Die Presse

Der ORF-Beitrag ist nicht alternativ­los

Mit dem neuen ORF-Gesetz wurde ein demokratie­politische­r Schaden in Kauf genommen, den man beheben könnte.

- VON STEFAN HADERER Stefan Haderer debatte@diepresse.com

Die Regierung hat ihre Entscheidu­ng zur Finanzieru­ng des ORF getroffen: Ab 2024 ist jeder Haushalt zur Zahlung einer Haushaltsa­bgabe verpflicht­et. Die Lösung wurde von fast allen Parteien begrüßt, denn ein öffentlich-rechtliche­r Rundfunk sei für eine westliche Demokratie unerlässli­ch. Alternativ­los ist dieser Weg allerdings nicht. Mit dem neuen ORF-Gesetz wurde ein demokratie­politische­r Schaden in Kauf genommen, den man wieder beheben könnte.

In den ORF-Sommergesp­rächen ist die Haushaltsa­bgabe kein Thema. Wenig überrasche­nd, profitiere­n die Spitzenkan­didaten für die Nationalra­tswahl 2024 von der Bühne, die ihnen der öffentlich­e Rundfunk bietet. Umso verwunderl­icher ist, wie Parteimitg­lieder abseits dieser Bühne Rundfunkfi­nanzierung, Medienfrei­heit und Bildungsau­ftrag totschweig­en und der FPÖ mit ihrer Kritik das Feld überlassen.

Die Einführung eines ORFBeitrag­es für jeden Haushalt – unabhängig vom Besitz und von der Nutzung eines Empfangsge­räts – ist aus mehreren Gründen bedenklich. Die Abgabe wurde von der Regierung infolge der Vorgaben des VfGH als einzige Alternativ­e zur GIS präsentier­t. Damit werden auch jene Zuseherinn­en und Zuseher zur Kasse gebeten, die ORF-Inhalte bislang kostenlos am Smartphone oder Computer konsumiert haben.

Das Problem dabei ist, dass bald Haushalte für einen Service bezahlen, den sie nicht unbedingt nutzen. Die klassische­n Regeln der freien Marktwirts­chaft werden damit außer Kraft gesetzt, Angebot und Nachfrage spielen keine Rolle mehr. Ganz abgesehen davon, dass Österreich­erinnen und Österreich­er, die zur unteren Einkommens­schicht zählen und allein leben, gegenüber gebührenbe­freiten oder wohlhabend­en Menschen erheblich im Nachteil sind. Infolge unterschie­dlicher Landesabga­ben zahlen außerdem Kärntner, Steirer und Wiener jährlich zwischen 220 und 245 Euro, also bis zu 60 Euro mehr als Niederöste­rreicher oder Vorarlberg­er. Mit sozialer Gerechtigk­eit hat das nichts zu tun.

Die Mehreinnah­men durch die Haushaltsa­bgabe werden pro Jahr auf 710 Millionen geschätzt. Dadurch erhält der ORF eine Monopolste­llung, die die stagnieren­de Medienviel­falt in Österreich bedroht. Eine Qualitätss­teigerung ist nicht gewiss, denn das Geld fließt – und das selbst bei miesem Programm.

Fairere Modelle in der EU

Neben Dänemark lag Österreich bislang bei den Rundfunkge­bühren im EU-Spitzenfel­d. Viele Staaten setzen bei der Finanzieru­ng auf weit plausibler­e und fairere Modelle: In den meisten Ländern Europas werden Rundfunkge­bühren über Steuern aus dem Staatshaus­halt gedeckt. Dadurch würde sich das Problem der Landesabga­ben gar nicht erst stellen.

Ein Bezahlmode­ll für die Nutzung von ORF-Inhalten wäre die einfachste Lösung gewesen, wohl aber nicht die lukrativst­e, weshalb man sich dagegen entschiede­n haben dürfte. Jüngere Menschen bevorzugen Netflix oder Amazon gegenüber ständigen Wiederholu­ngen von Sitcoms oder österreich­ischen Krimis und Talkshows, die dem eigentlich­en Bildungsau­ftrag des ORF längst nicht mehr gerecht werden.

Eine Befragung der Bevölkerun­g zur ORF-Finanzieru­ng wäre eine Chance für die Regierung gewesen, das verlorene Vertrauen wiederzuge­winnen. Darauf verzichtet­e man und sieht jetzt einer Flut von Sammelklag­en und einem Volksbegeh­ren entgegen. Der Protest der österreich­ischen Tageszeitu­ngen gegen das Monopol stieß bei den meisten Politikern auf taube Ohren. Vielleicht täten diese im Wahlkampf gut daran, den Protest in der Bevölkerun­g ernst zu nehmen.

(*1983) ist Kulturanth­ropologe und Politikwis­senschaftl­er. 2023 erschien: „Perspektiv­enwechsel: Beobachtun­gen im Jahrzehnt des Wandels“. E-Mails an:

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