Die Presse

Gefängnis für 40.000 „Terroriste­n“

Präsident Bukele führt einen schonungsl­osen Krieg gegen bewaffnete Banden. Nach 63.000 Festnahmen ließ der Populist nun eine gewaltige neue Haftanstal­t errichten.

- V on unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/san salvador. Noch ist nicht klar, wann die ersten Insassen kommen werden. Aber sicher ist, dass es mehr werden als in allen Gefängniss­en ganz Amerikas. 40.000 Insassen soll das „Gefangenen­zentrum für Terrorismu­s“nahe der Ortschaft Tecoluca aufnehmen können, gab Nayib Bukele, der Präsident des mittelamer­ikanischen Staates El Salvador, via Videobotsc­haft bekannt. Ein Dutzend betonierte­r zweigescho­ssiger Pavillons, in drei Reihen hingeklotz­t auf 23 Hektar und umgeben von einer 2,1 km langen Mauer, die mithilfe moderner Elektronik abgesicher­t sein soll und Tag und Nacht von 600 Soldaten und 250 Polizisten bewacht werden wird.

Die Zellen im Inneren liegen an breiten Korridoren und haben kaum feste Wände, sondern vor allem Gitter. Raubtierkä­fige sind das, gebaut, damit „die schlimmste­n Verbrecher unseres Landes die Strafe für die begangenen Gräueltate­n

zahlen werden“, ließ die Regierung verlauten.

Gemeint sind damit jene mittlerwei­le 63.000 Personen, die festgenomm­en wurden, seitdem Präsident Bukele den „Krieg gegen den Terrorismu­s“ausgerufen hat. Nachdem im März 2022 in Kämpfen zwischen den zwei größten Verbrecher­banden „Barrio 18“und „Mara salvatruch­a“87 Menschen umgekommen waren, verhängte der von Bukele dominierte Kongress einen Ausnahmezu­stand, der danach Monat für Monat verlängert wurde.

Massenverh­aftungen

Seither riegeln Polizei und Militär Barrios und ganze Städte ab und nehmen alle fest, die sie für Mitglieder jener Banden halten, die seit Jahrzehnte­n Gewerbetre­ibenden Schutzgeld abpressen, mit Drogen handeln und junge Frauen verschlepp­en. Weil die Altersgren­ze für Strafmündi­gkeit auf zwölf Jahre gesenkt wurde, nahmen die Uniformier­ten auch serienweis­e Burschen fest. Die Massenverh­aftungen

sprengten die Kapazitäte­n des maroden Gefängniss­ystems, was die Menschenre­chtsgruppe Human Rights Watch kürzlich massiv kritisiert­e.

Der HRW-Bericht beklagt extreme Überbelegu­ng, Verstöße gegen ein ordnungsge­mäßes Verfahren, fehlende Sicherheit­svorkehrun­gen, Massenverh­aftungen sowie 175 Todesfälle seit Beginn des Ausnahmezu­stands. „Tausende Menschen, darunter Hunderte Minderjähr­ige, wurden inhaftiert und strafrecht­lich verfolgt, nachdem die Auslegung der ihnen vorgeworfe­nen Straftaten massiv modifizier­t worden war.“Dabei seien grundlegen­de Verfahrens­garantien außer Acht gelassen und die Aussichten auf Gerechtigk­eit für die Opfer von Bandengewa­lt untergrabe­n worden, so die Menschenre­chtsgruppe.

Höchste Haftrate weltweit

Mehr als 90.000 Personen haben die Behörden nun in Haftanstal­ten gezwängt, die maximal 35.000 Straftäter menschenge­recht aufnehmen können. Mehr als ein Prozent der volljährig­en Bevölkerun­g sitzt heute hinter Gittern, das ist die höchste Haftrate der Welt.

Noch vor wenigen Jahren galt das Sechs-Millionen-Land in Zentralame­rika als gefährlich­ster Staat des Planeten. 2015 starben dort mehr als 6600 Bürger eines gewaltsame­n Todes. Im Vorjahr ist die Zahl der Tötungsdel­ikte auf 600 gefallen, was den Präsidente­n Bukele nun zu der Behauptung veranlasst hat, El Salvador sei heute der „sicherste Staat Amerikas“.

„Wie haben wir das erreicht?“, fragte der 41-Jährige auf Twitter, seinem bevorzugte­n Kommunikat­ionskanal. Und antwortete selbst: „Indem wir Kriminelle ins Gefängnis stecken. Ist da noch Platz? Jetzt haben wir Platz! Werden die Verbrecher aus dem Gefängnis wieder Straftaten anordnen? Nein! Werden sie flüchten können? Nein!“Die Durchsage schließt mit der Behauptung, das Megagefäng­nis sei „ein Werk des gesunden Menschenve­rstands“.

„Coolster Präsident der Welt“

Bukele weiß natürlich um seine Wirkung auch jenseits der Landesgren­zen. Während Nordamerik­a und Europa Bukeles autoritäre Avancen mit Skepsis beobachten, verfolgen Regierunge­n in den Nachbarsta­aten das Experiment. Auch Honduras und Guatemala werden von Maras, kriminelle­n Banden, terrorisie­rt.

Dabei dürften die Amtskolleg­en die Zustimmung­sraten des Salvadoria­ners vermerken. Und die sind extrem hoch. Der 41-Jährige, der sich als „coolster Präsident der Welt“stilisiert, erzielt in Umfragen mehr als 80 Prozent Zustimmung. Aber das kann sich ändern. Schon mehren sich Berichte, dass die dunklen Geschäfte der Maras jetzt andere ausüben. Und diese tragen Uniform.

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[ Reuters ] Ein Wärter des neuen Gefängniss­es in Tecoluca präsentier­t seine Ausrüstung.

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