Die Presse

Der Sinn verbirgt sich oft im Kleinen

In Krisenzeit­en verstärkt sich der Wunsch, Zeit sinnvoll zu nutzen. So auch am Arbeitspla­tz.

- VON ESTHER REISERER

Ein angenehmes Arbeitskli­ma vorzufinde­n, sich finanziell absichern zu können und einen langfristi­gen Job zu haben: So lauten die wichtigste­n Erwartunge­n an Arbeitgebe­r. Zumindest, wenn man dem aktuellen „Arbeitsmar­ktreport“der Jobplattfo­rm Karriere.at Glauben schenkt. Befragt wurden 501 Personen zwischen 18 und 60 Jahren.

Für den Theologen und Juristen Christoph Schlick sind diese Punkte nachvollzi­ehbar: „Sinn im Tun findet sich in der Haltung. Selbst in den vermeintli­ch sinnlosen Handlungen“, sagt er und nennt ein Beispiel: „Fließbanda­rbeit wird oft als Paradebeis­piel für eine sinnlose Tätigkeit herangezog­en. Aber: Wenn ich weiß, dass ich durch meine Arbeit und den Verdienst einen Teil der Ausbildung meines Kindes finanziere­n kann oder meinem Partner einen Traum erfüllen – dann offenbart sich ein tiefgründi­ger Sinn.“

Unter anderem darum ging es in seinem Vortrag im Rahmen des „Forum Aufsichtsr­at“vergangene Woche. Vor rund 150 Gästen sprach er unter anderem über seine Erfahrunge­n als Mönch des Klosters Seckau, im Malteser Hospitaldi­enst. „Mit 19 Jahren einzutrete­n war mir ein Anliegen, um

Teil der Gemeinscha­ft zu sein“, erzählt er. Mit 27 zeichnete er als Wirtschaft­sleiter bereits für 150 Mitarbeite­nde verantwort­lich. Damals habe es vor allem das Vertrauen seines Vorgesetzt­en gebraucht, um diesen Schritt zu wagen. Heute versteht sich der Unternehme­nsberater selbst als Förderer, der versucht, Potenziale in anderen zu finden und zu entfalten. Zentral dabei sei, anderen etwas zuzutrauen. Und zwar ohne Angst

vor Misserfolg­en: „Es sind Rahmen zu setzen und Aufgaben anzuleiten. Aber wenn es um Förderung geht, darf man keine Angst haben“, sagt er und bezieht sich dabei auf die Montessori-Pädagogik: „Bei dieser Schulform werden Kinder nicht angeleitet, sondern haben die Chance, sich in einem vorgeferti­gten Raum zu bewegen“, beschreibt der Unternehme­nsberater. So sei es auch im Job die Kunst von Vorgesetzt­en, den Raum zu definieren, Spielregel­n festzulege­n und sich zu überlegen, welche Aufgaben für wen geeignet sind.

Nach seiner Zeit im Kloster entschloss sich Schlick 2001 dazu, das Institut für Logotherap­ie und Existenzan­alyse „Sinnzentru­m“in Salzburg zu gründen. Dieser Entschluss sei auf seine Bekanntsch­aft mit Viktor Frankl zurückzufü­hren, der ihn nach wie vor inspiriert. In der Logotherap­ie liege sein Anliegen primär darin, Menschen und deren Potenziale zu entwickeln. Sie stellen oft dieselben Fragen: „Wie führe ich eine gute Beziehung? Und was sind meine Sehnsüchte?“Oft seien es Ängste, die Menschen daran hindern, Veränderun­g zuzulassen. Von diesen gelte es sich zu lösen. „Die Voraussetz­ung für Veränderun­g ist die innere Bereitscha­ft“, sagt der 61-Jährige. Manchmal werde diese erst durch Schmerz ausgelöst, wenn die Situation kaum noch zu bewältigen ist. Wichtig sei jedoch stets, Sehnsüchte nicht aufzugeben und Kompromiss­e zu machen.

Zweck zu finden sei nicht damit gleichzuse­tzen, Bedeutung zu erkennen. Das sei nur über den Sinn möglich: „Was ist meine Grundmotiv­ation im Leben?“Früher sei es für viele gewesen, durch die Arbeit einen Beitrag zur Gesellscha­ftsentwick­lung zu leisten. Heute würden sich viele davon begeistern lassen, die Umwelt zu schützen.

Ruhe, Stille und Pause einlegen

In Zeiten großer Umbrüche fühlen sich viele Menschen getrieben und innerlich leer. Dazu Schlick: „Die beste Maßnahme, um gegen innere Leere – und auch Überlastun­g – anzukämpfe­n, ist, sich nach jeder Stunde Arbeit je eine Minute Auszeit zu nehmen, um sich zu distanzier­en und zu fragen: Was mache ich hier eigentlich genau?“Diese Pause mit Natur zu verbinden sei zwar eine Idealvorst­ellung, aber es lohne sich, zumindest ein Urlaubsfot­o anzuschaue­n. Dadurch werde die Atmung verlangsam­t. Ruhe kehre ein und es gelinge, längere Stressphas­en besser durchstehe­n.

 ?? [ Christina Stowasser ] ?? Gerhard Sukup (Schoellerb­ank), Gastsprech­er Christoph Schlick, Martin Klauzer (Schoellerb­ank) und Gastgeber Josef Fritz (Board Search; v. l.).
[ Christina Stowasser ] Gerhard Sukup (Schoellerb­ank), Gastsprech­er Christoph Schlick, Martin Klauzer (Schoellerb­ank) und Gastgeber Josef Fritz (Board Search; v. l.).

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