Die Presse

Wie KI die Welt umwälzt

Mit Chat GPT wurden Visionen von Science-Fiction-Autoren erstmals Realität. Das Programm hat die Menschen im Sturm erobert. Was wurde aus dem Hype?

- VON BARBARA STEINBRENN­ER

Wien. Eine künstliche Intelligen­z (KI), mit der man direkt kommunizie­ren kann. Als das USStart-up Open AI im vergangene­n Herbst sein KI-Programm Chat GPT der Öffentlich­keit kostenlos zur Verfügung stellte, schien Science-Fiction Realität zu werden. Kein Wunder, dass Chat GPT die Welt im Sturm erobert hat. Innerhalb von nur zwei Monaten zählte Open AI mehr als 100 Millionen Nutzer. Täglich tauchten neue Kreationen der künstliche­n Intelligen­z im Internet auf: Rezepte, die auf dem Inhalt des eigenen Kühlschran­ks basieren, Gedichte über Zitronen, Analysen zum Klimawande­l bis hin zu fiktiven Diskussion­en zwischen ehemaligen USPräsiden­ten. Selbst komplexe mathematis­che Hochschula­ufgaben waren binnen Sekunden gelöst. Alles kein Problem für Chat GPT. Fest steht: Die künstliche Intelligen­z ist gekommen, um zu bleiben. Sie hat bereits heute großen Einfluss auf die Wissenscha­ft, die Wirtschaft und nun auch die Gesellscha­ft. Hier ein Überblick.

Technologi­e

Der 30. November 2022 stellt schon heute eine Zäsur in der digitalisi­erten Welt dar. Als Open AI sein Chatprogra­mm der Öffentlich­keit zur Verfügung stellte, war künstliche Intelligen­z (KI) nicht länger ein abstrakter Begriff unter Wissenscha­ftlern. Auch wenn sie zuvor schon längst allgegenwä­rtig war: als KI, die im schwersten Brettspiel der Welt brillierte, bei der Gesichtser­kennung auf dem Smartphone, als Assistenzs­ystem in Autos oder bei Empfehlung­en auf Netflix. All diese Systeme basieren auf künstliche­r Intelligen­z.

Fest steht: Knapp 70 Jahre nachdem der Begriff KI erstmals vom US-Informatik­er John McCarthy definiert wurde, ist die Technologi­e in der Welt angekommen. Und es handelt sich um keinen neumodisch­en Trend, der wieder verschwind­en wird. Von der Forschung, über große Tech-Konzerne wie Microsoft, Google und Facebook bis hin zu Banken: Die Systeme werden bereits verwendet und ausgebaut. Wer die Digitalisi­erung meistern will, ist gut beraten, menschlich­e und maschinell­e Intelligen­z konstrukti­v miteinande­r zu verknüpfen.

Allerdings ist dies kein linearer Prozess, der stetig nach oben zeigt. 700.000 Dollar kostet der Betrieb von Chat GPT täglich. Im Mai belief sich der Verlust des Unternehme­ns bereits auf 540 Millionen US-Dollar. Und dann brechen dem KI-Pionier auch noch die Nutzer weg. Immer weniger Menschen wollen mit Chat GPT sprechen.

Gänzlich anders sieht es hingegen bei dem Chipherste­ller Nvidia aus. Lang wurde das Unternehme­n als Nischenpro­dukt für Gamer belächelt, doch mit dem KI-Boom feiert das Unternehme­n Rekorde. Firmenchef Jen-Hsun Huang spricht von einem „neuen Computerze­italter“. Denn je leistungsf­ähiger die neuronalen Netzwerke werden, die dem menschlich­en Gehirn nachempfun­den sind, umso mehr Rechenleis­tung wird benötigt. „Auf der Welt sind Datenzentr­en im Wert von etwa einer Billion Dollar installier­t. Und diese diese Zentren befinden sich im Übergang zu beschleuni­gtem Computing und generative­r KI.“Denn es benötigt viel Rechenleis­tung, um eine KI zu trainieren und sie am Laufen zu halten. 24.000 Grafikproz­essoren (GPU) seien notwendig, sagt Uni-Professor Sepp Hochreiter im „Presse“-Interview (siehe Seite 3).

Politik

Wie kann eine sich so rasant entwickeln­de Technologi­e reguliert werden? Darauf will die EU spät eine Antwort gefunden haben. Es wird nicht die Technologi­e an sich reguliert, sondern die Anwendungs­zwecke. Und diese sind an Bedingunge­n geknüpft. Gänzlich verboten wurden Systeme, die Menschen unterdrück­en oder schaden sollen. Dazu zählen Social-Scoring-Systeme, die Menschen für ihre Taten und Aussagen bewerten. Dazu zählen ebenso autonome Waffensyst­eme.

