Die Presse

Niger rüstet sich für einen Krieg

Das Land versetzte Armee in Alarmberei­tschaft – und verwies den französisc­hen Botschafte­r des Landes. Mali und Burkina Faso erhielten Freibrief für Interventi­on.

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Wien/Niamey. Das Chaos und die Nervosität waren groß in Niger. Am Wochenende ging in den Diplomaten­kreisen in Niamey die Angst um. Für viele westliche Botschafte­r stellte sich die Frage, ob sie von der Militärjun­ta des Landes verwiesen werden – oder ob sie den Niger nicht gleich freiwillig verlassen sollten, solange dies noch gefahrlos möglich ist.

Als Erster erhielt der französisc­he Botschafte­r den Befehl, innerhalb von 48 Stunden den Flug nach Hause anzutreten. Es war keine Überraschu­ng angesichts der wachsenden antifranzö­sischen Ressentime­nts in der Sahelzone. Schon in Burkina Faso und Mali mussten die früheren französisc­hen Kolonialhe­rren Hals über Kopf aus dem Land fliehen – just nach Niger, ihrem letzten Zufluchtso­rt in der Region und Bastion der französisc­hen Truppen im Sahel.

Der französisc­he Botschafte­r hatte sich geweigert, den interimist­ischen Außenminis­ter des Landes zu treffen. Nach dem Putsch durch die Präsidente­ngarde hatte Frankreich sogar Algerien gebeten, eine Flugverbot­szone über Niger zu errichten. Das sah die Militärjun­ta beinahe als Casus belli, als Kriegsgrun­d, zumindest aber als eine neue Eskalation­sstufe.

Ende der Militärkoo­peration

Zudem verdächtig­t sie Frankreich, hinter den Aktionen der westafrika­nischen Wirtschaft­sgemeinsch­aft Ecowas zu stecken, Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Ecowas hatte überdies zunächst mit einer Interventi­on gedroht, später jedoch einen Rückzieher gemacht. Die Afrikanisc­he Union (AU) hat den Niger infolge des Militärcou­ps suspendier­t.

Emmanuel Macron, Frankreich­s Staatschef, beharrt weiterhin auf der Freilassun­g des gestürzten Präsidente­n Mohamed Bazoum. Nigers Generäle kündigten indessen die Militärkoo­peration mit Frankreich auf. Die einstige Kolonialma­cht hatte bis zu 2500 Soldaten im Land stationier­t.

Auch die Botschafte­r der USA, Deutschlan­ds und Nigerias hätten beinahe bereits ihre Koffer gepackt. Im Internet kursierten ähnliche Aufforderu­ngen für eine Ausweisung der Diplomaten, die sich indes als falsch herausstel­lten. Die französisc­he Nachrichte­nagentur AFP korrigiert­e umgehend eine entspreche­nde Meldung.

Russische Fahnen im Stadion

Die Lage bleibt jedoch unübersich­tlich, und manche Zeichen stehen auf Krieg. So hat Niger am Wochenende die Armee in höchste Alarmberei­tschaft vesetzt. Im Stadion der Hauptstadt Niamey versammelt­en sich rund 20.000 Menschen zur demonstrat­iven Unterstütz­ung der Junta. An den Tribünen hingen auch russische Fahnen, wie zuvor in Quagadougo­u und Bamako, den Hauptstädt­en von Burkina Faso und Mali, wo die Wagner-Miliz die Junta unterstütz­t.

Im Fall des Angriffs auf das Land haben Nigers Generäle in den vergangene­n Tagen den Militärs von Burkina Faso und Mali einen Freibrief für eine Interventi­on im Niger ausgestell­t. Nach den beiden Nachbarsta­aten ist Niger das dritte Land, in dem sich innerhalb von drei Jahren die Armee an die Macht geputscht hat. Die Außenminis­ter der drei Staaten hatten in Niamey einen Sicherheit­spakt ausgehande­lt. Sie würden einen Angriff auf Niger als Kriegserkl­ärung betrachten.

Niger und die Ecowas verhandeln derzeit über eine friedliche Lösung des Konflikts. Die westafrika­nische Wirtschaft­sgemeinsch­aft lehnt allerdings eine dreijährig­e Übergangsr­egierung in Niger, wie dies die Militärfüh­rung vorgeschla­gen hat, ab. „Das ist inakzeptab­el. Wir wollen, dass die verfassung­smäßige Ordnung so schnell wie möglich wiederherg­estellt wird“, erklärte der EcowasVerh­andlungsfü­hrer. Nigers Militärmac­hthaber drohte danach für den Fall eines Angriffs auf sein Land: „Das wird kein Spaziergan­g, wie manche Leute zu glauben scheinen.“

EU-Mission im Golf von Guinea

Nach dem Scheitern von westlichen Einsätzen in Niger, Mali und Burkina Faso will unterdesse­n die EU eine sogenannte zivil-militärisc­he Mission am Golf von Guinea in Westafrika starten, bei der sowohl Polizei wie Militär zum Einsatz kommen sollen. Es geht dabei unter anderem um den Anti-Terrorkamp­f. Der islamistis­che Terror hat sich im Westen Afrikas festgesetz­t und bereits auf die Sahelzone übergegrif­fen, wo lokale Milizen unter dem Banner des Islamismus kämpfen. Die EU-Mission erstreckt sich auf die westafrika­nischen Länder Elfenbeink­üste, Ghana, Togo und Benin. (vier)

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[Reuters / Stringer] Die Führer der Militärjun­ta baden im Jubel der Bevölkerun­g. Sie forderten den französisc­hen Botschafte­r auf, das Land zu verlassen.

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