Die langen Nachwehen des BVT-Fiaskos
Noch fünfeinhalb Jahre später kocht die Razzia beim BVT immer wieder politisch hoch. Die Volkspartei mobilisiert damit gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl. Verantwortlich will für das Fiasko heutzutage niemand sein.
Die Halbwertszeit innenpolitischer Skandale ist in Österreich oft überschaubar. Wirbelte das Ibiza-Video nach seiner Veröffentlichung im Mai 2019 noch die Politik umher, wird es gut vier Jahre später höchstens noch in Sonntagsreden erwähnt. Eine Affäre jedoch schlägt auch Jahre danach immer wieder politisch auf – die Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Februar 2018. Sie wird wohl ebenfalls im kommenden Nationalratswahlkampf 2024 noch des Öfteren aufgekocht werden.
Einen Vorgeschmack lieferte am Wochenende die ÖVP, die Kickl unter Verweis auf die Razzia wieder einmal als „Sicherheitsrisiko“für Österreich brandmarkte. Anlass dafür sind Interviews des ehemaligen Ex-BVT-Direktors Peter Gridling, dessen neues Buch „Überraschungsangriff“zur Causa BVT diese Woche erscheint. Der damalige Innenminister Kickl und die FPÖ hätten das Amt „umfärben“wollen, kritisierte Gridling. Die Führung des Verfassungsschutzes sei „grundlos desavouiert“worden.
Kritik von Van der Bellen
Doch beruft sich nicht nur die ÖVP auf die Razzia, um gegen Kickl mobil zu machen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen begründete seine Kritik am FPÖ-Chef im Jänner 2023 ebenfalls unter anderem mit der Hausdurchsuchung. Man möge Kickl fragen, „ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat, außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und, und, und …“, sagte er. Und auch die justizinternen Querelen, die noch heute im Ressort nachwirken, haben ihren Ursprung in der Causa BVT.
Was sich damals im Februar 2018 ereignete, wäre in einem anderen westlichen Staat, der etwas auf seine Sicherheitsarchitektur hält, undenkbar: Damals wurde der Inlands-Nachrichtendienst BVT von der „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität“durchsucht, angeordnet hatte die Razzia die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Anlass war ein anonymes, fragwürdiges Konvolut, in dem schwere Anschuldigungen gegen BVT-Beamte erhoben wurden. Strafrechtlich blieb davon letztlich nichts übrig.
Keine Aufarbeitung in Justiz
Was blieb, war ein Fiasko für das BVT: Ausländische Partnerdienste schränkten ihre Kooperation mit der Behörde ein. Sie waren vor allem auch darüber erzürnt, dass bei der Razzia sensible nachrichtendienstliche Informationen beschlagnahmt wurden. Das BVT wurde aus dem „Berner Club“, dem informellen Zusammenschluss der Inlands-Nachrichtendienste der EU-Staaten sowie Norwegens und der Schweiz, ausgeschlossen.
Für das Fiasko will niemand verantwortlich sein. Da wäre etwa die Rolle der WKStA, die Gridling nun äußerst kritisch bewertete: „Auch die Tatsache, dass die WKStA im Zuge der Hausdurchsuchungen sensible Daten beschlagnahmte und sich somit derartig instrumentalisieren ließ, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Arbeit der WKStA.“Doch Fehler ihrer Behörde gestand Leiterin Ilse-Maria VrablSanda nicht ein. Kritik wurde auch mit dem Hinweis abgetan, dass die Razzia von einem Haft- und Rechtsschutzrichter genehmigt wurde. Allerdings sind solche Genehmigungen in der Praxis eine überschaubare Hürde und werden nahezu immer erteilt.
Eine sachliche, kooperative Aufarbeitung der Causa erfolgte justizintern nicht, wie Auskunftspersonen aus dem Justizressort in den vergangenen U-Ausschüssen erzählten. Stattdessen war die Razzia der Startschuss für zahlreiche justizinterne Macht- und Grabenkämpfe, die das Ressort über Jahre beschäftigten sollten und auch heute noch nachwirken.
Kontakte des Kabinetts
Auch politisch will für die Causa niemand geradestehen. Kickl wies bereits im parlamentarischen BVTU-Ausschuss jede Verantwortung von sich und hielt eher die „überbordende Berichterstattung“der Medien für problematisch. Nur am Rande will er von der Causa als Innenminister etwas mitbekommen haben. Allerdings steht fest, dass Kickls Ministerbüro in die Ermittlungen involviert war und etwa der WKStA Zeugen vermittelte. Mittlerweile äußern sich Kickl und die FPÖ zu der Causa kaum noch.
Die ÖVP nutzt dafür jede Chance, Kickl mit der Razzia in Verbindung zu bringen. Dies umso mehr, als es in die derzeitige Strategie der Schwarzen passt, die Kickl als „Sicherheitsrisiko“für Österreich darstellt. Allerdings: Eine weiße Weste hat die Volkspartei rund um die BVT-Razzia nicht, so ist zumindest die Sicht Gridlings. Unterstützung habe das BVT und dessen Führung von der ÖVP und ihrem damaligen Generalsekretär, Karl Nehammer, nicht bekommen: „Wir waren zum Abschuss freigegeben. Auch von der ÖVP“, sagte Gridling.