Wie gefährlich ist Wagner-Gruppe in Belarus?
Polen warnt weiter eindringlich vor der Söldnerarmee. Ein Teil der Truppe könnte indes auf dem Weg nach Russland sein, ein Teil scheint in Auflösung begriffen.
„Achtung, nun könnte es wegen der Wagner-Söldner noch gefährlicher werden.“Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki schlug Alarm vor der möglichen Bedrohung aus dem Osten. Nach dem Absturz von Jewgenij Prigoschin und seiner Führungsriege sieht er keinen Grund zur Entwarnung. Erst vor ein paar Wochen hat seine Regierung zusätzlich rund 2000 Soldaten an die Ostgrenze zu Belarus beordert. Warschau befürchtete, Wagner-Söldner könnten sich bald in der Grenzregion breitmachen und dort unter anderem Flüchtlingen aus Arabien und Afrika über den Grenzzaun helfen.
Wie groß das Gefahrenpotenzial der bis zu 5000 seit Ende Juni in Belarus stationierten Wagner-Söldner für Polen und die baltischen Nato-Staaten Litauen und Lettland ist, die ebenso an Belarus grenzen, ist freilich umstritten. Die polnische Regierung hat zudem ihr eigenes Interesse daran, die Gefahr hochzuspielen. Die Regierung kann schnell und hart durchgreifen und sich damit vor den Wahlen am 15. Oktober als furchtloser Verteidiger Polens präsentieren.
Ein Prigoschin-Nachfolger
Etwas komplizierter sieht der polnische Wagner-Experte Grzegorz Kuczyński die Lage nach Prigoschins Flugzeugabsturz. Vieles hänge davon ab, ob die Söldner nun in die russische Armee eingegliedert würden und ob ein Teil der Söldnertruppen in Belarus eine neue Verwendung fänden, sagte Kuczyński in einem Interview. „Das wahrscheinlichste Szenario scheint mir indes die Auflösung dieser Söldnertruppe zu sein.“Experten stellen zudem infrage, ob tatsächlich der als Prigoschin-Nachfolger gehandelte St. Petersburger Ex-Offizier Andrei Troschew zum neuen Wagner-Boss avancieren werde. Dem 60-jährigen Geschäftsmann wird nachgesagt, loyal gegenüber Putin zu sein.
Troschew, so heißt es in Warschau und Vilnius, könnte für Putin das Spiel mit der Angst vor der Wagner-Gruppe weiterspielen. So hatten Wagner-Söldner etwa davor gewarnt, sie können die sogenannte Suwalki-Lücke, einen nur rund 90 Kilometer breiten Landstreifen zwischen Polen, Litauen, Kaliningrad und Belarus, besetzen. Das Baltikum würde so von der Versorgung auf dem Landweg abgeschnitten. Polen und Litauen wollen schon lang ein Nato-Bataillon zur Abwehr aufstellen.
In Belarus frohlockte die Exilopposition gegen den Autokraten Alexander Lukaschenko. „Lukaschenko muss nun auch auf der Hut sein“, sagte der Oppositionelle Pawel Latuschko aus Warschau. Er spielte auf ein mögliches nächstes Attentat des Kreml an. Der belarussische Historiker Alexander Friedmann sieht dagegen eine Chance, die bis zu 5000 in Belarus stationierten Wagner-Söldner in die dortige Armee zu integrieren. Der ukrainische Geheimdienst hat indessen erste Konvois von WagnerSoldaten auf dem Weg nach Russland gesichtet.