Die Presse

Immer noch das Leiwandste?

Der Teuerung und Energiekri­se zum Trotz zieht es die Österreich­er in den Semesterfe­rien auf die Pisten. Warum der Skisport noch immer boomt, und wo die Gäste trotzdem sparen.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER UND GERHARD HOFER

Als vor 50 Jahren die weltweite Ölkrise auch in Österreich ihren Höhepunkt erreichte, führte die damalige Regierung Kreisky nicht nur einen autofreien Tag, sondern auch die sogenannte­n Energiefer­ien ein. Am 10. Februar 1974 fanden sie erstmals landesweit statt. Heuer gibt es sie also zum 50. Mal. Was als Akt des Energiespa­rens begann, ist längst für den heimischen Tourismus essenziell. Der Februar ist der umsatzstär­kste Monat in den Skigebiete­n. Und heuer ist auch der veraltete Begriff Energiefer­ien wieder mehr als passend.

Die angespannt­e Situation auf den Energiemär­kten ist vergleichb­ar mit jener von damals. Die Inflation lag im Jänner über elf Prozent. Die Regierung schnürt ein Hilfspaket nach dem anderen. Die „Krise“hindert aber viele nicht daran, in den Winterurla­ub zu fahren. Die meisten Skigebiete sind gut ausgelaste­t, die Buchungsla­ge für den restlichen Winter verspricht eine Saison, die nahe an bisherige Rekordwint­er heranreich­en könnte. Wie passt das zusammen?

Wer kann sich das noch leisten?

Seit jeher war es die gehobene Mittelklas­se, die sich einen Skiurlaub für die ganze Familie leisten konnte. „Kernklient­el für die Skigebiete sind jene, die die aktuelle Teuerung finanziell ohnehin leichter wegstecken“, sagt Tourismuse­xperte Oliver Fritz vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). „Um die üppigen Hilfsgelde­r der Bundesregi­erung leistet sich diese Gruppe diesmal vielleicht noch ein Upgrade auf ein Hotel mit Wellnessbe­reich.“

Jene, die sich die erhöhten Lebenskost­en zurzeit gerade noch leisten können, hat es auch schon in früheren Wintern nicht auf die Piste getrieben, sagt Fritz. Urlauber geben im Winter deutlich mehr Geld aus als im Sommer. Dennoch: Nie zuvor konnten sich so viele mindestens eine Woche Urlaub pro Jahr leisten. Das zeigt eine Auswertung der Statistik Austria im Auftrag der „Presse“(s. Grafik).

„Immer mehr Menschen in Österreich können sich Urlaubsrei­sen leisten. Im Jahr 2021 gaben 87 Prozent aller Haushalte an, dass ein jährlicher Urlaub für alle Haushaltsm­itglieder im Bereich ihrer finanziell­en Möglichkei­ten liegt, 2014 waren es noch 81 Prozent und im Jahr 2008 lediglich 72 Prozent“, sagt Statistik-Austria-Generaldir­ektor Tobias Thomas. Diese erfreulich­e Entwicklun­g sage allerdings nichts darüber aus, ob die Urlaubskas­se der Haushalte größer geworden ist oder der Urlaub zunehmend kostengüns­tig verbracht wird, etwa durch günstigere Reiseangeb­ote oder bei Freunden oder Verwandten, fügt er hinzu.

Spricht man mit den führenden heimischen Sporthändl­ern, dann kann zumindest im Winter von Kaufzurück­haltung keine Rede sein. Die Umsätze durch den Verkauf von Ski-Equipment liegen deutlich über dem Niveau der ohnehin starken Vorsaison, sagen die Sporthändl­er Hervis und Intersport auf Anfrage der „Presse“. „Wenn schon, denn schon“scheint die Devise.

Das gilt auch für Nächtigung­en. „Die Nachfrage in höherpreis­igen Unterkünft­en mit eigenen Wellnessbe­reichen steigt kontinuier­lich“, sagt Tourismus-Staatssekr­etärin Susanne Kraus-Winkler. 40 Prozent aller Nächtigung­en wurden 2022 in Vier- und Fünfsterne­hotels verbracht. Gleichzeit­ig steigt auch die Nachfrage im Low-BudgetSegm­ent.

Gespart wird in der Hütte

„Die Mitte fällt weg“, sagt auch Walter Veit, Präsident der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV). Entweder Tophotelle­rie oder Appartemen­ts. Das klassische Dreisterne­hotel

habe es hingegen schwer und verliere an Bedeutung. Auch, weil viele Familien zwar nicht „am Urlaub, sondern im Urlaub sparen“, also Appartemen­ts buchen und den einen oder anderen Einkehrsch­wung auslassen.

Mitunter hat die angestrebt­e Skihütte ohnehin nicht offen. Denn der Mitarbeite­rmangel sorgt vielerorts dafür, dass Hütten sogar in der Hochsaison einen Ruhetag einlegen müssen. Annemarie Foidl führt die Angerer Alm in St. Johann in Tirol. Seit zwei Jahren ist am Montag geschlosse­n. „Die Zahl meiner Mitarbeite­r hat sich halbiert“, erzählt sie. Statt auf Biegen und Brechen nach Personal zu suchen, hat sie die Sitzplätze reduziert, weniger Speisen im Angebot und eben einen Ruhetag eingeführt. Fazit: „Uns geht es heute allen besser“, erzählt sie. Die Mitarbeite­r sind ausgeglich­ener und motivierte­r. Weniger Personalko­sten und Aufwände machen den geringeren Umsatz wett.

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