Umfassender Blick auf die Versorgung
Jährlicher Bericht soll Krebsgeschehen in Österreich umfassend und unabhängig dokumentieren.
Krebstherapie ist Teamarbeit“, sagt OeGHO-Präsident Wolfgang Hilbe bei der Präsentation des „Krebsreports 2022“und betont hier auch den Stellenwert von Pflege, Physiotherapie, Rehabilitation, Ernährungswissenschaft, Psychoonkologie und weiteren Gesundheitsberufen. Neben der Österreichischen Krebsgesellschaft sowie der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) haben zahlreiche relevante Fachgesellschaften sowie die Statistik Austria an dieser zweiten Ausgabe des „Krebsreports“mitgewirkt.
Monika Hackl, Leiterin des Nationalen Krebsregisters, Statistik Austria, illustriert das Krebsgeschehen in Österreich an einigen Beispielen. So liegen bei von 2014 bis 2018 diagnostizierten Prostata-, Hoden-, Schilddrüsen- und (weiblichem) Brustkrebs die Überlebensraten
nach drei Jahren bei 90 bis 96 Prozent. Am ungünstigeren Ende der Prognosen finden sich Lungen-, Speiseröhren-, Leberund Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Drei-Jahres-Überlebensraten von 15 bis 30 Prozent. Lichtblick: Bei Leber, Bauchspeicheldrüse und Lunge sind die Werte zumindest signifikant besser als im Betrachtungszeitraum davor. Ebenfalls signifikant verbessert haben sich die Prognosen bei Tumoren in Prostata,
Nieren, im Kopf- und Halsbereich sowie im Magen.
Knackpunkt Vorsorge
Ein wichtiger Punkt des „Krebsreports“sind die Themen Vorsorge und Früherkennung. Die Einhaltung von zwölf Empfehlungen könnte 50 Prozent der Krebstodesfälle in Europa vermeiden, berichtet Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Dazu gehören regelmäßige Bewegung,
Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholgenuss, Impfungen (HIV, Hepatitis B, C) sowie Vorsorgeuntersuchungen. Die wichtigsten Entwicklungen hier sind die Gratisimpfung gegen HPV-Viren, die bei Gebärmutterhals-, Rachenund Analkrebs eine wesentliche Rolle spielen. Diese Impfung ist ab Februar 2023 für alle im Alter von neun bis 21 Jahren gratis verfügbar, für Männer auch im Rahmen der Stellungsuntersuchung. Weitere
Neuerung: Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge wird nun bereits ab 45 statt ab 50 Jahren empfohlen.
Qualität der Versorgung
Wie der Vorgänger, der sich besonders mit den Covid-Auswirkungen für Krebsbehandlung und -vorsorge befasst hat, konzentriert sich der „Krebsreport 2022“auf Schwerpunktthemen, konkret die Versorgungsqualität von Krebspatienten. Die Molekularpathologie, die Untersuchung des Tumorgewebes auf bestimmte genetische Veränderungen, ist Grundlage der individuell abgestimmten Präzisionsmedizin und wird laut „Krebsreport“in Österreich immer öfter angewandt.
Ebenfalls gut ist der Zugang zu Nuklearmedizinischer Diagnostik. Bei Prostatakrebs etwa wurde aufgrund von PSMA-PET-CT-Untersuchungen in 64 Prozent der Fälle die Therapie geändert, weil Metastasen früh erkannt oder sicher ausgeschlossen werden konnten. Auch die Roboterchirurgie kommt in bestimmten Fällen bei Tumoren/Metastasen der Prostata, im KopfHals-Bereich, der Lunge oder der Niere bereits in allen Bundesländern zum Einsatz. Für die Optimierung der Therapie eine große Rolle spielt die Einschätzung des Nutzens neuer Krebsmedikamente. Hier wird zur Bewertung aller neu
en Krebstherapeutika ein objektives Verfahren eingesetzt. Aktuell unterstützen 387 Bewertungen die Tumorboards bei den individuellen Behandlungsentscheidungen.
Raum für Verbesserungen
Verbesserungspotenzial ortet der „Krebsreport“beim ArztPatienten-Gespräch. Betroffene hätten oft Schwierigkeiten, das Gesagte zu verstehen. Auf Initiative der Plattform Gesundheitskompetenz wurde ein Trainingsprogramm mit Schauspielern ins Leben gerufen, das 2022 in den Spitälern ausgerollt werden soll. Mehr Aktivität, vor allem vonseiten der Politik, mahnen die Experten bei der Palliativversorgung ein. Der geplante Zuschuss von gesamt 98 Mio. Euro für die Periode 2022 bis 2024 müsse dringend bei den Ländern ankommen.
Ein insgesamt gutes Zeugnis stellt der „Krebsreport“der Forschung in Österreich und dem Zugang zu neuen Therapien aus. Über die Comprehensive Cancer Center (CCC) gelinge es, mit an die Region angepassten Versorgungskonzepten innovative Krebsmedizin flächendeckend anzubieten. Erfreulich: Die Zahl der einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen und der hauptverantwortlichen Autoren aus Österreich hat sich von 2021 auf 2022 merklich erhöht. Hilbe plädiert in diesem Zusammenhang für Investitionen, die die Basisinfrastruktur für Studien stärken.