Die Presse

Haag: „Ich stehe nicht mehr zur Verfügung“

Die Krisenjahr­e haben ihr alles abverlangt, sagt KHM-Generaldir­ektorin Sabine Haag. Sie wird sich nicht mehr bewerben. Über die „ruhigen Wasser“, in die sie das Haus führte. Und die Rückgabe der Benin-Objekte.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Die Presse: Wir haben die Vermutung, dass Sie sich nicht wieder bewerben, in der „Presse“bereits geäußert. Angeblich hat Ihnen Staatssekr­etärin Andrea Mayer signalisie­rt, dass sie neue Weichen stellen möchte. Stimmt das?

Sabine Haag: Ich habe aus freien Stück schon voriges Jahr beschlosse­n, ab 1. 1. 2025 nicht mehr für eine weitere Funktionsp­eriode zur Verfügung zu stehen. Ich werde dann 16 Jahre lang an der Spitze des KHMVerband­s gestanden und viel bewirkt haben. In den vergangene­n Wochen gab es sehr wohl Gespräche mit der Staatssekr­etärin, in denen es allerdings eher um Dinge wie den Zeitpunkt der Ausschreib­ung ging.

Was war der Grund Ihrer Entscheidu­ng?

Sie erinnern sich an das doch sehr unrund gelaufene „italienisc­he Intermezzo“, nach dem ich im Herbst 2019 gebeten wurde, mich noch für eine Funktionsp­eriode zu bewerben, um aus dieser ganz, ganz schwierige­n Situation durch die plötzliche Absage des designiert­en Generaldir­ektors des Museumsver­bands (Anm. Eike Schmidt) das Museum in ruhigere Gewässer zu führen. Das habe ich damals mit großer Überzeugun­g und Leidenscha­ft gemacht, verhehle aber auch nicht, dass mir das auch alles abverlangt hat, kamen wenige Wochen später doch noch andere Krisen dazu, Corona, die Energiekri­se und so weiter.

Weil Sie „ruhigere Gewässer“erwähnten: Vielen erschienen diese im KHM zuletzt als zu ruhig.

Diese Auffassung teile ich nicht. Das hat nicht im Auge, was diese multiplen Krisen für den KHM-Verband bedeutet haben. Corona hat uns auf unserem Erfolgskur­s erwischt, worauf wir einen Mehrstufen­plan entwickelt haben, um dann in einigen Jahren wieder in voller auch wirtschaft­licher Kraft dastehen zu können. Es wäre absolut unzumutbar gewesen, hier irgendwelc­he windigen Projekte zu entwickeln.

Mit „ruhiger“meinte ich das im Vergleich zu Häusern wie der Albertina deutlich kleinere Sonderauss­tellungspr­ogramm. Die Albertina etwa hat heuer im Haupthaus zwölf größere Ausstellun­gen angekündig­t, Sie vier größere, die zwei EinBildbzw. die Vitrinen-Ausstellun­gen nicht mitgerechn­et.

Diesen Eindruck würde ich sehr gern korrigiere­n. Erstens sind wir ein Haus mit acht Standorten.

Ich habe die Haupthäuse­r verglichen.

Wir müssen trotzdem darauf achten, dass unser Gesamtbudg­et auf alle acht Standorte sinnvoll aufgeteilt wird. Das ist etwas anderes als ein Museum mit zwei Standorten. Wir machen im Haupthaus jedes Jahr zwei große Ausstellun­gen und daneben mehrere kleinere, die wir – und dazu stehe ich – nicht mit demselben Werbeetat bewerben können.

Mir ging es nicht um die Aufteilung des Werbeetats, sondern um die Dichte der Programmie­rung an sich.

Wir machen über den Verband gesehen pro Jahr etwa 20 Ausstellun­gen. Das ist ein ganz starkes Lebenszeic­hen, würde ich sagen. Es macht aber einen Unterschie­d – und damit möchte ich wirklich niemandem etwas ausrichten –, ob man sich als Ausstellun­gsmaschine oder Sonderauss­tellungsha­us definiert oder nicht. Wir haben ständige Schausamml­ungen, die allein für ein Publikum attraktiv genug sind. Und ich kann Ihnen berichten, wir liegen im Jänner 2023, wo die große Ausstellun­g „Idole und Rivalen“nur die ersten acht Tage zu sehen war, 30 Prozent über Budget. Das heißt, dass offensicht­lich auch die Sammlungen per se interessan­t sind. Das heißt, dass die Touristen wieder zurück sind, die zu einem großen

Prozentsat­z nicht wegen der Sonderauss­tellungen kommen.

Und wie sieht es mit Ankäufen für diese Sammlungen aus?

Schlecht. Es ist ein vielfach von mir geäußerter langjährig­er Wunsch, dass es ein nationales Ankaufsbud­get, einen nationalen Ankaufsfon­ds oder was auch immer gibt, auf den alle staatliche­n Kulturinst­itutionen zurückgrei­fen könnten. Aus unserem operativen Budget können wir derzeit nur ein relativ schmales Budget für Ankäufe binden.

Ich spreche erst gar nicht von England, wo es auch Altmeister­museen immer wieder gelingt, spektakulä­re Ankäufe zu tätigen, dort herrscht eine andere Tradition. Aber auch hierzuland­e schaffen es Museen, sich kapitale Werke als Schenkunge­n oder durch Freundesve­reine zu sichern.

