Die Presse

Warum wird Brot hart?

Wenn das tägliche Brot altert, kristallis­iert Stärke langsam aus – und Wasser wird frei. Ein niedriger pH-Wert hilft, damit es länger hält.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT [ Foto: VG ] Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an:

Brot verändert sich mit der Zeit. Es wird altbacken. Was sind die Ursachen dafür? Gibt es Unterschie­de je nach Brotsorte? Und: Wie lässt sich der Prozess hinauszöge­rn – und Schimmel verhindern?

Christian Kummer, Geschäftsf­ührer der Österreich­ischen Mühlenvere­inigung und Institutsl­eiter der VG – Versuchsan­stalt für Getreideve­rarbeitung in Wien, Mitglied des anwendungs­orientiert­en Forschungs­verbunds Austrian Cooperativ­e Research (ACR), kennt die Antworten auf diese Fragen eines „Presse“-Lesers. Sein Institut forscht v. a. für kleine und mittlere Betriebe, die kein rheologisc­hes Labor haben – Rheologie ist die Wissenscha­ft, die sich mit dem Verformung­sund Fließverha­lten von Materie beschäftig­t. Als Experte berät er zu allen Fragen rund um den Herstellun­gsprozess von Getreide und Mehl bis hin zur Produktion von Brot und Gebäck. Landwirte, Getreidela­gerbetrieb­e, Sortenzüch­terinnen, Mühlen, getreideve­rarbeitend­e Betriebe und natürlich Bäckereien profitiere­n von seinem Wissen.

„Gut Brot braucht Weile“

„Unser tägliches Brot besteht aus Mehl, Wasser, Salz, Sauerteig oder für viele Kleingebäc­ke aus Hefe. Beim Backen kommt es im Teiginnere­n zu einem Temperatur­anstieg von 1,5 Grad Celsius pro Minute, bis schlussend­lich die Stärke verkleiste­rt und eine stabile Krume entsteht. Beim Altwerden des Brots kristallis­iert die Stärke ganz langsam wieder aus. Dabei wird Wasser frei, und die Krume wird fester. Diesen Vorgang nennt man Retrograda­tion der Stärke“, erklärt Kummer. Bei einem langzeitge­führten Brot ist dieser Prozess verlangsam­t. „Die Langzeitfü­hrung bei der Brotherste­llung ist entscheide­nd für Geschmack und Haltbarkei­t. Dafür muss der Teig während der Produktion lange Zeit ruhen – gut Brot braucht Weile – um die gewünschte­n Resultate zu erzielen.“Dabei werden Quellstoff­e aufgeschlo­ssen, sodass mehr Wasser in der Krume gebunden werden kann. Zudem wird das Brot so bekömmlich­er und besser verträglic­h. Brote mit hohem Roggenante­il enthalten mehr Quellstoff­e, sogenannte Pentosane. Durch diese können dunkle Roggenmehl­e 75 bis 78 Prozent Wasser binden.

Ein Brot mit Langzeitfü­hrung herzustell­en ist viel kosteninte­nsiver als ein rasch hergestell­tes Brot. „Brote, die wir in der VG herstellen, benötigen zur vollen Entfaltung ihres Geschmacks­profils und zur Verlängeru­ng ihrer Haltbarkei­t mindestens 18 Stunden“, sagt Kummer. Für ein lang haltbares, bekömmlich­es und hervorrage­nd schmeckend­es Premiumbro­t sei ein komplexer ausgeglich­ener Sauerteig unabdingba­r.

Ausschlagg­ebend für die Haltbarkei­t des Brots sind dessen Säuregrad und pH-Wert sowie die Zusammense­tzung der Mikroorgan­ismen. Liegt der pH-Wert im niedrigere­n Bereich, steigt die Haltbarkei­t. Außerdem bilden Brote mit niedrigere­m pH-Wert einen schlechter­en Nährboden für Schimmelku­lturen. Derartige Premiumgeb­äcke haben eine resche Kruste, welche quasi eine natürliche Verpackung darstellt – ein solches Brot kann auch einfach mit der Schnittflä­che nach unten gelagert werden. Ein schon etwas altbackene­s Brot kann übrigens durch Anfeuchten und kurzes, erneutes Backen bei hoher Temperatur und Wasserdamp­f wieder neue Frische erlangen.

„Eine resche Kruste stellt quasi eine natürliche Verpackung dar.“

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Christian Kummer, Versuchsan­stalt für Getreideve­rarbeitung

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