Hat es in einer Höhle immer acht Grad?
Ein Geologe erklärt, welche Phänomene die Temperaturen im Berg beeinflussen und welche Mutmaßungen ins Reich der Mythen gehören.
Wer im Sommer trotz der Hitze etwas unternehmen will, könnte sich den Besuch einer der rund 30 österreichischen Schauhöhlen überlegen. Im Berginneren ist es immer kühl. In der Lurgrotte nördlich von Graz etwa, der längsten heimischen Tropfsteinhöhle, zeigt die Quecksilbersäule das ganze Jahr über acht bis neun Grad. Da etliche Höhlen ähnliche Werte aufweisen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um eine Art Konstante handeln könnte.
Aber: „Das stimmt so nicht“, klärt Christoph Spötl auf. Der Geowissenschaftler forscht am Institut für Geologie der Uni Innsbruck und ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Präsident des Verbandes Österreichischer Höhlenforschung. „Vielmehr entspricht die Temperatur in einer Höhle der Jahresdurchschnittstemperatur im Freien auf derselben Seehöhe.“
Rund 16.500 Höhlen sind in Österreich derzeit vermessen und dokumentiert. Dass es in vielen davon acht bis neun Grad kühl ist, liegt daran, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur in Österreich 8,6 Grad Celsius beträgt. Spötl erläutert den Zusammenhang: „Höhlen stellen keine in sich abgeschlossenen Systeme dar, sondern es findet durch zahlreiche Spalten und Risse im Gestein ein Luftaustausch mit der Oberfläche statt.“
Kamineffekt sorgt für Eis
Doch es gibt auch Höhlen, die anders „funktionieren“, nämlich dann, wenn die Ein- und Ausgänge auf sehr unterschiedlichen Seehöhen liegen. Dann kann es zum sogenannten Kamineffekt kommen. Spötl: „Im Winter, wenn es in der Höhle wärmer ist als draußen, steigt die warme Luft aufgrund ihrer geringen physikalischen Dichte im Höhlensystem nach oben und entweicht beim höher gelegenen Ausgang. Durch die Sogwirkung füllt sich die Höhle gleichzeitig vom unteren Ausgang her mit kalter Außenluft, und das Gestein rund um diesen Abschnitt wird stark unterkühlt.
Im Sommer hingegen, wenn es draußen wärmer ist als im Berg, strömt die kalte und dichtere Höhlenluft bei der tiefer gelegenen Öffnung aus, warme Luft wird oben angesaugt. Viele Eishöhlen in den Alpen verdanken ihre Existenz diesem Effekt: Das Eis kann sich das ganze Jahr im Bereich des unteren Eingangs halten. Ein Beispiel dafür ist die Eisriesenwelt bei Werfen (Salzburg), mit rund 150.000 Besucherinnen und Besuchern jährlich die meistfrequentierte Schauhöhle Österreichs. Dort liegt die Temperatur dauerhaft unter dem Gefrierpunkt.
Eine andere Anomalie sind Höhlen mit dem „Kältefallen-Effekt“. Sie besitzen nur eine Öffnung. Von dort aus führen Gänge oder Schächte nach unten und enden blind. Im Winter sinkt die kalte Außenluft in diese Höhlen und kühlt diese stark ab. Im Sommer bleibt die kalte Luft dort gefangen, da sie schwerer als die warme Außenluft ist. In etlichen dieser sackförmigen Höhlen kann sich Eis das ganze Jahr halten, so etwa in der Eis- und Tropfsteinhöhle Hundalm, einer kleinen, touristisch erschlossenen Höhle bei Wörgl in Tirol.
Der Klimawandel macht übrigens auch vor diesen unterirdischen Welten nicht Halt: Ein Forschungsteam rund um Spötl fand kürzlich Bestätigungen dafür, dass die steigenden Temperaturen auch die Höhlen wärmer werden lassen.
„Die Temperatur in einer Höhle entspricht der Jahresdurchschnittstemperatur im Freien.“
Christoph Spötl, Geowissenschaftler