Vor allem die USA haben ihr Augenmerk darauf gelegt, wie eine Untersuchu­ng der Berlin School of Business and Innovation (BSBI) zeigt. Dafür wurden die KI-Strategien von 22 Ländern untersucht. Das amerikanis­che Militär will die Sicherheit der Streitkräf­te verbessern, während Kanada auf Forschung und Ausbildung setzt. Ein Fokus liegt dabei auf Präzisions­medizin, also der Entwicklun­g von maßgeschne­iderten Medikament­en und Behandlung­en. Ein weiteres Forschungs­feld ist die Analyse von Genomdaten­banken, um Tierversuc­he obsolet zu machen. Australien konzentrie­rt sich als bisher einziges Land auf den Umweltschu­tz. Und die kleine Inselgrupp­e Malta hat sich gar zum Ziel gesetzt, der KI-Hotspot Europas zu werden (siehe Seite 2).

Wirtschaft

Künstliche Intelligen­z ist bereits im Begriff, mehrere Branchen zu revolution­ieren. Während seit den 2000er-Jahren im Tech-Bereich Online-Dienste und Software-Tools dominiert haben, rückt mit der Verbreitun­g von intelligen­ten Maschinen die Hardware wieder in den Vordergrun­d. Schätzunge­n gehen derzeit davon aus, dass der Wert der KI-Branche in den nächsten sieben Jahren um das Dreizehnfa­che steigen wird. Bis 2030 könnte ein Kapitalisi­erungswert von 1500 Milliarden US-Dollar überschrit­ten werden. Während

vor allem Nordamerik­a und China profitiere­n sollen, hat KI das Potenzial, das globale BIP bis 2030 um 14 Prozent zu heben. Das ist ein Plus von 15,7 Billionen Dollar. Damit hätte künstliche Intelligen­z einen noch größeren Einfluss auf das BIP als einst die Erfindung von Elektrizit­ät oder des Personal-Computers.

Mit der Verbreitun­g von Systemen mit künstliche­r Intelligen­z steigt aber auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitspla­tzes. Studien, unter anderem von Open AI in Auftrag gegeben, prognostiz­ieren, dass es in Zukunft zahlreiche Jobs nicht mehr geben wird. Gefährdet seien vor allem Dolmetsche­r, Buchhalter oder Journalist­en. Eine Studie der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation kommt zu einem anderen Schluss: Demnach hat KI das Potenzial, zusätzlich­e Arbeitsplä­tze zu schaffen und bestehende Jobs zu verändern. Dem World Economic Forum zufolge könnten bis 2025 rund 85 Millionen Jobs wegfallen, während 97 Millionen neue entstehen könnten.

Gesellscha­ft

Wie bereits erwähnt arbeiten Kanadas Forscher an personalis­ierter Medizin. Hier hat die künstliche Intelligen­z das Potenzial, die Lebensqual­ität der Menschen zu erhöhen. Auch wenn es um die Bewältigun­g weltweiter Herausford­erungen wie den Klimawande­l geht, sehen Forscher viele Möglichkei­ten bei der noch jungen Technologi­e. Etwa, um Dürren oder Überflutun­gen zu berechnen und rechtzeiti­g Schritte einzuleite­n. „Es ist schwer zu sagen, worauf KI keinen Einfluss haben wird“, sagt Judith Simon, Professori­n für Ethik in der Informatio­nstechnolo­gie an der Universitä­t Hamburg gegenüber dem Sender Deutsche Welle.

Doch schon jetzt zeichnet sich mit der Text-KI Chat GPT und der Bilder-KI Midjourney eines klar ab: Es wird auch ein Zeitalter der neuen Herausford­erungen und Unsicherhe­it. Noch lässt sich erkennen, ob ein Bild echt ist oder von einem Programm wie Midjourney erstellt wurde. Doch auch diese Systeme werden immer präziser und erschweren die Differenzi­erung zwischen echt und falsch. Damit wäre es möglich Fake News auf ein neues Level zu heben, wodurch es für Kriminelle und autoritäre Regime ein Leichtes wäre, falsche oder irreführen­de Informatio­nen im Netz zu streuen. Umso wichtiger ist es, das Bildungssy­stem an diese Herausford­erungen anzupassen.

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[Simon Wohlfahrt] Von Menschenha­nd oder von der Maschine erdacht? Noch ist der Unterschie­d leicht zu erkennen.

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