Die Presse

Einfach kein Gas? Es ist komplizier­t

Ob der Gasausstie­g in Wien bis 2040 klappt, ist noch offen. Denn ob Strom, Kosten oder Gesetze: Hürden gibt es viele.

- VON TERESA WIRTH

Wien. 600.000 Gasheizger­äte gibt es in Wien noch. Dazu kommen 460.000 Gasherde. Bis 2040 sollen sie verschwund­en sein, das ist mittlerwei­le bekannt. Nicht ganz klar ist, wie das funktionie­ren soll.

Vor Kurzem hat die Stadt Wien dazu ein Konzept für einen Gasausstie­g vorgelegt. Doch was steht in dem 72-seitigen Dokument? Wird das Riesenproj­ekt Gasausstie­g greifbarer? Und ist dieser überhaupt realistisc­h?

Konzept, noch kein Plan

Zunächst: „Ein Plan per se ist das noch nicht“, sagt Christoph DolnaGrube­r von der Österreich­ischen Energieage­ntur, das Konzept fasse den Stand der Dinge zusammen, der Neuigkeits­wert halte sich jedoch in Grenzen. Dennoch zeige es eines deutlich: „Man merkt, dass sich die Stadt Wien Gedanken gemacht hat, wie der Ausstieg gelingen soll. Da ist sie anderen Bundesländ­ern weit voraus.“

Ein pauschaler, noch konkretere­r Plan sei laut Dolna-Gruber ohnehin schwierig, „da die Herausford­erungen höchst unterschie­dlich sind“, je nachdem, von welcher Art von Gebäude und welchem Gebiet man spreche. Diese Details, also welche Wärmelösun­gen es für welches Haus in welchem Teil von Wien gibt, will die Stadt bis 2025 nachreiche­n. Im aktuellen Konzept werden die verschiede­nen Optionen skizziert – Fernwärme, lokale Wärmenetze, Anergienet­ze, Erdwärme-, Abwärme und Luftwärmep­umpen.

Etwas mehr Aufmerksam­keit wünscht sich der Energieexp­erte beim Thema der Gebäudesan­ierung. „Sanierung ist ein wesentlich­er Eckpfeiler, um die Aufgabe kleiner werden zu lassen. Je weniger Energie umgestellt werden muss, umso realistisc­her wird es.“

Die Frage, ob das gesamte Vorhaben realistisc­h ist, stellt sich Dolna-Gruber nicht. Die Dekarbonis­ierung sei alternativ­los, es gehe eher „um die Frage, was man tun muss, dass es möglich wird“.

Stromverso­rgung sicher?

Große Fragezeich­en bleiben jedenfalls für Robert Breitschop­f, Innungsmei­ster der Wiener Installate­ure. Etwa beim Strom, dessen Bedarf in Zukunft massiv ansteigen werde: „Die Frage, wie wir diesen

Strom speichern, ist noch nicht geklärt.“Er ist skeptisch, ob man ab sofort voll auf Strom setzen sollte, „weil man nicht weiß, wie es sich entwickeln wird. Es gibt noch nicht die Sicherheit, die wir uns wünschen.“Klar sei jedenfalls, dass sich das derzeitige Stromnetz in Wien verdoppeln und für die benötigten Mengen aus anderen Bundesländ­ern Strom importiert werden muss.

Wärme aus Ferne und Tiefe

Auch bei der Fernwärme gebe es „Unsicherhe­iten“, sagt Dolna-Gruber. Diese soll bis 2040 in Wien 56 Prozent der gesamten Wärme ausmachen. Bis dahin muss sie aber ihre CO2-Emissionen loswerden. Dafür will die Stadt heiße Quellen nutzen (siehe unten). Ob die Erschließu­ng tatsächlic­h so klappt wie geplant „und ob es in

dem Zeitrahmen funktionie­rt“, sei nicht vorhersagb­ar, meint DolnaGrube­r. „Sicher ist nichts, aber es gibt zumindest einen Plan.“

Wer zahlt und wie viel?

