Hybride Arbeit ist Vereinbarungssache
„Regeln bringen Bürokratie, Rahmen schaffen Kultur“, sagt Frauke von Polier, Chief People Officer bei Viessmann. Daher werden die einzelnen Arbeitsmodelle auf Teamebene geklärt.
Mit dem Privileg kommt die Verantwortung. Das Privileg, das Frauke von Polier, Chief People Officer beim Klimalösungsspezialisten Viessmann, meint, heißt hybrides Arbeiten. Weil es nicht allen Menschen möglich ist. Rund die Hälfte der rund 14.000 Mitarbeitenden bei Viessmann sind „Workplace Enthusiasts“, die ihren eigenen Arbeitsplatz haben und den auch so gut wie jeden Tag nutzen – etwa in der Produktion. Zehn Prozent bezeichnet sie als „Digital Nomads“, die ständig mobil im Einsatz sind – und das auch dürfen, weil sie beispielsweise Servicetechnikerinnen sind. Bis auf einen Tag pro Monat, an dem sie verpflichtend ins Büro kommen müssen. Rund 40 Prozent bei dem familiengeführten Konzern heißen „Hybrid Pros“, dürfen es sich aussuchen, wo sie arbeiten. Oder besser gesagt ausmachen: mit dem Team und mit der Führungskraft nach den jeweiligen Bedürfnissen, sagt von Polier, die beim Peter-Drucker-Forum in Wien als Diskutantin zu Gast war.
Auf sich und das Team schauen
Sie müssen dabei die drei grundlegenden Werte berücksichtigen: „Erstens: Wir vertrauen einander. Die Führungskräfte den Mitarbeitenden und umgekehrt“, sagt von Polier. „Zweitens: Wir glauben an die persönliche Begegnung. Sie steigert die Produktivität und ermöglicht Innovation. Drittens: Wir leben Flexibilität.“Einmal im Jahr wird die Vereinbarung überprüft, ob sie so auch noch für alle passt.
Das System, räumt von Polier ein, sei anspruchsvoll und verlange Reife. Die Gruppe der hybrid Arbeitenden habe das Privileg und gleichzeitig die Verantwortung, die Arbeit so anzulegen, dass sie individuell und für die Gruppe passt. „Das ist unser größter Wandel: Selbstorganisation und Selbstverantwortung zu übernehmen – es geht nicht nur um mich, es geht auch um die Kollegen“, sagt von Polier. Dieser Blick – auf die eigenen Bedürfnisse und jene der anderen zu schauen – spiegle auch die Tradition wider, aus der das Familienunternehmen komme.
„Es ist leichter, eine Regel aufzustellen. Etwa: Ihr müsst drei Tage ins Büro kommen.“Doch genau diese Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten machten die neuen Formen des Arbeitens aus. „Ich warte lieber ein Jahr lang, bis alle den eigenen Weg gefunden haben, die eigenen Bedürfnisse mit jenen des Teams abzustimmen, als dass ich mit einer Regel komme. Wir würden sonst nicht die Kultur kreieren, die wir für hybrides Arbeiten brauchen.“Überhaupt gehe es ihr darum, Rahmen statt Regeln zu setzen: „Kultur baut man, in dem man Rahmen setzt.“Wo immer es Mitbestimmung gebe, sagt sie, brauche es ein paar grundlegende Regeln. Der Rahmen lasse genügend Platz, um den Raum zum Leben zu erwecken. „Regeln bringen Bürokratie, Rahmen schaffen Kultur“, sagt sie. „Das ist die Art, wie man die neue Arbeitswelt baut.“
Kultur der Agilität
Das verlange nach Führungskräften, die über die nötige Reife verfügen, sich auf diese Prozesse einzulassen. Und ein Topmanagement, das den Fragen der Mitarbeitenden Raum und Antworten gibt.
Wenn man einen stabilen Rahmen setze und diesen auch nicht ständig unmotiviert verändere sowie zulasse, dass dieser Rahmen dynamisch gefüllt werde, ohne beim kleinsten Anlass „hineinzuregieren“, dann, sagt von Polier, „dauert es vielleicht ein bisschen länger, aber ich bekomme eine Kultur der Agilität“. Deren Geheimnis sei der Ausgleich zwischen Stabilität und Dynamik. „Eines von den beiden allein ist toxisch. Nur Stabilität mündet in Bürokratie, nur Dynamik stürzt die Organisation ins Chaos.“Und genau diese Agilität brauche es, letztlich auf allen Ebenen, um verantwortungsvoll mit dem Privileg des hybriden Arbeitens umgehen zu können.
Das 15. Global Peter Drucker Forum findet übrigens vom 30. November bis 1. Dezember 2023 in Wien statt. Das Forum 2022 kann man im Drucker-Forum-TV nachsehen: druckerforum.org/special-pages/druckerforum-tv-live-stream