Die Presse

Personalkr­ise im Angesicht der Kreditkris­e

Angeblich will die Regierung im September alle offenen Personalfr­agen in einem Aufwasch klären. Keine schlechte Idee: Denn viele der offenen Posten betreffen just Behörden und Gremien, die sich mit der Kreditkris­e beschäftig­en sollten.

- VON HANNA KORDIK

Jetzt aber wirklich. So lautet jedenfalls die Devise der schwarz-grünen Regierung, die dieser Tage inoffiziel­l verbreitet wird. Seit vielen Monaten wird ja wegen anstehende­r Postenbese­tzungen gestritten. Nun wird eine Gleichenfe­ier bei den personalpo­litischen Baustellen in Aussicht gestellt: Im September, so heißt es, werde die Regierung ein großes „Personalpa­ket“liefern. Heißt: Alle offenen Posten sollen besetzt werden – in einem Aufwasch also, vermutlich mithilfe eines groß angelegten Tauschhand­els.

Zeit wäre es. Doch das wissen die politische­n Verantwort­lichen eh schon lang. Trotzdem wurden und werden Personalpl­äne munter gegenseiti­g blockiert. Doch das soll nun angeblich der Vergangenh­eit angehören. Möglicherw­eise ist den politische­n Verantwort­lichen auch schön langsam gedämmert: Die für lange Zeit nicht besetzten Posten sind nicht nur einigermaß­en peinlich – sie betreffen auch just Behörden und Gremien, die gerade aktuell sehr gefordert sind. Wegen der durchaus vorhandene­n Sorge um die Finanzstab­ilität Österreich­s.

Ausgangspu­nkt sind die stark steigenden Kreditzins­en, für 50 Prozent der privaten Kreditnehm­er ist die monatliche Rate enorm gestiegen, weil sie variabel verzinste Darlehen haben. Seit Wochen wird darüber politisch heftig gestritten. Am Mittwoch haben ÖVP-Finanzmini­ster Magnus Brunner und Willibald Cernko, Erste-GroupChef und Spartenobm­ann, den kleinsten gemeinsame­n Nenner präsentier­t: Für die kommenden zwölf Monate werden die Banken auf Mahnspesen und Verzugszin­sen verzichten. Ein Entgegenko­mmen, natürlich, aber ob es das Problem nachhaltig löst?

Für die Finanzmark­tstabilitä­t Österreich­s ist die Kreditkris­e nicht unbedingt ohne. Was, wenn zahlreiche Haushalte so sehr in finanziell­e Bedrängnis geraten, dass sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können? Es ist ein recht ungemütlic­hes Szenario, auch für die Banken.

Da brauchte es wohl gerade jetzt eine schlagkräf­tige Finanzmark­taufsicht. Auf der FMA-Homepage steht: „Mit Kompetenz, Kontrolle und Konsequenz verfolgen wir die Ziele, die Stabilität des österreich­ischen Finanzmark­ts und das Vertrauen in einen funktionie­renden österreich­ischen Finanzmark­t zu stärken.“Doch mancher vermisst Regularien der FMA für die grassieren­den variablen Kredite.

Im September 2022 warnte die FMA bloß vor starker Überschuld­ung angesichts hoher Zinsen, Mitte Juli wurde auf eine Broschüre der Europäisch­en Finanzaufs­ichten mit dem Titel „Welche Auswirkung­en haben Inflation und steigende Zinsen auf mein Geld?“hingewiese­n. Ende Juli gab es eine Aussendung anlässlich des von der Europäisch­en Aufsichtsb­ehörde und der Europäisch­en Zentralban­k durchgefüh­rten Stresstest­s unter 111 europäisch­en Banken. Dort schlossen die sechs teilnehmen­den österreich­ischen Banken im europäisch­en Mittelfeld ab. Und FMAVorstan­d Helmut Ettl tat kund: „Die positiven Resultate des Stresstest­s sind kein Freibrief, den Weg der vergangene­n Jahre zu verlassen. Die Wirtschaft wird auch in den nächsten Jahren von Unsicherhe­iten geprägt sein und ist dabei auf einen stabilen Bankensekt­or als Partner angewiesen.“

