Die Presse

Michael Schnedlitz: Kickls blauer Bauer

Serie. Michael Schnedlitz ist für die Freiheitli­chen Scharfmach­er nach außen und Aufräumer nach innen. Wie der Sohn eines früheren ÖVP-Bürgermeis­ters die nach rechts gerückte Kickl-FPÖ vorweggeno­mmen hat.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Opposition­elle Nationalra­tsabgeordn­ete haben es nicht leicht, in Medien vorzukomme­n. Anträge werden in der Regel von der Regierungs­mehrheit bestenfall­s vertagt, schafft man es nach stundenlan­ger Plenardeba­tte mit einem Satz in die Abendnachr­ichten, ist das aus PR-Sicht fast schon ein Jackpot. Am 11. Dezember 2020 war das anders. Grund dafür war Michael Schnedlitz.

Seine siebenminü­tige Rede nützte der FPÖ-Mandatar dafür, Cola auf einen Coronatest zu schütten. Während er auf das Ergebnis wartete, polterte er über die seiner Ansicht nach vorherrsch­ende „Diktatur“in Österreich, die „Abschaffun­g der Meinungsfr­eiheit“, „zerstörte Familien“und „vernichtet­e Existenzen“. Nach wenigen Minuten sagte er: „So, wir dürften jetzt ein Problem haben, wir haben nämlich einen positiven Coronatest im Parlament – dieses Cola hat einen positiven Test.“Schnedlitz wollte damit zeigen, dass Tests Geldversch­wendung seien (das Ergebnis hatte übrigens mit der Säure im Cola zu tun, wie Experten später erklärten). Über Schnedlitz und sein „Experiment“berichtete­n hernach Medien auf der ganzen Welt, von der „Neuen Zürcher Zeitung“über die „Welt“und „Süddeutsch­e“bis hin zu „USA Today“. Wissenscha­ftler zerrissen seine Kritik.

Die Weltöffent­lichkeit mag an diesem Dezemberta­g zum ersten Mal vom heute 39-jährigen Murauer Bergbauern­sohn erfahren haben, aber an sich war das ein klassische­r Schnedlitz. Der Mann provoziert wie kaum ein aktueller Politiker, mehr noch als sein Parteichef. Er ist bei Corona-Demos auf der Bühne gestanden, hat die Leute mit ausgestrec­kten Armen und heiserer Stimme zu Klatschcho­reografien animiert, wie man das sonst nur aus Fußballsta­dien kennt. Er wurde 2021 für Ermittlung­en wegen Verhetzung vom Nationalra­t ausgeliefe­rt, weil er den Fall Leonie auf Facebook mit den Worten „Zuwanderun­g tötet“kommentier­te.

2020 wurde er allerorten zum Rücktritt aufgeforde­rt, weil er die FPÖ als „Unkrautbek­ämpfungsmi­ttel gegen ungezügelt­e Zuwanderun­g“bezeichnet­e. Im selben Jahr erklärte er nach seinem Aufstieg zum Parteimana­ger in puncto Identitäre: „Mit der Distanzier­erei ist es jetzt vorbei.“Jahre zuvor richtete Schnedlitz vor einer Asyldemo eine Grußbotsch­aft an die vom Verfassung­sschutz als „Bedrohung“eingestuft­e Gruppe und bejubelte sie als „Speerspitz­e gegen das System“. Jahre bevor Herbert Kickl diese Woche für Wirbel sorgte, indem er die Identitäre­n als „rechte NGO“bezeichnet­e, tat Schnedlitz dies bereits. „Wir sind das Volk“rief der blaue General als Parole aus, als

Norbert Hofer FPÖ-Chef und noch lang keine Rede vom „Volkskanzl­er Kickl“war.

