesellschaft, mit der sie jedes Jahr das Geschäft ankurbelt, einem Weihnachtsmärchen der Freude, Harmonie und Solidarität: Losscheine und Geld rieseln vom Himmel. Spanien wird als Land des Glücks dargestellt, in dem sich die Menschen gegenseitig Lose, Losanteile und Illusion schenken. „Hier haben wir die Tradition, die Weihnachtslose mit den Menschen zu teilen, die uns wichtig sind“, heißt es im Werbespot.
Die Botschaft vom großen und gemeinsamen Glück kommt an. Es gibt kaum einen Spanier, der nicht wenigstens eine kleine Losbeteiligung in der Tasche hat. 70 Euro investiert laut Statistik jeder Spanier im Schnitt in Weihnachtslose.
Es gehört tatsächlich zum guten Ton, mit der Clique, den Arbeitskollegen
oder dem Sportverein wenigstens ein Lotterielos zu teilen. Genauso wie Paare, Geschwister und Familien gemeinsam auf den „Gordo“– den dicken Hauptgewinn – setzen, für den dieses Jahr allein 720 Millionen Euro ausgeschüttet werden.
Stundenlange Gesangsshow
Die ganze Nation schaltet am Vormittag des 22. Dezembers den Fernseher ein und verfolgt gespannt die Ziehung, die im Königlichen Opernhaus in Madrid stattfindet. Kurios ist, dass alle gezogenen Glücksnummern nicht von einer Lottofee angesagt werden, sondern von Madrider Schulkindern lauthals gesungen werden. Eine Lotterie-Singshow, die angesichts der vielen Prämien und Trostpreise Stunden dauert. Der Hauptgewinn von mehreren Hundert Millionen Euro ging übrigens noch nie nur an eine einzige Person, sondern er wird stets unter vielen Gewinnern aufgesplittet. Das dürfte auch dieses Jahr nicht anders sein. Jede der fünfstelligen Losnummern teilt sich in 180 Serien und dann noch einmal in Zehntellose auf. Sodass also von jeder Nummer wenigstens 1800 Zehntellose im Umlauf sind – zu kaufen um je 20 Euro.
Wer über ausländische Plattformen mitzockt, muss meist Zuschläge zahlen. Im Falle eines Volltreffers wird jedes „Gordo“-Zehntellos mit 400.000 Euro bedacht. Theoretisch wenigstens. In der Praxis werden nur 328.000 Euro ausgezahlt, weil Spaniens Fiskus bei allen Gewinnen über 40.000 Euro 20 Prozent Glückssteuer kassiert.