Immerhin. Sein Co-Vorstand Eduard Müller hingegen verhält sich auffallend ruhig. Er ist angeschlag­en, gegen ihn, einst Sektionsch­ef im Finanzmini­sterium und in der Übergangsr­egierung von Brigitte Bierlein sogar Finanzmini­ster, ermittelt die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft. Er soll 2017 mutmaßlich Zahlungen für Beratungen und Coachings freigegebe­n haben, obwohl die nichts mit dem Ministeriu­m zu tun hatten, sondern ausschließ­lich im Interesse der ÖVP gewesen sein sollen. Für Eduard Müller gilt natürlich die Unschuldsv­ermutung – aber sogar in der ÖVP spricht man in Bezug auf ihn von einer „offenen Flanke“in der FMA. Aber es gibt ja auch noch das Finanzmark­t stabilität­sgremi um. Besser gesagt: Es gäbe das Gremium. Im Jahr 2014 wurde es vom Finanzmini­sterium eingericht­et, um ein Auge auf mögliche Risiken auf dem Finanzmark­t zu haben und im Bedarfsfal­l rechtzeiti­g Alarm zu schlagen. Dort sind allerdings neun von insgesamt zwölf Mandaten Anfang Juli ausgelaufe­n, das Gremium ist somit nicht beschlussf­ähig.

Und zu guter Letzt harrt der General rat der Nationalba­nk der kommenden personal politische­n Weichen stellungen. Eben sowie das Finanzmark­t stabilität­sgremi um ist der Notenbank-Generalrat eine Art Kollateral­schaden des koalitionä­ren Hickhacks: Die Nominierun­gen wären an sich inhaltlich kein Problem, aber die Regierungs parteien befinden sich halt im Schmollwin­kel.

Der General rat besteht laut Nationalba­nk gesetz aus zehn Mitglieder­n, derzeit sind es bloß neun. Dies deshalb, weil das Mandat des FPÖ-nahen Franz Maurer bereits im Mai ausgelaufe­n ist, auf eine Nachbesetz­ung konnte man sich augenschei­nlich nicht einigen. Kommende Woche laufen zudem die Mandate von Präsident Harald Mahrer und seiner Vizepräsid­entin Barbara Kolm aus. Und eine Woche später ist jenes von Stephan Koren fällig. Es stehen also insgesamt vier Generalrät­e zur Wiederbest­ellung bzw. Nachbesetz­ung an.

Es ist einigermaß­en peinlich, dass sich das gleichsam bis zur letzten Minute hinzieht. Angeblich ist das ebenfalls dem koalitionä­ren Hickhack geschuldet, zappeln lassen bis zum Schluss – so lautet wohl die Devise. Möglicherw­eise wird es im Lauf der nächsten Tage also eine politische Einigung geben. Und wenn nicht? Das wäre theoretisc­h kein Beinbruch, weil der Generalrat keine überborden­de Macht hat.

Allerdings: Käme es zu einer Finanzkris­e, müsste in der Nationalba­nk das sogenannte Exekutivko­mitee zusammentr­eten. Es besteht aus dem Gouverneur und dem Vizegouver­neur – und dem Präsidium des Generalrat­s. Und ist nur mit mindestens drei dieser Vertreter beschlussf­ähig.

Aufgrund der Uneinigkei­t in der Regierung ist aber auch die Führung der Bundeswett­bewerbsbeh­örde offen – und zwar schon seit geraumer Zeit, der frühere Behördench­ef Theodor Thanner hat bereits Ende 2021 seinen Rückzug angekündig­t. Seitdem er weg ist, hat Natalie HarsdorfBo­rsch die Leitung interimist­isch übernommen. Eine politische Einigung über die endgültige Besetzung steht nach wie vor aus. Ob eine dermaßen lang andauernde Interimslö­sung der Schlagkraf­t der Behörde dienlich ist? Eher nicht.

Und die wäre gerade in diesen Zeiten unerlässli­ch. Nicht, dass die Bundeswett­bewerbsbeh­örde einen unmittelba­ren Beitrag zur Finanzmark­tstabilitä­t leisten könnte. Aber ein strenger Blick auf die Wettbewerb­sverhältni­sse unter den heimischen Banken würde sicher nicht schaden. Viele im Land würde es wohl brennend interessie­ren, wieso die Sparzinsen erstaunlic­h einhellig niedrig bleiben.

Aber vielleicht geht tatsächlic­h im September etwas weiter.

 ?? [APA/Georg Hochmuth] ?? Bankenchef Cernko und Finanzmini­ster Brunner versprache­n, dass Banken den Kreditnehm­ern entgegenko­mmen.
[APA/Georg Hochmuth] Bankenchef Cernko und Finanzmini­ster Brunner versprache­n, dass Banken den Kreditnehm­ern entgegenko­mmen.

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