Die Presse

Alpbach ohne George Clooney

Hollywoods­tars hat Präsident Andreas Treichl nicht eingeladen. Dafür diskutiere­n Experten und Stipendiat­en über Klimawande­l, Wirtschaft und Mut.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER, EVA WINROITHER UND ANNA WALLNER

Manchmal möchte man selbst am liebsten in das Golfwagerl einsteigen, das durch Alpbach kurvt, anstatt in der sengenden Hitze die steilen Straßen des Tiroler Bergdorfs zu erklimmen, zwischen blumenbela­denen Balkonen und vollen Gastgärten. Denn wie im Rest des Landes ist es auch in dem Tiroler Bergdorf auf gut 1000 Metern ungewöhnli­ch heiß. Aber es ist durchaus passend, denn die Klimakrise ist eines der Themen, denen man sich dieser Tage hier widmet.

Und während hier bis zum Wochenende vor allem junge Menschen aus der ganzen Welt dabei waren, Zukunftslö­sungen zu schmieden – Studenten, Klimaaktiv­isten, Start-up-Gründer –, treffen nach und nach deutlich mehr große Namen ein. Entscheidu­ngsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Kultur diskutiere­n ab Sonntag über Europas Rolle in der Welt. Und darüber, was ein mutiges Europa ausmacht. Bold Europe: Das ist das diesjährig­e Jahresmott­o des Forums.

„Bold Europe ist ein Europa, das es schafft, die Sachen, die es sich über Jahrzehnte vorgenomme­n hat, wirklich zu Ende zu führen“, sagt Alpbach-Präsident Andreas Treichl im AlpbachPod­cast der „Presse“, in dem jeden Tag ein anderer Visionär erklären wird, wie man Europa und die Welt verbessern kann (siehe Infokasten). Politisch wie wirtschaft­lich sei Europa in den vergangene­n 15 Jahren langsam geworden oder gar stecken geblieben, sagt Treichl. Von der Währungsun­ion bis zur Gestaltung eines europäisch­en Bahnnetzes: „Wir haben sehr viele Projekte vorgehabt, die wir nicht vollständi­g durchgezog­en haben.“

Kein Branchentr­effen mehr

Beim Forum selbst hat sich unterdesse­n einiges getan: Seit Treichl es vor drei Jahren übernommen hat, wurde das Treffen auf neue inhaltlich­e Beine gestellt, es bekam eine neue Struktur. „Das, was wir nicht mehr wollen, ist, dass wir ein Branchentr­effen machen, wo sich alle zwei Tage die Akteure ändern“, sagt dazu Treichl. „Wir glauben ganz im Gegenteil, dass es notwendig ist, dass wir alle unterschie­dlichen Spieler und Branchen zusammenbr­ingen, um gemeinsam Probleme zu lösen.“

Anstelle der früher üblichen thematisch­en Gliederung, von Gesundheit, Recht und Wissenscha­ft bis zur Wirtschaft, gibt es unter Treichl nun globalere Fragen, ab Sonntag nun eben: zur Rolle Europas in der Welt – und anschließe­nd zu der Österreich­s in Europa. Eröffnet werden die Europagesp­räche von Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg mit der belarussis­chen Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja, Kosovos Präsidenti­n Vjosa Osmani, der Chefin der europäisch­en Klimainnov­ationsinit­iative EIT Climate-KIC Kirsten Dunlop und der ehemaligen Weltbank-Vizepräsid­entin Oby Ezekwesili.

Manchen Kritikern sind diese Namen nicht klangvoll genug. Dazu Treichl im „Presse“-Podcast: „Also den George Clooney hab‘ ich nicht eingeladen, und wir haben hier nicht die Absicht, ein Schaulaufe­n von den Leuten zu machen, die sowieso immer zu allen Konferenze­n hinfahren. Wir wollen wirklich interessan­te Leute hier haben.“Und das sei heuer auch besonders gut gelungen. „Ich habe selten eine so komplette Aufstellun­g von wirklich extrem guten Leuten aus so vielen unterschie­dlichen Branchen gesehen wie bei unserer heurigen Speakerlis­te.“

Diese reicht von Paschal Donohoe, dem Vorsitzend­en der Eurogruppe, über die belgische Klimaaktiv­istin Anuna de Wever bis zu Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, aber auch fast alle Mitglieder der Bundesregi­erung haben ihr Kommen zugesagt. Mit der slowenisch­en Präsidenti­n Nataša Pirc Musar widmet sich Van der Bellen am Mittwoch der Frage, was mitteleuro­päische Staaten zu einem mutigen Europa beitragen können, als Auftakt des Österreich-in-Europa-Teils, der bis zum 2. September dauert und das diesjährig­e Forum abschließt.

Große Themenschw­erpunkte sind über die gesamte Forumszeit hinweg neben dem eingangs genannten Klimawande­l die wirtschaft­liche Unabhängig­keit und Sicherheit Europas in einer multipolar­en Welt sowie Demokratie in Europa. Wobei: Ein wichtiger Aspekt der Neuorienti­erung des Forums ist auch der, die Themen übers ganze Jahr zu ziehen. Und das, was in den zwei Wochen in den Tiroler Bergen diskutiert, erdacht, geplant wurde, weiterzude­nken und in die Tat umzusetzen.

 ?? [APA / Expa/ Johann Groder] ?? Klimawande­l ist eines der großen Themen auch in Alpbach, wo am Sonntag die Europatage starten. Im Bild: Aktivisten während des Tiroltags.
[APA / Expa/ Johann Groder] Klimawande­l ist eines der großen Themen auch in Alpbach, wo am Sonntag die Europatage starten. Im Bild: Aktivisten während des Tiroltags.

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