Die Farce von Barcelona
Es war heuer bei weitem nicht die erste Schreckensnachricht, die den Radsport vor dieser Vuelta a España, der letzten großen Rundfahrt des Jahres, erreichte: Das belgische Talent Tijl De Decker, Sieger von ParisRoubaix (U23), ist nach einem Trainingsunfall seinen Verletzungen erlegen. Und dennoch werden die Veranstalter nicht gescheiter.
Im Gegenteil: Einen Tag nach De Deckers Tod jagen sie zum Auftakt der Vuelta die Stars im strömenden Regen durch das nächtliche Barcelona. Ein Mannschaftszeitfahren auf einem Stadtkurs mit Kreisverkehren und engen Kurven, der mit dem erreichten Geschwindigkeitsschnitt von rund 50 km/h auch bei Tageslicht und trockenem Asphalt herausfordernd genug gewesen wäre.
Als Soudal-Quick-Step mit Superstar Remco Evenepoel um 20.19 Uhr als letztes Team von der Startrampe rollte, war es völlig finster, unzählige erfahrene Radprofis waren schon zuvor in die Absperrungen gekracht. Gefahren wurde also im Blindflug, nach den Infos aus dem Teamfunk, sportlich war das Schauspiel wertlos. Die Topteams versuchten nur irgendwie ihre Favoriten auf den Gesamtsieg heil durch Pfützen und Dunkelheit zu lotsen. Evenepoel zürnte, obwohl er sogar einige Sekunden Vorsprung herausgefahren hatte auf Roglič und Vingegaard, seine großen Rivalen von Jumbo-Visma, die unter normalen Bedingungen mit ihrer Mannschaft dieses Zeitfahren dominiert hätten.
Straßenradsport ist gefährlich genug. Abfahrten bei 100 km/h, Massenstürze im Peloton, der Spießrutenlauf durch die Fanmassen, die Zusammenstöße mit Begleitfahrzeugen und die unzähligen Trainingsunfälle. Es ist fahrlässig, dann auch noch unbedacht weitere Gefahren einzubauen wie schwierige Abfahrten am Ende von beinharten Bergetappen, immer noch schnellere Zielsprints – oder eben einen solchen Tanz auf der Rasierklinge wie nun in Barcelona.
Im Blindflug durch strömenden Regen und Dunkelheit – ein solcher VueltaAuftakt ist schlichtweg fahrlässig.