Gefängnis für 40.000 „Terroristen“
Präsident Bukele führt einen schonungslosen Krieg gegen bewaffnete Banden. Nach 63.000 Festnahmen ließ der Populist nun eine gewaltige neue Haftanstalt errichten.
Buenos Aires/san salvador. Noch ist nicht klar, wann die ersten Insassen kommen werden. Aber sicher ist, dass es mehr werden als in allen Gefängnissen ganz Amerikas. 40.000 Insassen soll das „Gefangenenzentrum für Terrorismus“nahe der Ortschaft Tecoluca aufnehmen können, gab Nayib Bukele, der Präsident des mittelamerikanischen Staates El Salvador, via Videobotschaft bekannt. Ein Dutzend betonierter zweigeschossiger Pavillons, in drei Reihen hingeklotzt auf 23 Hektar und umgeben von einer 2,1 km langen Mauer, die mithilfe moderner Elektronik abgesichert sein soll und Tag und Nacht von 600 Soldaten und 250 Polizisten bewacht werden wird.
Die Zellen im Inneren liegen an breiten Korridoren und haben kaum feste Wände, sondern vor allem Gitter. Raubtierkäfige sind das, gebaut, damit „die schlimmsten Verbrecher unseres Landes die Strafe für die begangenen Gräueltaten
zahlen werden“, ließ die Regierung verlauten.
Gemeint sind damit jene mittlerweile 63.000 Personen, die festgenommen wurden, seitdem Präsident Bukele den „Krieg gegen den Terrorismus“ausgerufen hat. Nachdem im März 2022 in Kämpfen zwischen den zwei größten Verbrecherbanden „Barrio 18“und „Mara salvatrucha“87 Menschen umgekommen waren, verhängte der von Bukele dominierte Kongress einen Ausnahmezustand, der danach Monat für Monat verlängert wurde.
Massenverhaftungen
Seither riegeln Polizei und Militär Barrios und ganze Städte ab und nehmen alle fest, die sie für Mitglieder jener Banden halten, die seit Jahrzehnten Gewerbetreibenden Schutzgeld abpressen, mit Drogen handeln und junge Frauen verschleppen. Weil die Altersgrenze für Strafmündigkeit auf zwölf Jahre gesenkt wurde, nahmen die Uniformierten auch serienweise Burschen fest. Die Massenverhaftungen
sprengten die Kapazitäten des maroden Gefängnissystems, was die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch kürzlich massiv kritisierte.
Der HRW-Bericht beklagt extreme Überbelegung, Verstöße gegen ein ordnungsgemäßes Verfahren, fehlende Sicherheitsvorkehrungen, Massenverhaftungen sowie 175 Todesfälle seit Beginn des Ausnahmezustands. „Tausende Menschen, darunter Hunderte Minderjährige, wurden inhaftiert und strafrechtlich verfolgt, nachdem die Auslegung der ihnen vorgeworfenen Straftaten massiv modifiziert worden war.“Dabei seien grundlegende Verfahrensgarantien außer Acht gelassen und die Aussichten auf Gerechtigkeit für die Opfer von Bandengewalt untergraben worden, so die Menschenrechtsgruppe.
Höchste Haftrate weltweit
Mehr als 90.000 Personen haben die Behörden nun in Haftanstalten gezwängt, die maximal 35.000 Straftäter menschengerecht aufnehmen können. Mehr als ein Prozent der volljährigen Bevölkerung sitzt heute hinter Gittern, das ist die höchste Haftrate der Welt.
Noch vor wenigen Jahren galt das Sechs-Millionen-Land in Zentralamerika als gefährlichster Staat des Planeten. 2015 starben dort mehr als 6600 Bürger eines gewaltsamen Todes. Im Vorjahr ist die Zahl der Tötungsdelikte auf 600 gefallen, was den Präsidenten Bukele nun zu der Behauptung veranlasst hat, El Salvador sei heute der „sicherste Staat Amerikas“.
„Wie haben wir das erreicht?“, fragte der 41-Jährige auf Twitter, seinem bevorzugten Kommunikationskanal. Und antwortete selbst: „Indem wir Kriminelle ins Gefängnis stecken. Ist da noch Platz? Jetzt haben wir Platz! Werden die Verbrecher aus dem Gefängnis wieder Straftaten anordnen? Nein! Werden sie flüchten können? Nein!“Die Durchsage schließt mit der Behauptung, das Megagefängnis sei „ein Werk des gesunden Menschenverstands“.
„Coolster Präsident der Welt“
Bukele weiß natürlich um seine Wirkung auch jenseits der Landesgrenzen. Während Nordamerika und Europa Bukeles autoritäre Avancen mit Skepsis beobachten, verfolgen Regierungen in den Nachbarstaaten das Experiment. Auch Honduras und Guatemala werden von Maras, kriminellen Banden, terrorisiert.
Dabei dürften die Amtskollegen die Zustimmungsraten des Salvadorianers vermerken. Und die sind extrem hoch. Der 41-Jährige, der sich als „coolster Präsident der Welt“stilisiert, erzielt in Umfragen mehr als 80 Prozent Zustimmung. Aber das kann sich ändern. Schon mehren sich Berichte, dass die dunklen Geschäfte der Maras jetzt andere ausüben. Und diese tragen Uniform.