Bio allein reicht nicht, wir müssen weniger Fleisch essen
Was würde es für die CO2-Emissionen und die Artenvielfalt bedeuten, wenn ganz Wien regional speisen würde? Und was, wenn ausschließlich Bio auf die Hauptstadt-Teller käme? Oder weniger Fleisch und Milchprodukte? Ein Team der Boku Wien hat die Szenarien be
In Österreich wird dreimal so viel Fleisch gegessen wie empfohlen. Stadt und Land dürften sich kaum unterscheiden, zumindest gibt es keine wissenschaftlich fundierten Hinweise darauf. Fakt ist: Derzeit werden rund 639.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche gebraucht, um die Wienerinnen und Wiener zu ernähren, zwei Drittel davon befinden sich im Ausland. Insgesamt ist das Ernährungssystem in der Hauptstadt für 2,29 Mio. Tonnen CO2 jährlich verantwortlich.
Ausgehend davon untersuchte ein Team der Boku Wien, welche konkreten ökologischen Auswirkungen die Umstellung auf andere Ernährungssysteme haben würde. „Wir haben ein Modell entwickelt, mit dem wir die Treibhausgasemissionen und den Flächenbedarf unterschiedlicher sogenannter Counterfactual-Szenarien für Wien berechnen, und gefragt: Was wäre, wenn?“, erklärt Lisa Kaufmann vom Institut für Soziale Ökologie. Die Forschenden interessierte dreierlei: Was würde passieren, wenn alle Städterinnen und Städter sich regional ernähren und die gesamte Palette an Nahrungsmitteln aus einem Hundert-Kilometer-Radius beziehen? Welche Konsequenzen hätte die Umstellung auf rein ökologische Produkte? Und wie würde sich eine Reduktion des Konsums von Fleisch und anderen tierischen Produkten gemäß der Planetary Health Diet – einem wissenschaftlich entwickelten Konzept für eine gesunde und nachhaltige Ernährung – auswirken?
Regionalität enttäuscht Erwartungen
„Alle Szenarien führten zu einer Reduktion der Emissionen, aber in einem unterschiedlichen Ausmaß“, so Kaufmann. Bemerkenswert: Die Regionalisierung – laut einer anderen Boku-Studie die bei der Wiener Bevölkerung beliebteste Variante – verringerte die Treibhausgase lediglich um zwölf Prozent. Bei der Umstellung auf Produkte aus biologischer Landwirtschaft entdeckten die Forscherinnen und Forscher zwei gegenläufige Effekte: Einerseits führt der Verzicht auf synthetische Stickstoffdünger und Pestizide sowie die vermehrte CO2-Aufnahme der Böden zu einem Rückgang der Emissionen. Andererseits sorgt eine grünlandbasierte Viehwirtschaft aufgrund der Verdauungsprozesse der Rinder zu höheren Ausstößen. Unter dem Strich verringern sich die Emissionen trotzdem – und zwar um 18 Prozent.
Im Unterschied zu den Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, die nur eine Reduktion von Fleisch vorsieht, plädiert die Planetary Health Diet auch für weniger Milch- und Käseprodukte. Würde ganz Wien entsprechend dieser Richtlinie speisen, hätte das eine Reduktion der Treibhausgase um 33 Prozent zur Folge.
Natürlich sei es unrealistisch, dass alle Menschen ihre Ernährung dementsprechend umstellen, räumt Kaufmann ein. „Das Ergebnis ist ein Durchschnittswert. Man darf nicht vergessen, dass es ja auch einige Menschen gibt, die sich bereits völlig vegetarisch oder vegan ernähren.“
Flächenbedarf befeuert Artensterben
Augen öffnend sei für die Sozialökologin die Kombination der Szenarien: „Der Flächenbedarf erhöht sich in der biologischen Landwirtschaft, weil sie heutzutage im Durchschnitt weniger effizient ist. Das wird oft als Argument gegen ökologische Produktionsweisen verwendet.“Aber: „Wir stecken ja nicht nur in einer Klimakrise, sondern auch in einer Biodiversitätskrise. Wenn wir also die Vorteile der biologischen Landwirtschaft für die Artenvielfalt ausspielen wollen – und das müssen wir –, ohne mehr Fläche zu brauchen, dann heißt das: Fleisch reduzieren.“Städte hätten allerdings einen eingeschränkten Handlungsspielraum, weil hier hauptsächlich konsumiert und kaum produziert wird. „Was Wien machen könnte, wäre zum Beispiel, in der öffentlichen Beschaffung vegetarische und nicht Fleischgerichte als Standard anzubieten.“Auch Aufklärungskampagnen oder sogar Fleischwerbeverbote, wie es sie etwa in Haarlem (Holland) gibt, seien denkbar, sagt Kaufmann. Sie betont: „Weniger Fleischkonsum führt jedoch nicht zwangsläufig zu weniger Produktion, wenn etwa Überschüsse einfach exportiert werden. Das bringt für den Klima- und Diversitätsschutz nichts. Es brauchte eine entsprechende Änderung der Förderpolitik auf nationaler und europäischer Ebene.“