Annäherung der Supermächte?
US-Handelsministerin Gina Raimondo ist zu Gast in Peking. Der Besuch soll helfen, wirtschaftliche Gräben zuzuschütten. Die Chancen stehen gar nicht schlecht.
Es ist kompliziert zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und China sind geprägt von gegenseitigem Misstrauen. Zusätzlich zu den weitreichenden bereits bestehenden Handelsbarrieren hat USPräsident Joe Biden unlängst noch einmal nachgelegt: Anfang August hat er per Dekret Beschränkungen für den Verkauf von fortschrittlicher Technologie wie Mikrochips erlassen und Geldflüsse nach China für wichtige Sektoren wie künstliche Intelligenz weitgehend untersagt. Damit sollten sensible US-Technologien geschützt werden. Dabei schwingt auch die erhebliche Sorge mit, Peking könne mit US-Investitionen eigene militärische Projekte vorantreiben. Chinas Präsident Xi Jinping hat die USA daraufhin beschuldigt, Chinas Aufstieg eindämmen zu wollen. Von „technologischem Mobbing“war in Peking gar die Rede.
Das Verhältnis zwischen den beiden Großmächten ist unterkühlt. Zwar sind mit Außenminister Antony Blinken, Finanzministerin Janet Yellen und dem Klimabeauftragten John Kerry in den vergangenen drei Monaten immer wieder hochrangige US-Delegationen nach Peking gereist, weitgehend kehrten sie jedoch alle mit leeren Händen zurück. Jetzt ist US-Handelsministerin Gina Raimondo an der Reihe. Sie ist am Sonntag zu Gesprächen über die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in Peking eingetroffen. Schon im Vorfeld ließ man wissen, dass die USA keinerlei Interesse an einem „Decoupling“, einer wirtschaftlichen Trennung der beiden Supermächte, habe.
China unter Zugzwang
Trotz gegenseitiger Strafzölle sind die Länder wirtschaftlich eng miteinander verbunden, im Vorjahr lag das bilaterale Handelsvolumen bei 690 Mio. US-Dollar – mehr als je zuvor. Für China sind die USA der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. Die bestehenden Handelsbarrieren sind für Peking also schmerzlicher als umgekehrt. Gleichzeitig steht China angesichts zuletzt ungewohnt schwacher Wirtschaftskennzahlen zunehmend unter Druck. Der angeschlagene Immobilienmarkt steht vor dem Kollaps, die Gewinne von Chinas Industrieunternehmen sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 15,5 Prozent zurückgegangen, wie das Nationale Statistikamt (NBS) am Sonntag mitteilte.
Die Attraktivität Chinas für ausländische Investoren hat in den vergangenen Jahren generell nachgelassen, da ausländische Unternehmen immer öfter davor zurückschrecken, in einem aus ihrer Sicht schwierigen und unberechenbaren Geschäftsumfeld zu arbeiten.
Unter all den Amtsträgern der Biden-Regierung, die in den vergangenen Monaten nach China gereist sind, könnte Handelsministerin Gina Raimondo nun diejenige sein, deren Besuch sich als der bedeutsamste erweisen wird, um die unterkühlten Beziehungen zu verbessern.
In Peking erwartet man, dass Raimondo eine US-chinesische Arbeitsgruppe für Exportkontrollen sowie ein Forum für kommerzielle Angelegenheiten ankündigen wird, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf Personen, die mit den Plänen vertraut sind. Der chinesische Premier Li Qiang erklärte vorige Woche zudem, dass es im Interesse beider Länder liege, die Handelszusammenarbeit aufrechtzuerhalten und die Stabilität der globalen Lieferketten sicherzustellen. Stunden später hoben die USA Handelsbeschränkungen für 27 chinesische Unternehmen auf, wofür es Lob aus Peking gab.
Vorbereitung auf G20-Gipfel
Dennoch wird der Besuch der US-Handelsministerin von den anhaltenden Spannungen in den US-chinesischen Beziehungen überschattet. Vor nicht einmal zwei Wochen haben die USA einen Verteidigungspakt mit Japan und Südkorea unterzeichnet. Der Vertrag beinhaltet auch das Versprechen, „wirtschaftliche Zwangsmittel“und Störungen der Lieferketten zu bekämpfen – ein unmissverständlicher Wink Richtung China. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Brics-Erweiterung scheint Raimondos Peking-Besuch brisant. China und andere aufstrebende Wirtschaftsnationen hatten dabei vergangene Woche die westliche Wirtschaftshegemonie ungewohnt scharf in Frage gestellt.
Raimondos Reise dient zudem auch als Vorbereitung auf den G20-Gipfel in zwei Wochen in Indien. Dort könnte US-Präsident Joe Biden auf Chinas Machthaber Xi treffen.