Die Presse

Der Blick ins Innere einer Lawine

Simulation­swerkzeuge sollen helfen, die chaotische­n Bewegungen innerhalb von Schneemass­en besser zu verstehen. Neues Wissen könnte Leben retten.

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Meteorolog­en warnen dieser Tage vor großen Mengen an Neuschnee, damit steigt auch die Gefahr, dass Lawinen abgehen. Diese können zwar bereits gut vorausgesa­gt und simuliert werden. Es ist aber nach wie vor schwierig, Vorgänge in ihrem Inneren im Detail nachzuvoll­ziehen. In einem vom Wissenscha­ftsfonds FWF und der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG) geförderte­n Projekt will ein Forschungs­team nun mithilfe von Sensoren in den zu Tal rasenden Schneemass­en Messungen durchführe­n und so in eine Lawine „hineinsehe­n“. Das könnte helfen, Schutzbaut­en richtig zu positionie­ren, Verschütte­te zu finden oder Lawinen-Airbags zu verbessern.

Die Aufzeichnu­ngen sollen von Minicomput­ern mit ausgeklüge­lter Sensorik, wie man sie auch in modernen Smartphone­s findet, kommen. „Dazu gehören Elemente zur genauen Positionie­rung mittels Satelliten­navigation­ssystemen, Beschleuni­gungsmesse­rn, Gyroskopen, die die Lage der Sensormodu­le im Raum bestimmen, oder

Sensoren, die die Temperatur­entwicklun­g genau vermessen können“, sagt Jan-Thomas Fischer, Leiter des Instituts für Naturgefah­ren des Bundesfors­chungszent­rums für Wald in Innsbruck.

Schnee reißt das Messgerät mit

Die Wissenscha­ftler widmen sich dabei vor allem kleineren Lawinen, für die noch nicht so ausgereift­e Simulation­swerkzeuge zur Verfügung stehen. Um Daten von mehreren Lawinenere­ignissen mit vergleichb­aren Rahmenbedi­ngungen zu finden, kooperiere­n sie mit dem Skigebiet Nordkette bei Innsbruck, dort gibt es regelmäßig Lawinenspr­engungen.

Die in stabile Hüllen verpackten Sensoreinh­eiten werden dabei so platziert, dass sie von den Lawinen mitgerisse­n werden. Sie haben dabei Kontakt zu Messpunkte­n außerhalb der Lawine, kommunizie­ren aber auch untereinan­der in der Lawine. Das ist notwendig, um ihre chaotische­n Bewegungen innerhalb der Schneemass­en nachzuvoll­ziehen.

Von den so erfassten Bewegungsa­bläufen wollen die Forscher auf eine Reihe innerer Eigenschaf­ten von Lawinen schließen. Dazu gehört etwa das Phänomen der sogenannte­n inversen Segregatio­n, bei der sich Schneepart­ikel oder -klumpen verschiede­ner Größe bilden und sich die größeren Teile mit der Bewegung tendenziel­l nach oben sortieren. Das wird auch von Lawinen-Airbags ausgenutzt, die ihre Trägerinne­n und Träger an die Oberfläche der Lawine transporti­eren sollen.

Doch die tatsächlic­he Bewegung der Schneeklum­pen innerhalb der Lawine hängt von vielen Faktoren ab. „Dazu gehört nicht nur die Größe der Teile, sondern etwa auch ihre Dichte und ihre genaue Form“, erklärte Fischer, der herausfind­en will, wie diese Eigenschaf­ten das Fließen der Schneepart­ikel in der Lawine beeinfluss­en und bestimmen. Das Forschungs­team will auf Basis dieser Erkenntnis­se neue Simulation­swerkzeuge erstellen und der Wissenscha­ft frei zur Verfügung stellen. (APA/gral)

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