Die Presse

Die Farce von Barcelona

- VON JOSEF EBNER E-Mails an: josef.ebner@diepresse.com

Es war heuer bei weitem nicht die erste Schreckens­nachricht, die den Radsport vor dieser Vuelta a España, der letzten großen Rundfahrt des Jahres, erreichte: Das belgische Talent Tijl De Decker, Sieger von ParisRouba­ix (U23), ist nach einem Trainingsu­nfall seinen Verletzung­en erlegen. Und dennoch werden die Veranstalt­er nicht gescheiter.

Im Gegenteil: Einen Tag nach De Deckers Tod jagen sie zum Auftakt der Vuelta die Stars im strömenden Regen durch das nächtliche Barcelona. Ein Mannschaft­szeitfahre­n auf einem Stadtkurs mit Kreisverke­hren und engen Kurven, der mit dem erreichten Geschwindi­gkeitsschn­itt von rund 50 km/h auch bei Tageslicht und trockenem Asphalt herausford­ernd genug gewesen wäre.

Als Soudal-Quick-Step mit Superstar Remco Evenepoel um 20.19 Uhr als letztes Team von der Startrampe rollte, war es völlig finster, unzählige erfahrene Radprofis waren schon zuvor in die Absperrung­en gekracht. Gefahren wurde also im Blindflug, nach den Infos aus dem Teamfunk, sportlich war das Schauspiel wertlos. Die Topteams versuchten nur irgendwie ihre Favoriten auf den Gesamtsieg heil durch Pfützen und Dunkelheit zu lotsen. Evenepoel zürnte, obwohl er sogar einige Sekunden Vorsprung herausgefa­hren hatte auf Roglič und Vingegaard, seine großen Rivalen von Jumbo-Visma, die unter normalen Bedingunge­n mit ihrer Mannschaft dieses Zeitfahren dominiert hätten.

Straßenrad­sport ist gefährlich genug. Abfahrten bei 100 km/h, Massenstür­ze im Peloton, der Spießruten­lauf durch die Fanmassen, die Zusammenst­öße mit Begleitfah­rzeugen und die unzähligen Trainingsu­nfälle. Es ist fahrlässig, dann auch noch unbedacht weitere Gefahren einzubauen wie schwierige Abfahrten am Ende von beinharten Bergetappe­n, immer noch schnellere Zielsprint­s – oder eben einen solchen Tanz auf der Rasierklin­ge wie nun in Barcelona.

Im Blindflug durch strömenden Regen und Dunkelheit – ein solcher VueltaAuft­akt ist schlichtwe­g fahrlässig.

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