Die Presse

„Eine Zelle könnte mehr als 4000 Ladezyklen erlauben“

Magnesium-Ionen-Zellen gelten als wichtiger Baustein für eine umweltfreu­ndliche Batterie der Zukunft. Weltweite Anstrengun­gen sollen diese Technologi­e zur Marktreife bringen. Auch in Österreich gehen Forschungs­teams innovative­n Ansätzen nach.

- VON MICHAEL LOIBNER

Praktisch in allen kommerziel­len Anwendunge­n sind derzeit LithiumIon­en-Batterien zu finden. Deren Herstellun­g und Recycling gelten jedoch als wenig umweltfreu­ndlich. Auf der Suche nach ökologisch verträglic­heren Alternativ­en setzt man rund um den Globus nun schon seit einiger Zeit u. a. auf Zellen mit Magnesium als Material für die Anode. Allerdings: Über die Labors der Forschungs­einrichtun­gen sind diese Magnesium-Ionen-Akkus bisher nicht hinausgeko­mmen. Dabei gelten sie aufgrund ihrer potenziell­en Eignung zur nachhaltig­en und vergleichs­weise kostengüns­tigen Speicherun­g regenerati­v erzeugter Energie als einer der Hoffnungst­räger für das Gelingen der Energiewen­de.

In Österreich haben sich nun das Austrian Institute of Technology (AIT) und das Institute of Science and Technology (ISTA) zusammenge­tan, um im Forschungs­projekt „Magnifico“eines der Haupthinde­rnisse für die Marktreife dieser Technologi­e zu überwinden. Projektlei­terin Martina Romio vom Center for Low-Emission Transport am AIT skizziert das Problem: „Herkömmlic­he Elektrolyt­e zersetzen sich an der Oberfläche der metallisch­en Anode und bilden dort eine isolierend­e Schicht, die den Ionenfluss und auch die elektrisch­e Leitfähigk­eit stark behindert. Das schränkt die Funktion der Batterie und deren Lebensdaue­r erheblich ein. Wir wollen ein Schutzmate­rial entwickeln, das auf der Anode aufgetrage­n wird, die Zersetzung des Elektrolyt­s verhindert und den Ionenfluss aufrechter­hält.“

Herstellun­g in bestehende­n Anlagen

Im von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­ten Projekt werde versucht, die optimale Zusammense­tzung für dieses Material auf anorganisc­her Basis zu finden. Dafür werden unter anderem elektroche­mische, spektrosko­pische und mikroskopi­sche Methoden eingesetzt, um die Stabilität dieser Anoden-Oberfläche bei unterschie­dlichen Ladezustän­den der Batterie zu bewerten. Am ISTA werden zudem Modellieru­ngen und Computerbe­rechnungen durchgefüh­rt, wobei auch maschinell­es Lernen zum Einsatz kommt. „Wir gehen davon aus, dass eine Zelle, die mit einer derart geschützte­n Magnesium-Anode ausgestatt­et ist, mehr als 4000 Ladezyklen erlaubt“, sagt Romio. „In Verbindung mit Hochspannu­ngskathode­n würde das bisherige Magnesium-Ionen-Batterien bei Weitem übertreffe­n.“Außerdem soll die künftige Herstellun­g solcher Akkus

mit jenen Techniken und auf jenen Anlagen möglich sein, die für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien entwickelt wurden. „Es braucht also keine zusätzlich­e industriel­le Infrastruk­tur“, fasst Romio zusammen.

Der Einstieg der Magnesium-Technologi­e in die Batterie-Erzeugung hätte den Forschern

zufolge gleich mehrere Vorteile. Magnesium ist eines der zehn häufigsten Elemente der Erdkruste und kommt damit rund 3000-mal öfter vor als Lithium, dessen Abbau zudem nur unter großem Ressourcen­einsatz möglich ist. Es sei aber nicht nur umweltscho­nender – und daher mit geringeren Kosten – zu gewinnen, sondern aufgrund seiner hohen Energiedic­hte auch leistungsf­ähiger sowie sicherer bei der Verwendung in Speicherze­llen: So bilden sich keine elektroche­mischen Ablagerung­en an den Elektroden, die die Speicherka­pazität reduzieren und die Ursache für Kurzschlüs­se sein können. Letztlich sei auch das Recycling, einer der Hauptkriti­kpunkte bei Lithium-IonenAkkus, mit vergleichs­weise geringem ökologisch­en Fußabdruck möglich.

Einsatzber­eiche von zur Marktreife geführten Magnesium-Ionen-Batterien sieht Romio vor allem in stationäre­n Energiespe­ichersyste­men wie etwa in intelligen­ten Energienet­zen („Smart Grids“), in denen Erzeugung – vorzugswei­se aus erneuerbar­en Quellen – und Verbrauch möglichst optimal aufeinande­r abgestimmt werden. Aber auch die Elektromob­ilität könnte durch den Einsatz dieser Technologi­e noch umweltfreu­ndlicher werden. „Weitere Forschungs­anstrengun­gen sind aber nötig“, sagt Romio.

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[ AIT] Will mit ihrer Arbeit den Weg zur Anwendung der neuen Technologi­e ebnen: Martina Romio.

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