Die Presse

Steinhoff-Aktionäre m Üssen zittern

Die einstige Kika/LeinerMutt­er versank 2017 in einem Bilanzskan­dal. Aktionäre könnten jetzt ein weiteres Mal draufzahle­n.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Um Steinhoff, den nach Ikea kurzzeitig zweitgrößt­en Möbelhändl­er der Welt, ist es ruhig geworden. Dabei ist es noch gar nicht lang her, dass die ehemalige Kika/ Leiner-Mutter in einen massiven Bilanzskan­dal schlittert­e. Aktionären des südafrikan­ischen Konzerns mit deutschen Wurzeln droht nun neues Ungemach.

Zur Vorgeschic­hte: Im Dezember 2017 stellte die Prüfungsge­sellschaft Deloitte gröbere Unregelmäß­igkeiten in den Bilanzen des Konzerns fest und verweigert­e das Testat. Der damalige SteinhoffC­EO Markus Jooste verschickt­e daraufhin an Kollegen ein E-Mail, in dem er zugab, „ein paar große Fehler begangen und vielen unschuldig­en Menschen finanziell­e Verluste zugefügt“zu haben. Es sei für ihn Zeit, „weiterzuzi­ehen“. Danach tauchte er ab.

In den folgenden Tagen krachte die Steinhoff-Aktie um über 90 Prozent nach unten. Das damals auf 20 Milliarden Euro bewertete Unternehme­n wurde fast zum Totalausfa­ll für seine Anleger.

Rasanter Aufstieg, tiefer Fall

In den Jahren davor ist der Möbelhändl­er durch Beteiligun­gen und spektakulä­re Aufkäufe von Konkurrent­en in rasantem Tempo gewachsen. Erst ein Disput mit Joostes langjährig­em Geschäftsf­reund Andreas Seifert, Miteigentü­mer der österreich­ischen Möbelkette XXXLutz, brachte das Lügengebäu­de 2017 langsam zum Einsturz.

Über scheinbar unabhängig­e Firmengrün­dungen soll die Steinhoff-Chefetage ihre Vermögensp­osten künstlich aufgeblase­n haben. Markenrech­te, Konsumkred­ite und Grundstück­e wurden zu völlig überhöhten Preisen hin und her geschoben. „In vielen Fällen wurden Dokumente und profession­elle Kommentare nachträgli­ch geschriebe­n und zurückdati­ert“, notieren die Prüfer.

Es folgten mehrere Sammelklag­en, denen Steinhoff mit Vergleichs­angeboten

in Milliarden­höhe entgegentr­at. Der Konzern versucht seither, das Geschäft mit einer umfassende­n Sanierung der Bilanz wieder auf solide Beine zu stellen. Beteiligun­gen an den Poco-Möbelmärkt­en in Deutschlan­d, der französisc­hen Möbelkette Conforama sowie den österreich­ischen Kika/Leiner-Möbelhäuse­rn wurden verkauft. Letztere schnappte sich René Benkos Signa-Gruppe im Zuge eines Notverkauf­s um eine kolportier­te halbe Milliarde Euro. Der Börsengang der Billigware­n-Tochter Pepco soll Steinhoff im Mai 2021 zusätzlich­e 900 Millionen Euro eingebrach­t haben. Die Gläubiger waren aber längst noch nicht befriedigt.

Inmitten des langwierig­en Restruktur­ierungspro­zesses könnte für die Anleger nun die nächste große Verlustwel­le folgen. Mitte Dezember präsentier­te das Unternehme­n ein überarbeit­etes Sanierungs­konzept, demzufolge vor allem Aktionäre Zugeständn­isse machen sollten. Anleger waren von dem 180-Grad-Strategiew­echsel des Unternehme­ns überrascht. Demzufolge soll der Anteil der Aktionäre am Unternehme­n drastisch reduziert werden. Im Gegenzug seien die Gläubiger bereit, die Kredite über knapp zehn Milliarden Euro um drei Jahre bis Juni 2026 zu verlängern.

Den Markt versetzte der Kurswechse­l Mitte Dezember einmal mehr in Aufruhr. Binnen eines Tages brach die Aktie um über 70 Prozent ein. Im Gegensatz zu den Aktionären sollen die Gläubiger kaum finanziell­e Abstriche machen müssen, kritisiert Marc Liebscher von der deutschen Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SdK) im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn der aktuelle Sanierungs­plan so durchgeht, würden allein die Aktionäre ihren Sanierungs­beitrag leisten.“

Außerdem fehle dem aktuellen Sanierungs­konzept jegliche nachvollzi­ehbare Berechnung­sgrundlage. Auf Basis der zugänglich­en Zahlen der Steinhoff-Holding würden die Aktionäre „jedenfalls über den Tisch gezogen“, so Liebscher. Er verweist auf mehrere hochprofit­able Unternehme­nsbeteilig­ungen im Retailbere­ich. Allein bei den Beteiligun­gen an börsenotie­rten Firmen wie Pepkor und der in Österreich expandiere­nden Pepco Group beläuft sich der Gesamtwert der Anteile auf rund 6,3 Mrd. Euro.

Dazu kommt eine 50-prozentige Beteiligun­g am US-MatratzenB­ranchenfüh­rer Mattress Firm, dessen Unternehme­nswert SdK auf 6,7 Mrd. US-Dollar schätzt. Der ursprüngli­ch für das erste Quartal 2023 geplante Börsengang des Unternehme­ns wurde kurzerhand abgesagt. Für Liebscher ein Indiz, dass Steinhoff versuche, eine objektive Bewertung seiner US-Tochter zu verhindern und somit den wahren Gesamtwert der SteinhoffB­eteiligung­en zu verschleie­rn. Bei Steinhoff wollte man die Vorwürfe auf Nachfrage der „Presse“nicht kommentier­en.

Möglicher „Totalverlu­st“

Eigentlich wollte der Steinhoff-Vorstand auf der Hauptversa­mmlung Mitte März über seine bislang nur vage formuliert­en Sanierungs­pläne abstimmen lassen. Sogar ein Delisting der Steinhoff-Aktie steht im Raum. Am Donnerstag verlautbar­te der Konzern jedoch, die Hauptversa­mmlung verschiebe­n zu müssen. Liebscher rät verunsiche­rten Aktionären, ihr Mitsprache­recht zu bündeln, indem sie die SdK bevollmäch­tigen, gegen die Pläne zu stimmen. Bisher seien dem Aufruf Aktionäre mit mehr als 20 Prozent Stimmenant­eil gefolgt, darunter auch rund 200 aus Österreich.

Der gebündelte Widerstand gegen die Sanierungs­vorschläge würden nicht automatisc­h zu besseren Konditione­n für die Aktionäre führen, erinnert SdK. Ein solches Veto könne auch „zur Insolvenz der Gesellscha­ft führen, was potenziell zum Totalverlu­st führen kann“. Für viele Investoren fühlt sich ihr Engagement bei Steinhoff ohnehin längst wie ein Totalausfa­ll an.

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Im Zuge seiner Restruktur­ierung verkaufte Steinhoff 20
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[ Reuters ]

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