Es muss doch mehr geben als Adam und Gott
Bahnhof Meidling scheint ein Ort zu sein, wo eine Frau landet, die so ungezogen ist wie Eva. Simone Hirths neuer Roman „Malus“.
Alles fing mit Adam und Eva an, und alles scheint mit Adam und Eva zu enden. Gelangweilt von der Eintönigkeit, die im Paradies herrscht, und von Adam, der mit der Zeit auch nicht mehr ihr Interesse zu wecken imstande ist, beißt Eva bewusst in den Apfel. „Es muss doch mehr geben hier draußen als Adam und Gott“, sagt sie sich, verlässt das Paradies und landet im selbst genähten Kleid und mit einem Apfelvorrat in Wien Meidling. Der wütende Adam und ein nicht weniger wütender Gott schnauben ihr hinterher, sie würde es schon bald bitter bereuen. Doch es kümmert sie nicht. Zumindest nicht am Anfang.
Bahnhof Meidling scheint ein Ort zu sein, wo eine Frau landet, die so ungezogen ist wie Eva. „Der Geruch von Frittierfett und Urin in den Unterführungen muss ausgehalten werden.“Dann lernt Eva in einer Bücherei Magdalena kennen, die vor einiger Zeit aus dem Neuen Testament ausgestiegen ist, und zieht bei ihr ein. Immerhin sind die Wohnungen in Meidling noch bezahlbar. Und dann stellt Eva fest, dass sie schwanger ist. Prompt melden sich die beiden Männer zu Wort: Der eine droht, der andere nimmt sich einen Scheidungsanwalt und verspricht ihr die Hölle. So wird ihr bewusst, dass es nicht einfach werden wird, dass das Patriarchat ihr verbieten möchte, die Meidlinger Hauptstraße entlangzugehen, wobei man sich härtere Strafen Gottes als diese vorstellen kann. Alles ist besser als noch ein Tag mit dir, sagen sich ja viele Scheidungspaare, und dann duften sogar die Ausdünstungen des Bahnhof Meidling wie ein sonniger Sonntagmorgen.
Die beiden toxischen Männer Gott und Adam wollen ihr untersagen, nach ihrem eigenen Empfinden zu leben. Und es wird noch schlimmer: Adams Drohungen und Einschüchterungen, die nicht nur verbal bleiben, treiben Eva in Zweifel und Verstörung. Obwohl sie die erste Frau auf Erden ist, ist sie nicht die erste Frau, die diese Erfahrungen machen muss. Langsam, aber sicher wird Eva an den Abgrund getrieben: Beim Scheidungsverfahren steigt sie als Verliererin aus, und ihre Ängste werden nur milde belächelt – schließlich geht es hier um das Wohl des noch ungeborenen Kindes.
Der Roman „Malus“, der die klassische Emanzipationsgeschichte der Genesis um eine feministische Interpretation bereichert, macht nicht den Fehler, in eine lustige Parodie abzugleiten, hat aber dennoch Probleme mit der Fallhöhe. Denn im Genesismythos war Eva die treibende Kraft, die den etwas trotteligen Adam mitzog und den längst fälligen Schritt zur Autonomie der Menschenkinder einleitete. Bei Simone Hirth ist Eva ein Opfer toxischer Männlichkeit, „unwissend und verschüchtert“und nun auch ein Opfer des nicht mehr nur trotteligen, sondern übergriffigen Adam. Ein dumpfer Gewalttäter, der Eva schlussendlich, nachdem der gemeinsame Sohn geboren wurde, erstickt.
Damit fällt diese zeitgenössische Parabel unbarmherziger und pessimistischer als die biblische Vorlage aus. Denn in der Genesis ist es immerhin erst der Sohn Kain, der den ersten Mord begeht, und Gott schaut dem Gewalttreiben der Menschheit einige Generationen zu, bevor er mit der Sintflut noch einmal richtig unter seinen Menschenkindern aufräumt und mit Noahs Familie einen Neuanfang wagt. Die ganze Sache geht aber auch an Gott nicht spurlos vorüber. Er verspricht, nie mehr im Stil toxischer Männlichkeit mit der toxischen Menschheit abzurechnen. Er akzeptiert die Menschen, wie sie sind, und setzt als Zeichen dafür den Regenbogen in die Wolken. Doch so viel Hoffnung und Geduld scheint Hirth mit den Menschen nicht zu haben. Adam finalisiert Eva. Wäre er ein echter Wiener, würde er sich anschließend „söba hamdrahn“.