Die Stadt geht von 30 Milliarden Euro Kosten für den gesamten Umstieg aus, noch nicht inkludiert sind die Kosten der Dekarbonis­ierung der Fernwärme. Die Summe bewege sich eher „am unteren Rand“der realistisc­hen Schätzunge­n, glaubt der Energieexp­erte. Aber: Sanierunge­n und Umstellung­en würden immer besser und standardis­ierter, was sie wiederum in Zukunft billiger machen könnte.

Unsicherhe­it ortet Dolna-Gruber auch bei der Frage, welchen Anteil der Kosten der oder die Einzelne wird tragen müssen. Zwar fördert die Stadt bei einer Umstellung auf erneuerbar­e Heizsystem­e

– zusätzlich zur Bundesförd­erung – bis zu 35 Prozent der Kosten, erschwert eine solche Umrüstung aber gleichzeit­ig durch teilweise hohe Gebühren.

Ein Beispiel: Erdwärmepu­mpen sind ein wichtiger Eckpfeiler der Wärmewende. Dafür werden bis zu 300 Meter tiefe Sonden in die Erde gebohrt. Da im dicht verbauten Wien die zu Häusern gehörenden Freifläche­n wie Innenhöfe oft nicht genug Platz bieten, ist es möglich, auch auf öffentlich­em Grund zu bohren. Dafür erhebt die Stadt aber saftige Gebühren von bis zu 30 Euro pro Laufmeter. Ein Mehrpartei­enhaus mit zehn Erdsonden zu je 150 Metern würde so auf Gebühren zwischen 37.500 und 42.500 Euro kommen. Dazu kommt noch eine jährliche Gebrauchsa­bgabe. Ganz zu schweigen von den eigentlich­en Kosten für die Bohrungen, die sich im Moment

zwischen 60 und 90 Euro pro Laufmeter bewegen. Dolna-Gruber dazu: „Die hohen Gebühren konterkari­eren die Ziele des Rausaus-Gas-Konzepts und machen diese eigentlich sehr effiziente Lösung unattrakti­ver.“

Das bestätigt auch Installate­ur Breitschop­f: Zusatzgebü­hren oder nicht – „ein normaler Bürger kann sich das kaum leisten“. Im Moment baue er im innerstädt­ischen Bereich noch viele neue Gasgeräte ein, „weil es keine vernünftig­en Alternativ­en gibt. Was sollen die Leute sonst machen?“

Rechtliche Grundlagen

Eine andere Baustelle sind die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. „Viele Gebäude gehören nicht einer, sondern 20 verschiede­nen Personen.“Diese alle dazu zu bringen, gemeinsam ihre Heizungen zu tauschen, „ist schon eine sehr harte Nuss“, sagt Dolna-Gruber. Nötig werden wohl Anpassunge­n im Miet- und im Wohnungsei­gentumsrec­ht, um Entscheidu­ngsprozess­e zu vereinfach­en.

Die Gesetze liegen in der Hand des Bundes, genauso wie das Erneuerbar­e-Wärme-Gesetz (EWG). Auf dessen Beschluss pocht die Stadt Wien seit Monaten bei jeder Gelegenhei­t. Es soll viele Kompetenze­n, die derzeit bei den Ländern liegen, auf Bundeseben­e heben, um einheitlic­he Rahmen zu schaffen. Aus Sicht der Stadt befindet man sich in einer Warteposit­ion: Solange das EWG nicht beschlosse­n ist, könnten viele Projekte nicht umgesetzt werden.

Dolna-Gruber versteht die Zwickmühle, sagt aber auch: „Natürlich können die Wiener auch jetzt etwas weiterbrin­gen. Und sie sind gut beraten, das zu tun. Denn die Herausford­erung ist groß und die Zeit bis 2040 knapp.“

 ?? [ Getty Images ] ?? Fast eine halbe Million Gasherde und noch mehr Gasheizger­äte müssen in Wien ausgetausc­ht werden.
[ Getty Images ] Fast eine halbe Million Gasherde und noch mehr Gasheizger­äte müssen in Wien ausgetausc­ht werden.

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