„Österreich wichtig für Muslimbruderschaft“
Im Grazer Terror-Strafverfahren liegt das neue Gutachten vor. Belastungsbeweise liefert es nicht, aber wertvolle Erklärungen.
Das Verfahren läuft bei der Staatsanwaltschaft Graz und gilt justizintern als „schwierig“. Das ist wohl untertrieben. Zuletzt sorgten die TerrorismusErmittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der Muslimbruderschaft und der Hamas eher deshalb für Schlagzeilen, weil sie teilweise im Sande verliefen. Nun liegt ein neues Gutachten vor.
Darin analysiert Islam-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, die Muslimbruderschaft. Bekanntheit erlangten die schon seit 2019 laufenden Terror-Ermittlungen, als sich der seinerzeitige Innenminister Karl Nehammer
(ÖVP, nunmehr Bundeskanzler) einbrachte und nach einer Großrazzia – Deckname: Operation Luxor – von einem wichtigen Schlag gegen den politischen Islam in Österreich sprach. Mittlerweile ist die Zahl der beschuldigten Personen und Verbände (etwa Vereine oder Stiftungen) stark geschrumpft. Ursprünglich gab es 105 Beschuldigte, aktuell sind es noch 59.
Das Gutachten (es liegt der „Presse“vor) ist im Auftrag des Straflandesgerichts Graz (nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft) erstellt worden, nachdem die beiden ursprünglich eingesetzten Gutachter ihrer Tätigkeit enthoben worden waren. Das Steinberg-Papier ist quasi eine islamwissenschaftliche Abhandlung, in der zwölf vom Gericht gestellte Fragen erörtert werden. Strafrechtliche Belastungen einzelner Beschuldigter finden sich nicht, dennoch sind einige Sätze brisant. So heißt es auf die Frage nach den Aktivitäten der Muslimbruderschaft in Österreich: „Österreich ist für die Muslimbruderschaft insgesamt wichtiger, als die geringe Größe des Landes vermuten ließe.“Im Einzelnen: „Die Liga Kultur gilt als die wichtigste Organisation der Muslimbruderschaft in Österreich.“Dabei wird diese „Liga“so umrissen: „Es handelt sich um eine gemeinsame Plattform der ägyptischen und syrischen Muslimbruderschaft, wobei die Ägypter den Liga-KulturVerein in Graz und die Syrer den in Wien dominieren. Mehrere Liga-Kultur-Funktionäre haben die Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft mittlerweile direkt oder indirekt eingeräumt.“
Erklärung: Laut Expertise sind die Muslimbrüder eine „ideologisch homogene Bewegung“, die in Ägypten und anderen islamischen Ländern die Gründung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia zum Ziel hat. In Europa strebe die Bruderschaft die Kontrolle „über autonome muslimische Gesellschaftsbereiche“an.
Das Problem der Anklage besteht nun darin, dass die Mitgliedschaft zur Muslimbruderschaft per se nicht mit einer Mitgliedschaft in einer Terrororganisation gleichzustellen ist. Die palästinensische Hamas hingegen gilt sehr wohl als Terrorvereinigung.
Einige Beschuldigte, vor allem die beiden Brüder M., werden in dem Gutachten namentlich genannt. Beide amtierten für die Liga Kultur Wien. Sie haben ihre Mitgliedschaft zur Bruderschaft bereits direkt oder indirekt eingestanden. „Die Presse“wollte daher vom Anwalt der Brüder, Andreas Schweitzer, wissen, wie er dies bewerte. Antwort: „Auch durch das Gutachten kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob die Vorwürfe der terroristischen Vereinigung und der Terrorismusfinanzierung stimmen.“
‘‘ Die Zielvorstellungen der Muslimbrüder sind religiöser und politischer Natur.
Guido Steinberg