Die Sache mit den Hexen und der Verwaltungsreform
Erstaunlich, womit sich die öffentliche Verwaltung so beschäftigt – und womit nicht.
Über das 72-seitige „Wörterbuch zum Genderleitfaden“des Landes Kärnten ist in den vergangenen Tagen genug gelästert worden. Der/ die/das Landeshauptkraft, oder wie das jetzt korrekt heißt, hat das Ding ohnehin zurückgezogen, nachdem sich genügend im Land wahlberechtigte Personen (m/w/d) bedeutungsvoll an die Stirn getippt haben. Nicht mehr der Rede wert.
Und doch interessant: Haben sich doch offenbar eine ganze Reihe von hoch bezahlten Landesbeamten in ihrer Dienstzeit auf Auftrag unter anderem darüber Gedanken gemacht, wie man Hexer und Hexen in amtlichen Dokumenten korrekt anspricht, ohne Transhexen zu diskriminieren („Zauberkraft innehabende Person“, damit wir das auch geklärt haben). Das ist leider kein dümmlicher Altherrenwitz, sondern offenbar ernst gemeint. Und das Ganze parallel in neun Bundesländern. Denn die Kärntner sagen, sie hätten sich nur „an anderen Ländern orientiert“, die so etwas schon haben.
Das deutet darauf hin, dass in den Landesverwaltungen trotz multipler grassierender Krisen ein bisschen Unterbeschäftigung in Sachen ernste Themen zu herrschen scheint. Beziehungsweise ein gewisser Personalüberhang, der irgendwie beschäftigt werden muss. Was wieder einmal die Notwendigkeit von größeren Reformen des aus den Fugen geratenen Föderalismus und der Verwaltung unterstreicht.
Allerdings ist dabei Vorsicht geboten: In diesem Land können auch Verwaltungsreformen ordentlich danebengehen. Die der Sozialversicherung etwa, die statt der erwarteten Einsparungsmilliarde laut Rechnungshof vorerst einmal 214 Mio. Euro Mehrkosten verursacht und den Personalstand um 300 erhöht hat. Weniger Kassen mit mehr Personal. Das nennt man dort wohl Organisationsstraffung. Und weiterhin keine Rede von Harmonisierung der Kassenleistungen.
Wundern muss einen das freilich nicht: Laut Rechnungshof gab es „kein Zielsteuerungssystem“, es „fehlten Instrumente des Projektmanagements und ein Controlling des Umsetzungsstandes“beziehungsweise „eine nachvollziehbare Erfassung von Kosten und Nutzen“. Dafür gab es „sachliche und buchhalterische Lücken“.
urzum: Man hat ohne konkrete Vorgaben (mit Ausnahme eines unrealistisch herbeifantasierten politischen Einsparungsziels) ins Blaue reformiert. Beziehungsweise ganz andere Fusionsziele als wirtschaftliche Effizienzsteigerung im Sinn gehabt. Nämlich parteipolitische. Was eigentlich noch viel schlimmer wäre. Ein einziges Desaster. Wenigstens „Funktionsausfälle“gab es laut RH keine. Man wird ja bescheiden.
Angesichts solcher Zustände beim größten Reformprojekt der Ära Kurz – die Vorgängerregierungen haben das Thema vorsichtshalber gleich gar nicht angegriffen – wird man ein bisschen unsicher, ob es tatsächlich eine gute Idee ist, weitere große Verwaltungsreformen zu fordern. Oder ob man sich damit zufriedengeben soll, wenigstens ohne „Funktionsausfälle“wie bisher weiterzuwursteln. Aber die Gefahr, dass die amtierende Regierung bis zum nächsten Wahltag noch in einen Reformrausch verfällt, ist ohnehin gering.