Ein Plädoyer für die Schwierigen
Ihr Geschäft ist die Intensivierung des Menschlichen. Ihre hoch volatilen Währungen sind Emotion und Intellekt, Kalkül und Leidenschaft. Sie leiten Opern, Theater, Festivals, Konzerthäuser, Museen mit künstlerischem Anspruch an sich selbst. Sie machen das nicht für Amtsperioden, sie machen das für ihr Leben. Mit allem, was sie sind, waren, werden wollen. Und das ist meist: mehr.
Zufrieden sind sie selten, nicht mit sich, nicht mit den anderen. Sie sind eitel, manchmal arrogant. Sie sind zu laut oder auch zu leise. Sie sind zu eng mit ihren Mitarbeitern, oder aber sie sprechen gar nicht mit ihnen. Sie unterscheiden selten Beruf und Privat. Sie sind launisch und oft sehr unterhaltsam. Sie werden adoriert und gehasst, ohne Scham. Sie haben dünne Häute. Sie sind schwierig.
Was sonst. Sie haben ihr Leben in den Dienst etwas Außerordentlichem gestellt, das sich großteils objektiven Kriterien der Beurteilung entzieht. Nie dagegen dem Gutdünken oder allfälligem Fachwissen von Kulturpolitikern, einem oft wechselnden Personal. Fortüne pur. Trotzdem tun sie es. Normal ist das nicht. Sonst wären sie auch nicht imstande, dieses Außerordentliche zu leisten.
Wie stellt man sich also vor, dass ein solcher Schwieriger den Gipfel wieder verlässt? Demütig, einsichtig? Geläutert (wovon?), gar dankbar? Politikern gegenüber, die ihm nach einer langen gemeinsamen Reise am Tag vor der Pressekonferenz ihre Entscheidung gegen alles, was man ist, mitteilen? Martin Kusˇej ist wütend. Er ist beleidigt. Er zieht trotzig seine Bewerbung zurück. Die Häme, mit der in Österreich jeder verabschiedete Mächtige zu rechnen hat, ist ihm dabei sichtlich völlig gleich. Am Vortag seiner Demontage wählt er nicht die Deckung. Sondern was ihm entspricht: den Angriff als performativen Akt.