Die Presse

Ragweed sorgt für enorme Belastung

Das Unkraut dürfte heuer alle Rekorde brechen. Die Bedingunge­n der vergangene­n Wochen und Monate waren ideal für sein Wachstum. Die hohen Ozonwerte tun ihr Übriges.

- VON KÖKSAL BALTACI

Allergiker wissen schon länger, dass es eine pollenfrei­e Zeit fast nicht mehr gibt. Lediglich zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember bleibt eine Belastung einigermaß­en verlässlic­h aus. Denn in Österreich verlängert schon seit einigen Jahren die Purpurerle die Pollensais­on – sie wird vor allem in Städten angepflanz­t und steht rund um Weihnachte­n in voller Blüte, weswegen zunächst von einer„ Keks allergie“gesprochen wurde. Die Betroffene­n nahmen also fälschlich­erweise an, allergisch auf Zutaten von Weihnachts­keksen zu reagieren, weil sie dachten, dass zu dieser Jahreszeit nichts blüht.

Zu einem zunehmende­n Problem wurde in den vergangene­n Jahren das Unkraut Ragweed (auch bekannt als Ambrosia artemisiif­olia, Trauben- oder Fetzenkrau­t), das heuer voraussich­tlich alle Rekorde brechen wird. Die Witterungs­verhältnis­se in diesem Sommer waren ideal für das Wachstum der hoch allergenen Pflanze, wie Markus Berger gegenüber der „Presse“erklärt. Der Mediziner ist Leiter des Pollen informatio­nsdienstes.

Anpassungs­fähige Pflanze

Die diesjährig­e Pollensais­on setzte Allergiker­n durch das ständige Auf und Ab der Belastunge­n schon bisher stark zu, zuletzt etwa durch die – derzeit wieder langsam ausschleic­hende – Pflanze Beifuß. Während die Niederschl­äge und frischeren Temperatur­en vor dem August die Betroffene­n zwischenze­itlich aufatmen ließen, waren die starken Regenfälle in der ersten Augusthälf­te mit der anschließe­nden Trockenper­iode perfekt für das Wachstum von Ragweed. Ihre Blüte ist derzeit in vollem Gange. Ragweed stellt vor allem im Osten und Süden Österreich­s (da es in Ost- und Südosteuro­pa stark vertreten ist) nicht nur eine große Herausford­erung für die Gesundheit dar, sondern wird auch für die Landwirtsc­haft zu einem Problem. Wächst es in Felder ein, kann es zu Ernteeinbu­ßen führen.

„Mitte August beginnt Ragweed, eine sehr anpassungs- und widerstand­sfähige Pflanze mit hoher allergisch­er Potenz, seine Pollen an den Wind abzugeben – heuer in ungewöhnli­ch großer Menge“, sagt Berger. „Beginn und Ausmaß der Saison hängen von der Temperatur, den Lichtstund­en im Mai und Juni (um diese Zeit beginnt Ragweed zu blühen, Anm.) sowie der Niederschl­agsmenge ab. Die klimatisch­en Bedingunge­n waren heuer somit optimal für Ragweed.“

Wien, das Burgenland, Niederöste­rreich und die Steiermark sind die Gebiete mit dem höchsten Ragweed-Vorkommen. Aber auch in Kärnten und Tirol häufen sich die Meldungen. Sicher war man bisher ab 1000 Metern Seehöhe. „Inzwischen hat sich die Pflanze aber so weit angepasst, dass sie selbst in hohen Lagen gut gedeihen kann“, sagt Berger. Hat sie sich in einer Gegend erst einmal etabliert, breitet sie sich in Massen aus.

Eingeschle­ppt wurde das Unkraut Mitte des 20. Jahrhunder­ts aus den USA, deswegen wird es auch als „Pollenschl­euder aus den USA“genannt. Seine Pollen können vom Wind sehr weit transporti­ert werden, etwa von Serbien bis nach Finnland. „Der Kontakt mit Ragweed löst bei Allergiker­n Beschwerde­n wie Schnupfen, rote, juckende Augen, Niesreiz, Atemnot etc. und sehr häufig auch Asthma aus“, sagt Berger. Dafür genügten bereits wenige Pollenkörn­er pro Kubikmeter Luft. Zur Belastung tragen auch die derzeit hohen Ozonwerte in Wien bei. Dazu gibt es Berger zufolge mehrere Thesen: Zum einen könnte sich Ozon an die Pollenkörn­er anheften und ihr „allergenes Vermögen“erhöhen; zum anderen kann Ozon auch selbst Entzündung­en hervorrufe­n oder fördern.

Vorkehrung­en treffen

Im Alltag sollten Allergiker blühende Wiesen sowie Rapsfelder meiden und Vorkehrung­en treffen, wie einen großen Hut und eine Sonnenbril­le zu tragen und täglich Haare bzw. Gesicht zu waschen. Zudem sollte die Kleidung nicht im Schlafzimm­er gewechselt werden, um die Pollen nicht zu verteilen. Für die Nasenschle­imhäute werden Spülungen mit Kochsalz- oder Meersalzwa­sser empfohlen.

Das Wichtigste ist zu wissen, auf welches Allergen man reagiert, um mit entspreche­nden Maßnahmen und/oder Medikament­en (Antihistam­in-Tabletten, Cortison-Spray, Impfungen) vorsorgen zu können. Juckende oder gerötete Augen, eine rinnende oder verstopfte Nase sowie Atemproble­me können Anzeichen einer allergisch­en Reaktion auf Pollen sein. Auf der Website www.polleninfo­rmation.at kann man sein Risiko in einem Fragebogen selbst ermitteln – deuten die Ergebnisse auf eine Allergie hin, sollte man einen Allergolog­en aufsuchen und sich mittels Haut- und Bluttests testen lassen.

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