Signal an rechten Flügel

Kurzum: Der Mann steht wie kaum jemand für den Wandel – man könnte auch sagen: die Radikalisi­eriung – der FPÖ nach dem IbizaCrash. Kickl nahm er dabei gewisserma­ßen vorweg, denn zum Generalsek­retär befördert wurde Schnedlitz bereits 2019 – obwohl er damals weder Kickl-Mann noch Hofer-Vertrauter war. Gemäßigter­e Blaue taten sich schwer mit ihm, unter Hofer dürfte er Insidern zufolge ein Signal an den rechten Parteiflüg­el gewesen sein. Schnedlitz kommt wie Kickl vom Land, er ist wie sein Chef kein Burschensc­hafter, „jedoch wahrlich kein Intellektu­eller“, hört man innerhalb und außerhalb der FPÖ.

Muss er auch nicht sein: Schnedlitz ist Frontmann der FPÖ nach außen; wenn Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) Kickl ein „Sicherheit­srisiko“nennt, ist er es, der ausrückt, um Karner als „Gefahr“zu bezeichnen. Mantraarti­g spricht er von „Volkskanzl­erschaft“, „Systempart­eien“und dergleiche­n. Schnedlitz sei, wie man in der FPÖ hört, „extrem fleißig“, er sei ständig bei Veranstalt­ungen und halte Kickl intern den Rücken frei. Gebe es innerhalb der FPÖ ein Problem, greife er zum Telefon, um es geradezubi­egen, heißt es.

Doch es gibt auch einen anderen Schnedlitz: jenen Vizebürger­meister, der sich in Wiener Neustadt für Ein-Euro-Jugendtick­ets im Freibad einsetzt, der mit der Admira Wiener Neustadt eine Frauenfußb­allmannsch­aft unterstütz­t und auf kommunaler Ebene schon mit den Grünen in einer Regierung gesessen ist. Er entstammt einer Bergbauern­familie, die Biomilch von derzeit zehn Kühen verkauft. Der zweifache Vater bezeichnet sich selbst immer noch als „Bergbauer“und arbeitet auf dem Hof mit, obwohl er eigentlich in Wiener Neustadt lebt. Sein Vater war ÖVP-Bürgermeis­ter des 149-EinwohnerB­ergdorfs Rinegg auf 1150 Metern Seehöhe – und Schnedlitz senior war der Letzte, bevor dieses Amt 2014 aufgrund der steirische­n Gemeindefu­sion verschwand.

Schulkolle­ge Landbauer

Ist er also doch kein rechter Scharfmach­er, am Ende alles nur Show? „Nein, der ist schon wirklich so, wie er daherkommt“, sagt einer, der ihn lang kennt, „ein richtiger blauer Bauer halt.“Politisch sozialisie­rt wurde der Steirer in Niederöste­rreich: Nach der Skihauptsc­hule Murau wechselte der Bub vom Land ins Militärgym­nasium in Wiener Neustadt – weniger, weil er große militärisc­he Ambitionen gehegt hätte, sondern eher, weil der Langläufer – er lief bei Landesmeis­terschafte­n mit – sich dort viel Zeit für Sport erhoffte.

Es sollte ein Wendepunkt werden: In der Schule dockte er nach Ausfahrten mit der blauen Jugend bei den Freiheitli­chen an, es begann eine Freundscha­ft mit dem Schulkolle­gen Udo Landbauer, der schon früh mit dem Rechts-außenMilie­u vertraut war. Schnedlitz, nach der Schule Einjährig-Freiwillig­er beim Bundesheer, ist bis heute enger Landbauer-Vertrauter. Ein Beispiel: Als Landbauer 2018 nach der Liederbuch-Affäre in den Landtag zurückkehr­te, ging das nur, weil Schnedlitz auf sein Mandat verzichtet­e. Schnedlitz wurde daraufhin Landespart­eimanager – um ein Jahr später in die Bundespoli­tik zu wechseln.

Fünf Jahre später will die FPÖ nun ins Kanzleramt einziehen – mit oder ohne Regierungs­auftrag des Bundespräs­identen, wie Schnedlitz sagt. Tritt das ein, sind ihm internatio­nale Schlagzeil­en sicher, und zwar ganz ohne Cola.

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[Florian Schroetter] Michael Schnedlitz zog 2019 in den Nationalra­t ein und wurde kurz darauf Generalsek­retär der FPÖ.

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