Wie KI die Welt umwälzt
Mit Chat GPT wurden Visionen von Science-Fiction-Autoren erstmals Realität. Das Programm hat die Menschen im Sturm erobert. Was wurde aus dem Hype?
Wien. Eine künstliche Intelligenz (KI), mit der man direkt kommunizieren kann. Als das USStart-up Open AI im vergangenen Herbst sein KI-Programm Chat GPT der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellte, schien Science-Fiction Realität zu werden. Kein Wunder, dass Chat GPT die Welt im Sturm erobert hat. Innerhalb von nur zwei Monaten zählte Open AI mehr als 100 Millionen Nutzer. Täglich tauchten neue Kreationen der künstlichen Intelligenz im Internet auf: Rezepte, die auf dem Inhalt des eigenen Kühlschranks basieren, Gedichte über Zitronen, Analysen zum Klimawandel bis hin zu fiktiven Diskussionen zwischen ehemaligen USPräsidenten. Selbst komplexe mathematische Hochschulaufgaben waren binnen Sekunden gelöst. Alles kein Problem für Chat GPT. Fest steht: Die künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Sie hat bereits heute großen Einfluss auf die Wissenschaft, die Wirtschaft und nun auch die Gesellschaft. Hier ein Überblick.
Technologie
Der 30. November 2022 stellt schon heute eine Zäsur in der digitalisierten Welt dar. Als Open AI sein Chatprogramm der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, war künstliche Intelligenz (KI) nicht länger ein abstrakter Begriff unter Wissenschaftlern. Auch wenn sie zuvor schon längst allgegenwärtig war: als KI, die im schwersten Brettspiel der Welt brillierte, bei der Gesichtserkennung auf dem Smartphone, als Assistenzsystem in Autos oder bei Empfehlungen auf Netflix. All diese Systeme basieren auf künstlicher Intelligenz.
Fest steht: Knapp 70 Jahre nachdem der Begriff KI erstmals vom US-Informatiker John McCarthy definiert wurde, ist die Technologie in der Welt angekommen. Und es handelt sich um keinen neumodischen Trend, der wieder verschwinden wird. Von der Forschung, über große Tech-Konzerne wie Microsoft, Google und Facebook bis hin zu Banken: Die Systeme werden bereits verwendet und ausgebaut. Wer die Digitalisierung meistern will, ist gut beraten, menschliche und maschinelle Intelligenz konstruktiv miteinander zu verknüpfen.
Allerdings ist dies kein linearer Prozess, der stetig nach oben zeigt. 700.000 Dollar kostet der Betrieb von Chat GPT täglich. Im Mai belief sich der Verlust des Unternehmens bereits auf 540 Millionen US-Dollar. Und dann brechen dem KI-Pionier auch noch die Nutzer weg. Immer weniger Menschen wollen mit Chat GPT sprechen.
Gänzlich anders sieht es hingegen bei dem Chiphersteller Nvidia aus. Lang wurde das Unternehmen als Nischenprodukt für Gamer belächelt, doch mit dem KI-Boom feiert das Unternehmen Rekorde. Firmenchef Jen-Hsun Huang spricht von einem „neuen Computerzeitalter“. Denn je leistungsfähiger die neuronalen Netzwerke werden, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind, umso mehr Rechenleistung wird benötigt. „Auf der Welt sind Datenzentren im Wert von etwa einer Billion Dollar installiert. Und diese diese Zentren befinden sich im Übergang zu beschleunigtem Computing und generativer KI.“Denn es benötigt viel Rechenleistung, um eine KI zu trainieren und sie am Laufen zu halten. 24.000 Grafikprozessoren (GPU) seien notwendig, sagt Uni-Professor Sepp Hochreiter im „Presse“-Interview (siehe Seite 3).
Politik
Wie kann eine sich so rasant entwickelnde Technologie reguliert werden? Darauf will die EU spät eine Antwort gefunden haben. Es wird nicht die Technologie an sich reguliert, sondern die Anwendungszwecke. Und diese sind an Bedingungen geknüpft. Gänzlich verboten wurden Systeme, die Menschen unterdrücken oder schaden sollen. Dazu zählen Social-Scoring-Systeme, die Menschen für ihre Taten und Aussagen bewerten. Dazu zählen ebenso autonome Waffensysteme.
