Steinhoff-Aktionäre m Üssen zittern
Die einstige Kika/LeinerMutter versank 2017 in einem Bilanzskandal. Aktionäre könnten jetzt ein weiteres Mal draufzahlen.
Um Steinhoff, den nach Ikea kurzzeitig zweitgrößten Möbelhändler der Welt, ist es ruhig geworden. Dabei ist es noch gar nicht lang her, dass die ehemalige Kika/ Leiner-Mutter in einen massiven Bilanzskandal schlitterte. Aktionären des südafrikanischen Konzerns mit deutschen Wurzeln droht nun neues Ungemach.
Zur Vorgeschichte: Im Dezember 2017 stellte die Prüfungsgesellschaft Deloitte gröbere Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen des Konzerns fest und verweigerte das Testat. Der damalige SteinhoffCEO Markus Jooste verschickte daraufhin an Kollegen ein E-Mail, in dem er zugab, „ein paar große Fehler begangen und vielen unschuldigen Menschen finanzielle Verluste zugefügt“zu haben. Es sei für ihn Zeit, „weiterzuziehen“. Danach tauchte er ab.
In den folgenden Tagen krachte die Steinhoff-Aktie um über 90 Prozent nach unten. Das damals auf 20 Milliarden Euro bewertete Unternehmen wurde fast zum Totalausfall für seine Anleger.
Rasanter Aufstieg, tiefer Fall
In den Jahren davor ist der Möbelhändler durch Beteiligungen und spektakuläre Aufkäufe von Konkurrenten in rasantem Tempo gewachsen. Erst ein Disput mit Joostes langjährigem Geschäftsfreund Andreas Seifert, Miteigentümer der österreichischen Möbelkette XXXLutz, brachte das Lügengebäude 2017 langsam zum Einsturz.
Über scheinbar unabhängige Firmengründungen soll die Steinhoff-Chefetage ihre Vermögensposten künstlich aufgeblasen haben. Markenrechte, Konsumkredite und Grundstücke wurden zu völlig überhöhten Preisen hin und her geschoben. „In vielen Fällen wurden Dokumente und professionelle Kommentare nachträglich geschrieben und zurückdatiert“, notieren die Prüfer.
Es folgten mehrere Sammelklagen, denen Steinhoff mit Vergleichsangeboten
in Milliardenhöhe entgegentrat. Der Konzern versucht seither, das Geschäft mit einer umfassenden Sanierung der Bilanz wieder auf solide Beine zu stellen. Beteiligungen an den Poco-Möbelmärkten in Deutschland, der französischen Möbelkette Conforama sowie den österreichischen Kika/Leiner-Möbelhäusern wurden verkauft. Letztere schnappte sich René Benkos Signa-Gruppe im Zuge eines Notverkaufs um eine kolportierte halbe Milliarde Euro. Der Börsengang der Billigwaren-Tochter Pepco soll Steinhoff im Mai 2021 zusätzliche 900 Millionen Euro eingebracht haben. Die Gläubiger waren aber längst noch nicht befriedigt.
Inmitten des langwierigen Restrukturierungsprozesses könnte für die Anleger nun die nächste große Verlustwelle folgen. Mitte Dezember präsentierte das Unternehmen ein überarbeitetes Sanierungskonzept, demzufolge vor allem Aktionäre Zugeständnisse machen sollten. Anleger waren von dem 180-Grad-Strategiewechsel des Unternehmens überrascht. Demzufolge soll der Anteil der Aktionäre am Unternehmen drastisch reduziert werden. Im Gegenzug seien die Gläubiger bereit, die Kredite über knapp zehn Milliarden Euro um drei Jahre bis Juni 2026 zu verlängern.
Den Markt versetzte der Kurswechsel Mitte Dezember einmal mehr in Aufruhr. Binnen eines Tages brach die Aktie um über 70 Prozent ein. Im Gegensatz zu den Aktionären sollen die Gläubiger kaum finanzielle Abstriche machen müssen, kritisiert Marc Liebscher von der deutschen Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn der aktuelle Sanierungsplan so durchgeht, würden allein die Aktionäre ihren Sanierungsbeitrag leisten.“
Außerdem fehle dem aktuellen Sanierungskonzept jegliche nachvollziehbare Berechnungsgrundlage. Auf Basis der zugänglichen Zahlen der Steinhoff-Holding würden die Aktionäre „jedenfalls über den Tisch gezogen“, so Liebscher. Er verweist auf mehrere hochprofitable Unternehmensbeteiligungen im Retailbereich. Allein bei den Beteiligungen an börsenotierten Firmen wie Pepkor und der in Österreich expandierenden Pepco Group beläuft sich der Gesamtwert der Anteile auf rund 6,3 Mrd. Euro.
Dazu kommt eine 50-prozentige Beteiligung am US-MatratzenBranchenführer Mattress Firm, dessen Unternehmenswert SdK auf 6,7 Mrd. US-Dollar schätzt. Der ursprünglich für das erste Quartal 2023 geplante Börsengang des Unternehmens wurde kurzerhand abgesagt. Für Liebscher ein Indiz, dass Steinhoff versuche, eine objektive Bewertung seiner US-Tochter zu verhindern und somit den wahren Gesamtwert der SteinhoffBeteiligungen zu verschleiern. Bei Steinhoff wollte man die Vorwürfe auf Nachfrage der „Presse“nicht kommentieren.
Möglicher „Totalverlust“
Eigentlich wollte der Steinhoff-Vorstand auf der Hauptversammlung Mitte März über seine bislang nur vage formulierten Sanierungspläne abstimmen lassen. Sogar ein Delisting der Steinhoff-Aktie steht im Raum. Am Donnerstag verlautbarte der Konzern jedoch, die Hauptversammlung verschieben zu müssen. Liebscher rät verunsicherten Aktionären, ihr Mitspracherecht zu bündeln, indem sie die SdK bevollmächtigen, gegen die Pläne zu stimmen. Bisher seien dem Aufruf Aktionäre mit mehr als 20 Prozent Stimmenanteil gefolgt, darunter auch rund 200 aus Österreich.
Der gebündelte Widerstand gegen die Sanierungsvorschläge würden nicht automatisch zu besseren Konditionen für die Aktionäre führen, erinnert SdK. Ein solches Veto könne auch „zur Insolvenz der Gesellschaft führen, was potenziell zum Totalverlust führen kann“. Für viele Investoren fühlt sich ihr Engagement bei Steinhoff ohnehin längst wie ein Totalausfall an.