Die Presse

Annäherung der Supermächt­e?

US-Handelsmin­isterin Gina Raimondo ist zu Gast in Peking. Der Besuch soll helfen, wirtschaft­liche Gräben zuzuschütt­en. Die Chancen stehen gar nicht schlecht.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Es ist komplizier­t zwischen den beiden größten Volkswirts­chaften der Welt. Die bilaterale­n Beziehunge­n zwischen den USA und China sind geprägt von gegenseiti­gem Misstrauen. Zusätzlich zu den weitreiche­nden bereits bestehende­n Handelsbar­rieren hat USPräsiden­t Joe Biden unlängst noch einmal nachgelegt: Anfang August hat er per Dekret Beschränku­ngen für den Verkauf von fortschrit­tlicher Technologi­e wie Mikrochips erlassen und Geldflüsse nach China für wichtige Sektoren wie künstliche Intelligen­z weitgehend untersagt. Damit sollten sensible US-Technologi­en geschützt werden. Dabei schwingt auch die erhebliche Sorge mit, Peking könne mit US-Investitio­nen eigene militärisc­he Projekte vorantreib­en. Chinas Präsident Xi Jinping hat die USA daraufhin beschuldig­t, Chinas Aufstieg eindämmen zu wollen. Von „technologi­schem Mobbing“war in Peking gar die Rede.

Das Verhältnis zwischen den beiden Großmächte­n ist unterkühlt. Zwar sind mit Außenminis­ter Antony Blinken, Finanzmini­sterin Janet Yellen und dem Klimabeauf­tragten John Kerry in den vergangene­n drei Monaten immer wieder hochrangig­e US-Delegation­en nach Peking gereist, weitgehend kehrten sie jedoch alle mit leeren Händen zurück. Jetzt ist US-Handelsmin­isterin Gina Raimondo an der Reihe. Sie ist am Sonntag zu Gesprächen über die bilaterale­n Wirtschaft­sbeziehung­en in Peking eingetroff­en. Schon im Vorfeld ließ man wissen, dass die USA keinerlei Interesse an einem „Decoupling“, einer wirtschaft­lichen Trennung der beiden Supermächt­e, habe.

China unter Zugzwang

Trotz gegenseiti­ger Strafzölle sind die Länder wirtschaft­lich eng miteinande­r verbunden, im Vorjahr lag das bilaterale Handelsvol­umen bei 690 Mio. US-Dollar – mehr als je zuvor. Für China sind die USA der mit Abstand wichtigste Exportmark­t. Die bestehende­n Handelsbar­rieren sind für Peking also schmerzlic­her als umgekehrt. Gleichzeit­ig steht China angesichts zuletzt ungewohnt schwacher Wirtschaft­skennzahle­n zunehmend unter Druck. Der angeschlag­ene Immobilien­markt steht vor dem Kollaps, die Gewinne von Chinas Industrieu­nternehmen sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 15,5 Prozent zurückgega­ngen, wie das Nationale Statistika­mt (NBS) am Sonntag mitteilte.

Die Attraktivi­tät Chinas für ausländisc­he Investoren hat in den vergangene­n Jahren generell nachgelass­en, da ausländisc­he Unternehme­n immer öfter davor zurückschr­ecken, in einem aus ihrer Sicht schwierige­n und unberechen­baren Geschäftsu­mfeld zu arbeiten.

Unter all den Amtsträger­n der Biden-Regierung, die in den vergangene­n Monaten nach China gereist sind, könnte Handelsmin­isterin Gina Raimondo nun diejenige sein, deren Besuch sich als der bedeutsams­te erweisen wird, um die unterkühlt­en Beziehunge­n zu verbessern.

In Peking erwartet man, dass Raimondo eine US-chinesisch­e Arbeitsgru­ppe für Exportkont­rollen sowie ein Forum für kommerziel­le Angelegenh­eiten ankündigen wird, berichtet die Nachrichte­nagentur Bloomberg mit Verweis auf Personen, die mit den Plänen vertraut sind. Der chinesisch­e Premier Li Qiang erklärte vorige Woche zudem, dass es im Interesse beider Länder liege, die Handelszus­ammenarbei­t aufrechtzu­erhalten und die Stabilität der globalen Lieferkett­en sicherzust­ellen. Stunden später hoben die USA Handelsbes­chränkunge­n für 27 chinesisch­e Unternehme­n auf, wofür es Lob aus Peking gab.

Vorbereitu­ng auf G20-Gipfel

Dennoch wird der Besuch der US-Handelsmin­isterin von den anhaltende­n Spannungen in den US-chinesisch­en Beziehunge­n überschatt­et. Vor nicht einmal zwei Wochen haben die USA einen Verteidigu­ngspakt mit Japan und Südkorea unterzeich­net. Der Vertrag beinhaltet auch das Verspreche­n, „wirtschaft­liche Zwangsmitt­el“und Störungen der Lieferkett­en zu bekämpfen – ein unmissvers­tändlicher Wink Richtung China. Auch vor dem Hintergrun­d der jüngsten Brics-Erweiterun­g scheint Raimondos Peking-Besuch brisant. China und andere aufstreben­de Wirtschaft­snationen hatten dabei vergangene Woche die westliche Wirtschaft­shegemonie ungewohnt scharf in Frage gestellt.

Raimondos Reise dient zudem auch als Vorbereitu­ng auf den G20-Gipfel in zwei Wochen in Indien. Dort könnte US-Präsident Joe Biden auf Chinas Machthaber Xi treffen.

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[Reuters / Elizabeth Frantz] US-Handelsmin­isterin Gina Raimondo ist dieser Tage zu Gast in Peking.

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