Vor allem die USA haben ihr Augenmerk darauf gelegt, wie eine Untersuchung der Berlin School of Business and Innovation (BSBI) zeigt. Dafür wurden die KI-Strategien von 22 Ländern untersucht. Das amerikanische Militär will die Sicherheit der Streitkräfte verbessern, während Kanada auf Forschung und Ausbildung setzt. Ein Fokus liegt dabei auf Präzisionsmedizin, also der Entwicklung von maßgeschneiderten Medikamenten und Behandlungen. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Analyse von Genomdatenbanken, um Tierversuche obsolet zu machen. Australien konzentriert sich als bisher einziges Land auf den Umweltschutz. Und die kleine Inselgruppe Malta hat sich gar zum Ziel gesetzt, der KI-Hotspot Europas zu werden (siehe Seite 2).
Wirtschaft
Künstliche Intelligenz ist bereits im Begriff, mehrere Branchen zu revolutionieren. Während seit den 2000er-Jahren im Tech-Bereich Online-Dienste und Software-Tools dominiert haben, rückt mit der Verbreitung von intelligenten Maschinen die Hardware wieder in den Vordergrund. Schätzungen gehen derzeit davon aus, dass der Wert der KI-Branche in den nächsten sieben Jahren um das Dreizehnfache steigen wird. Bis 2030 könnte ein Kapitalisierungswert von 1500 Milliarden US-Dollar überschritten werden. Während
vor allem Nordamerika und China profitieren sollen, hat KI das Potenzial, das globale BIP bis 2030 um 14 Prozent zu heben. Das ist ein Plus von 15,7 Billionen Dollar. Damit hätte künstliche Intelligenz einen noch größeren Einfluss auf das BIP als einst die Erfindung von Elektrizität oder des Personal-Computers.
Mit der Verbreitung von Systemen mit künstlicher Intelligenz steigt aber auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Studien, unter anderem von Open AI in Auftrag gegeben, prognostizieren, dass es in Zukunft zahlreiche Jobs nicht mehr geben wird. Gefährdet seien vor allem Dolmetscher, Buchhalter oder Journalisten. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation kommt zu einem anderen Schluss: Demnach hat KI das Potenzial, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und bestehende Jobs zu verändern. Dem World Economic Forum zufolge könnten bis 2025 rund 85 Millionen Jobs wegfallen, während 97 Millionen neue entstehen könnten.
Gesellschaft
Wie bereits erwähnt arbeiten Kanadas Forscher an personalisierter Medizin. Hier hat die künstliche Intelligenz das Potenzial, die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen. Auch wenn es um die Bewältigung weltweiter Herausforderungen wie den Klimawandel geht, sehen Forscher viele Möglichkeiten bei der noch jungen Technologie. Etwa, um Dürren oder Überflutungen zu berechnen und rechtzeitig Schritte einzuleiten. „Es ist schwer zu sagen, worauf KI keinen Einfluss haben wird“, sagt Judith Simon, Professorin für Ethik in der Informationstechnologie an der Universität Hamburg gegenüber dem Sender Deutsche Welle.
Doch schon jetzt zeichnet sich mit der Text-KI Chat GPT und der Bilder-KI Midjourney eines klar ab: Es wird auch ein Zeitalter der neuen Herausforderungen und Unsicherheit. Noch lässt sich erkennen, ob ein Bild echt ist oder von einem Programm wie Midjourney erstellt wurde. Doch auch diese Systeme werden immer präziser und erschweren die Differenzierung zwischen echt und falsch. Damit wäre es möglich Fake News auf ein neues Level zu heben, wodurch es für Kriminelle und autoritäre Regime ein Leichtes wäre, falsche oder irreführende Informationen im Netz zu streuen. Umso wichtiger ist es, das Bildungssystem an diese Herausforderungen anzupassen.