Der ORF-Beitrag ist nicht alternativlos
Mit dem neuen ORF-Gesetz wurde ein demokratiepolitischer Schaden in Kauf genommen, den man beheben könnte.
Die Regierung hat ihre Entscheidung zur Finanzierung des ORF getroffen: Ab 2024 ist jeder Haushalt zur Zahlung einer Haushaltsabgabe verpflichtet. Die Lösung wurde von fast allen Parteien begrüßt, denn ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei für eine westliche Demokratie unerlässlich. Alternativlos ist dieser Weg allerdings nicht. Mit dem neuen ORF-Gesetz wurde ein demokratiepolitischer Schaden in Kauf genommen, den man wieder beheben könnte.
In den ORF-Sommergesprächen ist die Haushaltsabgabe kein Thema. Wenig überraschend, profitieren die Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl 2024 von der Bühne, die ihnen der öffentliche Rundfunk bietet. Umso verwunderlicher ist, wie Parteimitglieder abseits dieser Bühne Rundfunkfinanzierung, Medienfreiheit und Bildungsauftrag totschweigen und der FPÖ mit ihrer Kritik das Feld überlassen.
Die Einführung eines ORFBeitrages für jeden Haushalt – unabhängig vom Besitz und von der Nutzung eines Empfangsgeräts – ist aus mehreren Gründen bedenklich. Die Abgabe wurde von der Regierung infolge der Vorgaben des VfGH als einzige Alternative zur GIS präsentiert. Damit werden auch jene Zuseherinnen und Zuseher zur Kasse gebeten, die ORF-Inhalte bislang kostenlos am Smartphone oder Computer konsumiert haben.
Das Problem dabei ist, dass bald Haushalte für einen Service bezahlen, den sie nicht unbedingt nutzen. Die klassischen Regeln der freien Marktwirtschaft werden damit außer Kraft gesetzt, Angebot und Nachfrage spielen keine Rolle mehr. Ganz abgesehen davon, dass Österreicherinnen und Österreicher, die zur unteren Einkommensschicht zählen und allein leben, gegenüber gebührenbefreiten oder wohlhabenden Menschen erheblich im Nachteil sind. Infolge unterschiedlicher Landesabgaben zahlen außerdem Kärntner, Steirer und Wiener jährlich zwischen 220 und 245 Euro, also bis zu 60 Euro mehr als Niederösterreicher oder Vorarlberger. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.
Die Mehreinnahmen durch die Haushaltsabgabe werden pro Jahr auf 710 Millionen geschätzt. Dadurch erhält der ORF eine Monopolstellung, die die stagnierende Medienvielfalt in Österreich bedroht. Eine Qualitätssteigerung ist nicht gewiss, denn das Geld fließt – und das selbst bei miesem Programm.
Fairere Modelle in der EU
Neben Dänemark lag Österreich bislang bei den Rundfunkgebühren im EU-Spitzenfeld. Viele Staaten setzen bei der Finanzierung auf weit plausiblere und fairere Modelle: In den meisten Ländern Europas werden Rundfunkgebühren über Steuern aus dem Staatshaushalt gedeckt. Dadurch würde sich das Problem der Landesabgaben gar nicht erst stellen.
Ein Bezahlmodell für die Nutzung von ORF-Inhalten wäre die einfachste Lösung gewesen, wohl aber nicht die lukrativste, weshalb man sich dagegen entschieden haben dürfte. Jüngere Menschen bevorzugen Netflix oder Amazon gegenüber ständigen Wiederholungen von Sitcoms oder österreichischen Krimis und Talkshows, die dem eigentlichen Bildungsauftrag des ORF längst nicht mehr gerecht werden.
Eine Befragung der Bevölkerung zur ORF-Finanzierung wäre eine Chance für die Regierung gewesen, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen. Darauf verzichtete man und sieht jetzt einer Flut von Sammelklagen und einem Volksbegehren entgegen. Der Protest der österreichischen Tageszeitungen gegen das Monopol stieß bei den meisten Politikern auf taube Ohren. Vielleicht täten diese im Wahlkampf gut daran, den Protest in der Bevölkerung ernst zu nehmen.
(*1983) ist Kulturanthropologe und Politikwissenschaftler. 2023 erschien: „Perspektivenwechsel: Beobachtungen im Jahrzehnt des Wandels“. E-Mails an: