Trumps PR-Aktion aus dem Gefängnis
Der Ex-Präsident stellte sich den Behörden in Georgia. Sie machen ihm wegen mutmaßlicher Wahlbeeinflussung den Prozess. Trump nutzt den brisanten Fall für Werbung.
New York/Atlanta. So historisch es sein mag, so geübt ist Ex-US-Präsident Donald Trump mittlerweile darin, sich als Angeklagter den Behörden zu stellen. Im April noch, als er vor Gericht in New York anrücken musste, hatte die Weltpresse Lower Manhattan tagelang belagert. Am Donnerstagabend hingegen waren es vor allem Polizisten, die den Weg Trumps zum Bezirksgefängnis von Fulton County in Atlanta säumten. 20 Minuten brauchte Trump für seine Stellung. Sein Gewicht musste er angeben (97,5 Kilogramm), seine Größe (1,90 Meter), eine Kaution musste er hinterlegen (200.000 US-Dollar), und zum ersten Mal wurde er als Angeklagter fotografiert. Der sogenannte Mugshot wurde dann auch prompt veröffentlicht.
Dem früheren Präsidenten und neuerlichen Präsidentschaftskandidaten wird in Georgia der Prozess gemacht, weil er versucht haben soll, die Wahl in dem Bundesstaat zu beeinflussen. 13 Anklagepunkte brachte eine Geschworenenjury gegen ihn vor. 18 Mitangeklagte gibt es in dem Fall. Es ist insgesamt die vierte strafrechtliche Anklage von Trump. Und weil sie in Georgia abgehandelt wird, könnte der Prozess besonders brisant verlaufen: Viele Feinheiten unterscheiden diese Anklage von den anderen, die zum Großteil vom Justizministerium geleitet werden. Wie geht es nun weiter?
Wie reagiert Trump?
Der Ex-Präsident flog mit seiner Privatmaschine von New Jersey, wo er derzeit residiert, nach Atlanta. Insgesamt dauerte sein Stopp dort nur eineinhalb Stunden. Vor dem Abflug erklärte er auf dem Rollfeld: Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. „Und wir haben jedes Recht, eine Wahl anzufechten, von der wir denken, dass sie nicht ehrlich abgelaufen ist.“
Außerdem kehrte Trump nach seinem Termin im Gefängnis überraschend auf die Social-Media-Plattform X, vormals Twitter, zurück. Und teilte flugs den Mugshot aus Georgia, mit der Überschrift „Gebt niemals auf!“– und einem Spendenlink. Twitter hatte Trumps Profil gesperrt, als befürchtet wurde, dass er so am 6. Jänner 2021 – und danach – gewalttätige Handlungen seiner Anhänger befeuern würde. Der neue Chef, Elon Musk, gab das Profil wieder frei.
Auf Trumps Kampagnen-Website kann man indes bereits Tassen, Sticker, Thermoskannen, T-Shirts mit dem Foto kau
fen, das teuerste Stück kostet 34 US-Dollar. Der Slogan „Never surrender!“ist ebenfalls auf die Artikel gedruckt. Trump macht die Anklage damit offen zur Wahlkampfwaffe. Und freilich insbesondere das Foto, den ersten Mugshot eines US-Präsidenten. Trump würde sich darauf gern wie Winston Churchill sehen, schrieb die Trump-Kennerin und Journalistin Maggie Haberman am Donnerstag. Im Internet wurde gewitzelt, Trump sehe aus wie ein Charakter in einem StanleyKubrick-Film.
Was wird Trump genau vorgeworfen?
Die Staatsanwaltschaft bediente sich eines Gesetzes des Bundesstaats, mit dem gegen „kriminelle Banden“vorgegangen werden kann. So sollen Trump und seine Mitangeklagten – darunter sein früherer persönlicher Anwalt, New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, und Trumps Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows – sich zusammengetan haben, um eine kriminelle Organisation zu bilden. Sie hätten so versucht, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 im Sinne Trumps zu beeinflussen. (Sein Herausforderer, Joe Biden, holte dort die Mehrheit.)
Fünf bis 20 Jahre Gefängnis könnten Trump bei einer rechtskräftigen Verurteilung blühen.
Was ist der Zeitplan?
Zunächst soll am 8. September die erste gerichtliche Vorladung Trumps über die Bühne gehen. Dabei wird die Anklage verlesen, und der zugeteilte Richter spricht über Prozessregeln. Der tatsächliche Prozessbeginn ist noch nicht fix. Vergangene Woche hatte sich die Staatsanwaltschaft noch einen Prozessstart im März 2024 gewünscht, diese Woche war dann von einem Beginn bereits im Oktober die Rede.
Trumps Anwälte verfolgten bisher die Strategie, alle Prozesse gegen ihren Mandanten bis hinter die kommende Präsidentschaftswahl 2024 zu verschieben.
Was sind die Besonderheiten?
Würde Donald Trump wieder Präsident, könnte er rein theoretisch versuchen, zumindest die Bundesprozesse gegen ihn abzuwürgen. Möglich wäre auch, dass er sich selbst begnadigt. In dem Fall, dass ein anderer Republikaner Präsident wird, wäre das ähnlich. Bei der ersten TV-Debatte der Kandidaten am Mittwochabend gaben sich viele der Rivalen Trumps dazu zumindest abwartend. (Trump liegt in den parteiinternen Umfragen allerdings so gut wie uneinholbar vorn.)
In Georgia könnte er das nicht tun. Nachdem die Anklage vom Bundesstaat betrieben wird, hat auch ein Präsident keinen Einfluss auf sie. Deshalb glauben Rechtsexperten, dass Trump versuchen könnte, den Fall vor ein Bundesgericht zu bringen – mit der Argumentation, dass es sich um eine bundesweite Wahl gehandelt habe.
Außerdem wird der Prozess wohl im Fernsehen übertragen werden. Schon beim ersten Gerichtstermin im September sind TV-Kameras zugelassen. In den anderen Prozessen ist das nicht der Fall.