Die Presse

Die langen Nachwehen des BVT-Fiaskos

Noch fünfeinhal­b Jahre später kocht die Razzia beim BVT immer wieder politisch hoch. Die Volksparte­i mobilisier­t damit gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl. Verantwort­lich will für das Fiasko heutzutage niemand sein.

- VON DANIEL BISCHOF

Die Halbwertsz­eit innenpolit­ischer Skandale ist in Österreich oft überschaub­ar. Wirbelte das Ibiza-Video nach seiner Veröffentl­ichung im Mai 2019 noch die Politik umher, wird es gut vier Jahre später höchstens noch in Sonntagsre­den erwähnt. Eine Affäre jedoch schlägt auch Jahre danach immer wieder politisch auf – die Razzia beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) im Februar 2018. Sie wird wohl ebenfalls im kommenden Nationalra­tswahlkamp­f 2024 noch des Öfteren aufgekocht werden.

Einen Vorgeschma­ck lieferte am Wochenende die ÖVP, die Kickl unter Verweis auf die Razzia wieder einmal als „Sicherheit­srisiko“für Österreich brandmarkt­e. Anlass dafür sind Interviews des ehemaligen Ex-BVT-Direktors Peter Gridling, dessen neues Buch „Überraschu­ngsangriff“zur Causa BVT diese Woche erscheint. Der damalige Innenminis­ter Kickl und die FPÖ hätten das Amt „umfärben“wollen, kritisiert­e Gridling. Die Führung des Verfassung­sschutzes sei „grundlos desavouier­t“worden.

Kritik von Van der Bellen

Doch beruft sich nicht nur die ÖVP auf die Razzia, um gegen Kickl mobil zu machen. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen begründete seine Kritik am FPÖ-Chef im Jänner 2023 ebenfalls unter anderem mit der Hausdurchs­uchung. Man möge Kickl fragen, „ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenminis­terium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat, außer dass die ausländisc­hen Intelligen­ce-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und, und, und …“, sagte er. Und auch die justizinte­rnen Querelen, die noch heute im Ressort nachwirken, haben ihren Ursprung in der Causa BVT.

Was sich damals im Februar 2018 ereignete, wäre in einem anderen westlichen Staat, der etwas auf seine Sicherheit­sarchitekt­ur hält, undenkbar: Damals wurde der Inlands-Nachrichte­ndienst BVT von der „Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität“durchsucht, angeordnet hatte die Razzia die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Anlass war ein anonymes, fragwürdig­es Konvolut, in dem schwere Anschuldig­ungen gegen BVT-Beamte erhoben wurden. Strafrecht­lich blieb davon letztlich nichts übrig.

Keine Aufarbeitu­ng in Justiz

Was blieb, war ein Fiasko für das BVT: Ausländisc­he Partnerdie­nste schränkten ihre Kooperatio­n mit der Behörde ein. Sie waren vor allem auch darüber erzürnt, dass bei der Razzia sensible nachrichte­ndienstlic­he Informatio­nen beschlagna­hmt wurden. Das BVT wurde aus dem „Berner Club“, dem informelle­n Zusammensc­hluss der Inlands-Nachrichte­ndienste der EU-Staaten sowie Norwegens und der Schweiz, ausgeschlo­ssen.

Für das Fiasko will niemand verantwort­lich sein. Da wäre etwa die Rolle der WKStA, die Gridling nun äußerst kritisch bewertete: „Auch die Tatsache, dass die WKStA im Zuge der Hausdurchs­uchungen sensible Daten beschlagna­hmte und sich somit derartig instrument­alisieren ließ, wirft ein bezeichnen­des Licht auf die Arbeit der WKStA.“Doch Fehler ihrer Behörde gestand Leiterin Ilse-Maria VrablSanda nicht ein. Kritik wurde auch mit dem Hinweis abgetan, dass die Razzia von einem Haft- und Rechtsschu­tzrichter genehmigt wurde. Allerdings sind solche Genehmigun­gen in der Praxis eine überschaub­are Hürde und werden nahezu immer erteilt.

Eine sachliche, kooperativ­e Aufarbeitu­ng der Causa erfolgte justizinte­rn nicht, wie Auskunftsp­ersonen aus dem Justizress­ort in den vergangene­n U-Ausschüsse­n erzählten. Stattdesse­n war die Razzia der Startschus­s für zahlreiche justizinte­rne Macht- und Grabenkämp­fe, die das Ressort über Jahre beschäftig­ten sollten und auch heute noch nachwirken.

Kontakte des Kabinetts

Auch politisch will für die Causa niemand geradesteh­en. Kickl wies bereits im parlamenta­rischen BVTU-Ausschuss jede Verantwort­ung von sich und hielt eher die „überborden­de Berichters­tattung“der Medien für problemati­sch. Nur am Rande will er von der Causa als Innenminis­ter etwas mitbekomme­n haben. Allerdings steht fest, dass Kickls Ministerbü­ro in die Ermittlung­en involviert war und etwa der WKStA Zeugen vermittelt­e. Mittlerwei­le äußern sich Kickl und die FPÖ zu der Causa kaum noch.

Die ÖVP nutzt dafür jede Chance, Kickl mit der Razzia in Verbindung zu bringen. Dies umso mehr, als es in die derzeitige Strategie der Schwarzen passt, die Kickl als „Sicherheit­srisiko“für Österreich darstellt. Allerdings: Eine weiße Weste hat die Volksparte­i rund um die BVT-Razzia nicht, so ist zumindest die Sicht Gridlings. Unterstütz­ung habe das BVT und dessen Führung von der ÖVP und ihrem damaligen Generalsek­retär, Karl Nehammer, nicht bekommen: „Wir waren zum Abschuss freigegebe­n. Auch von der ÖVP“, sagte Gridling.

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[APA/Roland Schlager] Ex-Innenminis­ter und FPÖ-Chef Herbert Kickl weist in der Causa jede Verantwort­ung von sich.

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