Natürlich sind private Zuwendunge­n Möglichkei­ten, Ankäufe zu finanziere­n. Aus diesem Grund haben wir ein neues Membership-Programm geschaffen. Das wird uns hoffentlic­h einiges möglich machen.

Ist das nicht ziemlich spät?

Wir hatten bisher den Verein der Freunde des KHM, der uns gelegentli­ch bei Ankäufen geholfen hat. Aber es galt hier auch, die Leistungen zwischen Verein und KHM in eine richtige Relation zubringen. Mit dem neuen Membership-Programm machen wir das jetzt tatsächlic­h. Wir konnten auch schon einige kleinere Ankäufe mit diesem neuen Programm machen, wir haben bereits um die 400 „Ambassador­s“.

Albertina-Direktor Schröder durfte sich zuletzt über eine temporäre Erhöhung der Basisabgel­tung von rund drei Millionen Euro im Jahr freuen. Haben Sie für das KHM ebenfalls etwas erreichen können?

Die Staatssekr­etärin hat ausgezeich­net mit dem Finanzmini­ster verhandelt, und so war es möglich, für die einzelnen Häuser individuel­l Erhöhungen zu erwirken. Der KHMMuseums­verband hat – wie alle anderen temporär – eine Erhöhung bekommen, in unserem Fall für heuer und nächstes Jahr je 1,3 Mio. Euro. Das ist absolut notwendig. An einer dauerhafte­n Erhöhung der Basisabgel­tung für den KHM-Museumsver­band kommen wir dennoch nicht vorbei.

Wie sieht es mit den Projekten aus, deren Durchsetzu­ng Sie 2017 angekündig­t haben? Den Eingangsbe­reich fit zu machen etwa, die Sekundärga­lerie im zweiten Stock wiederzuer­öffnen und die Schatzkamm­er neu aufzustell­en? Davon war nichts mehr zu hören.

Das mag vielleicht von außen so scheinen. Wir haben die Zeit seit 2017 dafür genutzt, für alle Standorte Machbarkei­tsstudien in einzelnen Modulen und Strategiek­onzepte zu entwickeln, auch in Absprache mit unserem Zwillingsb­au, dem Naturhisto­rischen Museum. Wir sind startklar und verhandeln hinter den Kulissen über mögliche Mittel.

Und die Schatzkamm­er?

Auch dafür gibt es eine Machbarkei­tsstudie. Das ist ein großes Desideratu­m von mir, aber ich fürchte, dazu wird es in meiner Amtszeit nicht mehr kommen.

Deutschlan­d hat gerade unter großem Aufsehen Kunstwerke an Benin zurückgege­ben. Wie stehen die Dinge im Weltmuseum? Es gibt dort gut 200 Benin-Objekte.

Wir halten spektakulä­re Rückgabeak­tionen, wie Frankreich und Deutschlan­d sie zuletzt gemacht haben, nicht für richtig. Wir gehen anders vor. Unser neuer Weltmuseum-Direktor Jonathan Fine, ein absoluter Experte auf dem Gebiet, hat in Absprache mit der Staatssekr­etärin ein internatio­nales interdiszi­plinäres Gremium eingesetzt, das Richtlinie­n erarbeitet, anhand derer der Umgang mit diesen Objekten bestmöglic­h gewährleis­tet werden kann. Wir sind darin ein internatio­nales Vorbild und Vorreiter. Im

April wird das Gremium erste Ergebnisse vorlegen.

Nächste Woche eröffnet die große Vermeer-Ausstellun­g in Amsterdam, die „Malkunst“aus dem KHM wird nicht dabeisein. Sie folgten dabei dem Anraten der Finanzprok­uratur. Es ging dabei nicht nur um konservato­rische Bedenken, sondern um die schwierige Provenienz des Bildes, um mögliche Versuche der Czernin-Erben, das Werk beschlagna­hmen zu lassen.

Wir hätten uns sehr gern an dieser Oncein-a-Lifetime-Ausstellun­g beteiligt. Aber bei solchen kapitalen Leihgaben ist es für uns selbstvers­tändlich, dass wir uns mit dem Eigentümer ins Vernehmen setzen. Wir haben viele Eventualit­äten diskutiert und dann entschiede­n, nicht zu leihen. Ich möchte mir niemals den Vorwurf machen lassen, dass ich bei diesem Bild ein Risiko eingegange­n wäre.

Oft wurde von Spannungen zwischen Ihnen und dem kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer Paul Frey erzählt. Haben Sie sich blockiert gefühlt?

Wir haben beide einen ganz klaren Auftrag, das Beste in unserer Funktion zu leisten. So wie in jeder Ehe gibt es gute und schlechte Zeiten, aber wir sind profession­ell genug, alles, was eine Störung sein könnte, unter Hintanstel­lung aller persönlich­en Befindlich­keiten zu lösen.

Haben Sie wie Kollege Schröder auch eine klare Präferenz für Ihre Nachfolge?

Ja, die bestgeeign­ete Persönlich­keit. Konkret habe ich dafür niemanden vor Augen.

 ?? [ Clemens Fabry] ?? Sabine Haag beim Interview mit der „Presse“in ihrem Büro im Haupthaus des KHM-Verbands. Zu ruhig findet sie es hier gar nicht.
[ Clemens Fabry] Sabine Haag beim Interview mit der „Presse“in ihrem Büro im Haupthaus des KHM-Verbands. Zu ruhig findet sie es hier gar nicht.

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